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Wir haben nun verschiedene im alten Ägypten bzw. dem antiken Nordsudan prakti­

zierte Arten der Modifikation der Haut gesehen. Dabei werden unterschiedliche Botschaften transportiert.

Zunächst muss man zwischen der temporären und der permanenten Modifikation unterscheiden. Nur für eine gewisse Zeit sichtbar ist die Bemalung der Haut, die da­

her für zeitlich begrenzte Anlässe genutzt wird. Ebenso sind das Kennzeichnen und das Salben nur temporär notwendig, im ersten Fall zur Organisation von Gefange­

nen, im zweiten Fall für den Moment eines Übergangsritus.

Permanente Modifikationen hingegen visualisieren Botschaften, die für den Rest des Lebens mit diesem konkreten Menschen verbunden sind. Das kann die Brand­

markung als Gefangenen ebenso betreffen wie die Zugehörigkeit zu einem be­

stimmten Stamm, sichtbar an der Form der Skarifikation. Ebenso ist die Tätowie­

rung nicht reversibel. Ob es sich um die Kennzeichnung von bestimmten Frauen handelt, um Zeichen einer (nubischen) Abstammung oder um eine Modeerschei­

nung in Ägypten im frühen Mittleren Reich, die Tätowierung ist eine permanente Kennzeichnung des Körpers.

Offen sind noch die Fragen nach den Rezipienten. Wenn wir die Haut als Me­

dium verstehen, das als Projektionsfläche für Botschaften dient, so sollten auch die Empfänger dieser Botschaften zu fassen sein. Die unterschiedlichen Arten der Haut­

modifikation sind in dieser Hinsicht in unterschiedlichem Maß zu interpretieren.

1:5 Vgl. BURKHARDT, Dodekaschoinos, 7 7 - 8 6 , insbes. 79 (Ph. 120).

Die Körperbemalung hat unterschiedliche Funktionen und daher auch unter­

schiedliche Kategorien von Rezipienten. Die Kennzeichnung der Gefangenen muss von der für die Weiterversendung zuständigen Verwaltungseinheit verstanden wer­

den. Das amuletthafte Bemalen der Augen als Schutz soll böse Mächte fernhalten, das Versehen mit dem Lidstrich den zivilisierten Ägypter vom unzivilisierten Nicht­

Ägypter unterscheiden.

Insbesondere bei den permanenten Modifikationen muss der Ort der Markierung auf dem Körper betrachtet werden, um potentiellen Rezipienten auf die Spur zu kommen. Kann das Zeichen allgemein wahrgenommen werden, ist es nur in spezifi­

schen Situationen sichtbar?

Plakativ öffentlich sind die Gesichtsschnitte der Skarifikation. Soweit wir wis­

sen, war das Gesicht in den alten Kulturen Ägyptens und des Sudan unverhüllt, die Stirnlinie oder die Backenschnitte waren dadurch für jeden sichtbar. Sie zeigen, zu welchem Stamm der Träger gehört, sie zeigen damit die Gemeinsamkeit zu anderen Mitgliedern des Stammes bzw. die Distanz zu anderen Stämmen.

Ähnlich sichtbar wird man sich auch die Brandzeichen vorzustellen haben. Ob sie wie die Registrierung am Oberarm oder an einer anderen Stelle des Körpers ein­

gebrannt wurden, wissen wir jedoch nicht.

Sehr viel differenzierter ist jedoch die Tätowierung zu sehen. Die tätowierten Körperteile sind Oberkörper, Unterleib, Oberschenkel und Ober­ und Unterarme, einmal belegt und das nur in meroitischer Zeit ist die Hand. Teile der Tätowierung waren immer sichtbar, andere wiederum kann man als im Alltag von Kleidung be­

deckt annehmen. Sie konnten daher nur vom intimsten Kreis, z.B. der Familie, gese­

hen werden. Oder aber bei Gelegenheiten, in denen die Frau nackt war ­ dies hat dazu geführt, die Deir el­Bahari­Frauen als Tänzerinnen anzusprechen.

Der Terminus „embodiment" benennt die Verkörperung der Kultur, die Ein­

schreibung von kulturellen Merkmalen in den Körper. Der Körper ist an dem Kon­

taktpunkt zwischen dem individuellen Selbst und der Umwelt, hier stoßen Subjekt und Objekt aufeinander. Er ist Subjekt für das Individuum, aber Objekt für die Um­

welt. Er kann das Instrument sein, mit dem Zugehörigkeit zu der Gesellschaft signa­

lisiert wird. Er kann aber auch Botschaften inkorporieren, die den Ausschluss aus der Gesellschaft anzeigen. Durch den markierten Körper werden bewusste Bot­

schaften ausgedrückt, die, sollen diese Botschaften verstanden werden, auf einem in der jeweiligen Kultur allgemein akzeptierten Zeichensystem beruhen.

Wenn wir nun die Zeichen betrachten, die wir im Bereich der Modifikation der Haut im alten Ägypten bzw. dem antiken Sudan identifiziert haben, so können wir erkennen, dass sie jeweils auch in anderen Zusammenhängen genutzt werden. Be­

sonders deutlich wird dies bei den Mustern, die bei der Tätowierung ­ ob real oder auf Tonfigürchen dargestellt ­ Verwendung finden. Die Überschneidungen bei den Mustern der Keramik der nubischen C­Gruppe und den zeitgleichen Frauenfigür­

chen wurden schon früh erkannt, ich meine aber auch, bei anderen zeitlich und räumlich begrenzten Bereichen der alten Kulturen solche Übereinstimmungen zu se­

hen. Das sudanesische Neolithikum, die ägyptische Negade­Kultur und die meroiti­

sche Zeit nutzen jeweils einen eigenen Zeichenschatz, der auf unterschiedlichen Medien immer wieder auftritt.

Andere Zeichen, wie z.B. die Skarifikationen zur Kennzeichnung der Stammes­

zugehörigkeit, können nur bei Menschen auftreten. Sie sind auf den menschlichen Körper und seine Darstellungen beschränkt, werden als Botschaft jedoch über den jeweiligen Stamm bzw. die jeweilige Kultur hinaus verstanden.126 Sie signalisieren

Mitgliedern anderer Stämme, welcher Gruppe sie zuzuordnen sind.

Für alle genannten Methoden gilt, dass Symbole in den Körper integriert werden, sodass er Botschaften verbreitet.'"7 Diese Symbole sind am äußersten Ende des Kör­

pers manifestiert, das zugleich den sichtbarsten Teil des Körpers ausmacht, der Haut. Die Haut bildet das Interface eine Botschaft wird durch Zeichen verschlüs­

selt, die von der Umwelt decodiert werden können.

Neben dem „embodiment", der Verkörperung von kulturellen Codes, ist aber im­

mer auch mit einem ästhetischen Hintergrund der Hautmodifikationen zu rechnen.

Die Nutzung als Schmuck ist eine weitere Ebene der Kommunikation, die durch die Behandlung der Haut aktiviert wird. Die rein dekorative Hautveränderung, die das ästhetische Empfinden der Ägypter widerspiegelt, erkennen wir besonders deutlich beim Schminken. Die Betonung der Augen, die Rötung von Lippen und Wangen, unterstreicht die Schönheit des Gesichts.

Doch auch das Zur­Schau­Stellen von Stammesabzeichen, wie es die Gesichts­

schnitte sind, hat neben der objektiven Botschaft „ich bin Angehöriger der X Y "

auch ein dekoratives Element. Diese vordergründig funktionale Hautmodifikation kann den Stolz visualisieren, den der Träger verkörpert: „Ich bin nämlich ein würdi­

ger Angehöriger der XY!" Hingegen müssen die Brandzeichen als Negativ des Schmuckes angesehen werden. Die Unterlegenen sind bis an ihr Lebensende mit dem Makel gebrandmarkt. Sie sind mit Anti­Schmuck gekennzeichnet.

Die Haut bildet somit die Projektionsfläche für mehrere Arten von Signalen: Sie kann als kulturelles Trägermedium fungieren und einen spezifischen Zeichenschatz inkorporieren, sie kann an die Mitglieder der eigenen, aber auch fremder Gruppen Botschaften vermitteln, und sie kann nicht zuletzt als Hintergrund für die dekorative Gestaltung des Körpers fungieren.

126 Z.B. werden zur signifikanten Darstellung von Nubiern auch in der römischen Kunst die

Stirnschnitte gezeigt (vgl. KENDALI, Ethnoarchaeology. 6 7 9 mit einigen Belegen).

127 MESKELL/JOYCE (Lives, 55) interpretieren hier ähnlich: „Bodily accourtrements [ . . . ] was not

merely decoration but rather a personification or an extension o f the body seif."

Abbildungen

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/: Kennzeichnung von Personen durch Farbsignaturen aus Medinet Hahu, Tempel Ramses III.

Abb. 2: Brandstempelfiir Tiere

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Abb. 3: Tätowierte anonyme Frau aus Deit el Bahari, II. Dynastie

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Abb. 4: Tätowierte Mumie aus Aksha, 1. Jh. v.-/. Jh. n.Chr.

Abb. 5: Fayenceßgürchen mit aufgemalten Tätowierungen, Mittleres

Reich

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Abb. 6: Malerei einer Frau mit einer Bes-Darstellung am Oberschenkel, Neues Reich

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Abb. 7: Varianten der „Basisform" eines meroitischen Symbols auf verschiedenen Objekten

Abb. 8: Skarißkationswerkzeug

aus Kerma, 8.-7. Jh. v.Chr. Abb. 9: Ba-Kopfaus Shablul

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Ahh. 10: Kopf der Königin Amanishakheto auf ihrer Pyramidenkapelle

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Abb. 11: Darstellung eines Mannes mit Backenschnitten in der C Musawwarat es Sufra, 1. Jh. v.—l. Jh. n.Chr.

ofien Anlage von

Abbildungsverzeichnis

A b b . I: K e n n z e i c h n u n g v o n P e r s o n e n d u r c h F a r b s i g n a t u r e n ( M e d i n e t H a b u , T e m p e l R a m s e s III., a u s : NELSON, M e d i n e t H a b u I, pl. 4 2 ) .

A b b . 2: B r a n d s t e m p e l fü r T i e r e ( M u s e u m Ä g y p t i s c h e r K u n s t , M ü n c h e n , I n v . ­ N r . 5 5 2 0 , a u s : EGGE­

BRECHT, Ä g y p t e n s A u f s t i e g , 149, Kat. 66).

A b b . 3: T ä t o w i e r t e a n o n y m e F r a u a u s Deit ei B a h a r i , 11. D y n a s t i e ( a u s : KEIMER, t a t o u a g e , pl. VII).

A b b . 4: T ä t o w i e r t e M u m i e a u s A k s h a , 1. Jh. v.—l. Jh. n . C h r . ( a u s : VlLA, A k s h a , pl. X V ) .

A b b . 5: F a y e n c e f i g ü r c h e n mit a u f g e m a l t e n T ä t o w i e r u n g e n , M i t t l e r e s R e i c h ( Ä g y p t i s c h e s M u s e u m u n d P a p y r u s s a m m l u n g , Berlin, I n v . ­ N r . 9 5 8 3 ) .

A b b . 6: M a l e r e i e i n e r Frau mit e i n e r B e s ­ D a r s t e l l u n g a m O b e r s c h e n k e l , N e u e s R e i c h ( n a c h : VAN­

D I E R , F r e s q u e , p l . I I I ) .

A b b . 7: V a r i a n t e n d e r „ B a s i s f o r m " , e i n e s m e r o i t i s c h e n S y m b o l s a u f v e r s c h i e d e n e n O b j e k t e n ( a u s : KLEINITZ, M a g i s c h ­ r e l i g i ö s e Z e i c h e n , A b b . 1).

A b b . 8: S k a r i f i k a t i o n s w e r k z e u g a u s K e r m a , 8 . ­ 7 . J h . v . C h r . ( a u s : BöNNET, F u n e r a r y t r a d i t i o n s , 6, fig. 9.2).

A b b . 9: B a­ K o p f a u s S h a b l u l ( K h a r t o u m N a t i o n a l M u s e u m , Inv. N r . 7 6 1 , in: WlLDUNG, S u d a n , Cat.

3 1 0 ) .

A b b . 10: K o p f d e r K ö n i g i n A m a n i s h a k h e t o a u f ihrer P y r a m i d e n k a p e l l e ( Ä g y p t i s c h e s M u s e u m und P a p y r u s s a m m l u n g , B e r l i n , I n v . ­ N r . 2 2 4 4 ; in: WlLDUNG, S u d a n , Cat. 3 2 2 ) .

A b b . 11: D a r s t e l l u n g e i n e s M a n n e s mit B a c k e n s c h n i t t e n in d e r G r o ß e n A n l a g e von M u s a w w a r a t es S u f r a , 1. Jh. v . ­ l . Jh. n . C h r . ( F o t o v o n P. W o l f ) .

Literaturverzeichnis

cultural reflection in antiquity: p r o c e e d i n g s of an interdisciplinary A C A C I A Workshop held at LUCAS, A., Ancient Egyptian Materials and Industries, L o n d o n 41962.

MACADAM, M . F . L . , T h e T e m p l e s of K a w a II: history and a r c h a e o l o g y o f the site, L o n d o n 1955.

NELSON, H . H . ( H g . ) , M e d i n e t H a b u I: e a r l i e r r e c o r d s o f R a m s e s III ( O I P 8), C h i c a g o 1930.

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