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Handwerkliche Ausbildung für Flüchtlinge

Im Dokument hier (Seite 24-27)

der Praxis wird der Proband ein-geladen für ca. eine Woche an fachlichen Qualifizierungen teilzu-nehmen. Kosten für Arbeitsklei-dung, Fahrten und ggf. Über-nachtungen werden von der Handwerkskammer Hannover im Rahmen des Projekts erstattet.

Gewerke wie Kfz-Bereich, Metall, Maler- und Lackierer, Sanitär-Heizung-Klima-Technik und Bau werden von den Klienten bevor-zugt angesteuert. Hier werden sowohl praktische Arbeitsproben gefertigt als auch theoretische Inhalte vermittelt.

Das Profiling erfasst die Kennt-nisse differenziert, plastisch, spielerisch und präzise. Es er-möglicht durch eine grafische Übersicht die gemeinsame Diskussion über Schwerpunkte und Entwicklungsbedarfe zwi-schen Berater, Ausbildern und Probanden. Nach einem Zeit-raum von 1-2 Wochen mit speziellen Aufgaben in der Werk-statt und Gesprächen zur Ermitt-lung der fachlichen und sozialen Fertigkeiten wird eine Aus-bildereinschätzung mittels eines Profilingbogens abgegeben.

Gleichfalls hat der Teilnehmer die Aufgabe, sich selbst einzuschät-zen.

Am Ende des Profilingzeitraums folgt ein Abschlussgespräch mit einer umfassenden Perspektivbe-ratung. Die Ergebnislage mündet bei handwerklicher Eignung in eine Empfehlung, die ein wichtiges Element zukünftiger Be-werbungen um Ausbildung oder Arbeit darstellt. Sollten sich an-dere Präferenzen als die er-warteten gezeigt haben, werden gemeinsam berufliche Alterna-tiven entwickelt, die das Leis-tungspotential des Probanden widerspiegeln.

Erfolgserlebnisse

Die Ergebnisse zeigten Er-staunliches. In punkto Lernfähig-keit lagen alle Flüchtlinge auf einem sehr hohen Niveau. Viele Arbeitstechniken wurden in kürzester Zeit verinnerlicht, ob-wohl Vorerfahrungen kaum oder gar nicht vorhanden waren.

Aber nicht nur die Techniken selbst, sondern auch der Umgang mit Werkstoffen (überwiegend Metall) und Werkzeugen

verblüff-te viele Ausbilder. Maßhaltigkeit – nach Konstruktionsskizze – Fügetechniken, Feilen, Falzen, Löten hätten einem Auszubilden-den im 2. oder 3. Lehrjahr zur Ehre gereicht. Oftmals wurden innerhalb weniger Tage viele Techniken des Ausbildungs-berufes vermittelt.

Darüber hinaus konnten Aus-bilder beobachten, dass allein der Umgang mit den Werkstof-fen mit ausgesprochener Wert-schätzung einherging. Material und Arbeitsgeräte wurden sorg-sam eingesetzt, gereinigt und verwahrt. Die Qualität der Werk-stücke wurde – in strenger Beurteilung - oftmals als „gut“, teilweise sogar mit „sehr gut“

bewertet. Stolz mit dem Ender-gebnis konnten die Teilnehmer ihre Arbeitsproben mit nach Hause nehmen. Im deutlichen Gegensatz zu vielen Auszubilden-den im Förderungs- und Bildungs-zentrum der Handwerkskammer Hannover zeigten die Flüchtlinge hohe Motivation und Hingabe.

Auch die überfachlichen Eigen-schaften wie: Umgang mit Vorge-setzten, Teamfähigkeit, Pünktlich-keit, Einsatzbereitschaft, Ausdauer sowie Lernbereitschaft haben überzeugt. Ein weiteres Kriterium zur Integration ins Handwerk ist der Sinn für interne Hierarchien und „Weisungstreue“. Hier ist die Passgenauigkeit von Mitarbei-tern für kleine bis mittelstän-dische Handwerksbetriebe ge-fragt. Die Kundenzufriedenheit ist stets die oberste Richtschnur.

Somit sind die Meister in den Be-trieben darauf angewiesen, dass ihre Arbeitsanweisungen von den Mitarbeitern genau umge-setzt werden. Es hilft nichts, vier geschmackvolle blaue Quadrate an die Wand zu malen, wenn der Kunde zwei gelbe Kreise haben wollte. Durchaus gab es Einzelfälle die - handwerklich sehr begabt - wenig Verständnis für fremdbestimmte Aufträge mitbrachten. Aber dies waren die Ausnahmen.<

Sabine Meyer

1. Fall: „Aufgeben fehl am Platz…“

Herr W, 24 Jahre alt und ledig;

Herkunftsland Afghanistan. Er kam im Februar 2009 zu uns in die Beratung – auf Initiative sei-ner Bewährungshelferin. Aufent-haltsstatus Duldung § 60a ohne Beschäftigungserlaubnis und mit Bewährungsstrafe aus 2008.

Herr W machte einen sehr ein-nehmenden Eindruck. Er hatte, nachdem er überwiegend in Deutschland aufgewachsen war, mehrere Jahre in Großbritannien gelebt. Herr W war auf sehr un-glückliche Weise mit dem Gesetz in Konflikt gekommen und war lange auf der Flucht vor deutschen Behörden.

In Großbritannien hatte er in un-terschiedlichen Bereichen ge-jobbt und Arbeitserfahrungen gesammelt. Er verfügte über einen Hauptschulabschluss, Füh-rerschein B und Staplerfahrer-praxis. Ferner beherrschte er mind. drei Sprachen neben seiner Muttersprache Dari und besaß hinlängliche PC-Kennt-nisse.

Er wirkte im Gespräch sehr bekümmert und verzweifelt, sah sich selbst im Kontext seines sozialen Umfeldes als Verlierer.

Dennoch merkte man ihm die Entschlossenheit an, sein Leben wieder „auf Kurs“ zu bringen.

Das Ergebnis der Beratung zeigte eine berufliche Präferenz für den Werkstoff Metall. Herr W schwärmte von einer Ausbildung zum Schlosser oder Dreher.

Umgehend wurde von der Hand-werkskammer ein

Profiling-termin im März 2009 anbe-raumt.

Herr W nahm die Woche der Tes-tung zuverlässig wahr und zeigte in der Auswertung sowohl fach-lich als auch im Bereich der sozialen Kompetenzen sehr gute Ergebnisse. Interessant war, dass seine Selbsteinschätzung weit unter der Bewertung des Ausbilders angesiedelt war. Ein eher unübliches Bild.

Herr W wurde mit Beurteilung und Empfehlungsschreiben der Handwerkskammer Hannover auf Ausbildungsplatzsuche ge-schickt. Allerdings schlugen nachfolgende Bewerbungsver-suche in Richtung Metallhand-werk fehl. Ursache: schlechte Auftragslage in den Betrieben und somit wenig Ausbildungsbe-darf. Nach weiteren Perspektivge-sprächen wurde ein alternativer Vorstoß Richtung Ausbildung als Gebäudereiniger im Handwerk gemacht. Es fand sich umgehend ein Ausbildungsplatz. Problem:

die fehlende Beschäftigungser-laubnis.

In den folgenden Schritten wur-den wur-den Behörwur-den sukzessive erst eine Erlaubnis zur Durch-führung eines ausbildungsplatz-bezogenen Praktikums abgerun-gen. Anschließend wurde unter Vorlage von Verträgen und Ab-sichtserklärungen des künftigen Arbeitgebers die Beschäftigungs erlaubnis durchgesetzt.

Die Ausbildung konnte am 01.11.2009 endlich beginnen.

Zuvor wurde der vorzeitige Berufsschulbesuch ab dem 01.08.2009 sichergestellt, damit eine Teilnahme an der Gesellen-prüfung bei Ende der Ausbildung fristgemäß stattfinden kann.

Im Dokument hier (Seite 24-27)