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Wolfgang Beelitz, Linthe, mowobeelitz@aol.com

Im Dorf meiner Kindheit, in Nichel bei Treuenbrietzen, hat sich seit der politischen Wende 1989 sehr viel verändert. Viele Höfe und Grund-stücke haben neue Eigentümer. Die meisten Höfe sind gut erhalten.

Ein Grundstück jedoch verfällt, und andere sind ihres Wohnhauses ent-ledigt und somit entstellt worden. Diese Veränderungen beschränken sich nicht nur auf die jüngere Vergangenheit. Nur wenigen Bewohnern ist bekannt, dass im Dorf neben den Bauern-, Kossäten- und Büdner-gütern in früheren Jahrhunderten auch eine Gutsherrschaft bestand.

Ein letztes sichtbares Zeugnis dieser Epoche im Dorf war die Wetter-fahne des Kirchturms der Vorgängerkirche. Der baufällige Fachwerk-turm wurde bereits 1824 abgerissen. Die Wetterfahne trug das Wappen der Familie von Oppen – einem Adelsgeschlecht, das sich seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts aus dem Belziger Raum ver-breitete.

Meine Mutter, Elsbeth Beelitz geb. Haseloff (1922–2014), erzählte mir in meiner Kindheit öfter von einem geheimnisvollen Keller auf einem der Kirche benachbarten Hof. Von dort soll einst ein unterirdischer Gang zur Kirche geführt haben. Für mich als kleinen Jungen war das natürlich eine spannende Geschichte. Erst später, in den 1980er Jah-ren, nahm ich selbst den Keller in Augenschein. Ich verabredete mich mit dem damaligen Besitzer Manfred Taegener. Der ehemalige Hof Taegener in der Dorfstraße 10 ist ein typischer Vierseithof mit quer-stehendem Wohnhaus, zu beiden Seiten Ställe und nach hinten ab-schließend die Scheune. Eine nähere Besichtigung des als Rübenkeller genutzten Gewölbes war nur in der Zeit vor der Rübenernte möglich.

Der Besitzer wusste aus Erzählungen seiner Familie, dass sich neben dem bestehenden Keller noch weitere befanden. Um die Mitte des 19.

Jahrhunderts war wohl in eines dieser Gewölbe eine Kuh einge-brochen. Das war Anlass jenes und eventuell weitere Gewölbe des Kellers zu verfüllen. Nur der noch heute bestehende Rest wurde in den Stallneubau integriert.

Der Stall aus der Mitte des 19. Jahrhunderts ist zweistöckig konstru-iert. Sein traufseitig erschlossenes Erdgeschoss, welches die einzel-nen Stallräume enthält, ist massiv aus roten Backsteieinzel-nen erbaut. Das etwas vorkragende Obergeschoss, das als Heuboden diente, besteht aus Fachwerk mit Ziegelausfachungen. Der Stall und das Wohnhaus des Hofes sind – wie typisch für unsere Region – durch das Dach des

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Fotos: Blick auf das Gewölbe über der Treppe, 1998

Torhauses miteinander verbunden. Von hier aus – dem vorderen Be-reiches des Stalles – gelangt man in die Futterkammer, wo sich der Abgang zum Keller befindet. Der Einstieg im Fußboden ist mit einer Bretterluke verschlossen. Eine schmale steile und im untern Abschnitt tonnenförmig überwölbte Treppe führt hinab in den Kellerraum. Der quer liegende Keller ragt ein Stück aus dem Grundriss und über die Rückseite des Stalles hinaus. Hier im Gartenbereich befindet sich da-rüber ein angeschleppter Holzschuppen. Der eigentliche Keller macht einen sehr urtümlichen Eindruck. Man gelangt von der Treppe aus durch eine 1 Meter breite Öffnung in den Kellerraum. Die Wände sind im unteren Bereich ca. 1 Meter hoch aus unregelmäßig gefügten Feld-steinen errichtet. Darüber setzt das leicht flache Tonnengewölbe aus Ziegelsteinen an. Die Ziegelmaße betragen ca. 28 x 14 x 7,5 Zentime-ter. Zum Mauern der Steine verwendete man einen Lehmmörtel, der im Fugenbild eine helle Farbe angenommen hat. Der Fußboden besteht aus Stampflehm. Der Keller ist ca. 3,8 Meter lang und ca. 3 Meter breit. Seine Deckenhöhe beträgt im Scheitel des Gewölbes ca. 2,2 Meter. Der Keller besitzt drei kleine Öffnungen, die jeweils in schräg nach oben laufenden Kanäle münden. Sie dienten der Belüftung, wel-che für die Kellerlagerung nötig ist. Aber was ist nun mit dem ver-meintlichen unterirdischen Gang zur Kirche? Unmittelbar am Fuß der Treppe links vor dem Kellereingang befindet sich ein zugemauerter Durchgang. Dieser verläuft jedoch nicht zur Kirche, sondern in die ent-gegengesetzte Richtung. Im oberen Bereich der Vermauerung ist ein Stein entnommen. Man erkennt dahinter den Scheitel eines über-wölbten und mit Erde verfüllten Ganges. Dieser war vermutlich ein Verbindungsgang, der die nebeneinander liegenden ehemaligen Kel-lergewölbe erschloss. Man kann sich gut vorstellen, wie dieses bau-liche Zeugnis in früheren Zeiten die Fantasie angeregt hat.

Was jedoch verbirgt sich nun hinter diesem Rest einer Kelleranlage bzw. eines Gebäudes. Überliefert ist, dass sich in Nichel einst zwei Gutshöfe befanden, deren letzte adlige Besitzer die Gebrüder von Oppen waren. 1682 kaufte der brandenburgische Kurfürst Adelsgüter in der Mark auf, die sich nach dem Dreißigjährigen Krieg verschuldet hatten – so unter anderem auch die beiden Rittergüter von Abraham und Caspar von Oppen in Nichel.

Er ließ diese zu Vorwerken umwandeln, um deren Einnahmen direkt dem Fiskus zuführen zu können. Zur Ermittlung der Kaufsumme er-stellte man unter anderem Gebäudeinventare. Diese sind heute ein wertvolles Geschichtsdokument und geben uns Einblick in den Gebäu-debestand von Adelsgütern im 17. Jahrhundert. Beide Gutshöfe besaßen zur Zeit des Verkaufs an den Großen Kurfürsten im Jahre 57

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1682 jeweils zwölf Gebäude verschiedener Größen und Nutzungen.

Beide Inventare sind in der Urkundensammlung der Familie von Oppen abgedruckt. Diese Familienchronik wurde von George Adelbert von Mülverstedt bearbeitet und 1893 in zwei Bänden herausgegeben.

Die Karte von 1738 gibt uns Aufschluss über die Lage der nun als Vor-werke dienenden Gutshöfe innerhalb der Ortslage von Nichel. Wir kön-nen den weiter von der Kirche entfernten Hof dem Caspar von Oppen zuordnen. Ihm diente als Hofeinfahrt ein Torhaus. Der näher der Kirche liegende Hof gehörte Abraham von Oppen. Unter Punkt 2 des Inven-tares finden wir: „Ein klein gemauertes Gewölbe und einmahl mit Holz übersetzet, ist auch mit Ziegeln gedecket, aber ziemlich alt.“ Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Keller bereits im frühen siebzehnten oder sogar im sechzehnten Jahrhundert gebaut wurde.

Nach dem Siebenjährigen Krieg 1763 ließ Friedrich der Große die Nicheler Vorwerke mit ihren Ländereien auflösen und an Erbpächter, 10 Bauern und 1 Kossät, aufteilen. Einer der Kolonistenbauern aus jener Zeit war ein Vorfahre der Familie Taegener. So erinnert letztlich nur noch dieser erhaltene Gewölbekeller in Nichel an die Familie von Oppen.

59 Foto links oben: Das Dorf Nichel mit

seinen beiden Vorwerkshöfen auf einer Karte von 1738 aus dem Ge-heimen Staatsarchiv Berlin-Dahlem.

Die rote 1 zeigt den ehemaligen Hof des Caspar von Oppen und die rote 2 den des Abraham von Oppen.

Der gelbe Kreis zeigt die Lage des erhaltenen Kellers.

Foto links unten: Gewölbekeller

Foto rechts: Wappen des Adelsge-schlechts von Oppen.

Turmvilla der Jahn´schen Stiftung, Foto oben B. Wilhelm

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