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2.2 Die Arthroskopie des Handgelenks

2.3.1 Grundlagen radiochirurgischer Systeme

Die Verwendung thermischer Energie stellt für den heute operativ tätigen Arzt eine fundamentale Fertigkeit dar, die erlernt werden muss. Ein zentraler Aspekt für den Erwerb dieses Könnens besteht im Verständnis des biopysikalischen Wirkmechanismus radiochirurgischer Energie und deren Interaktion mit humanem Gewebe.

2.3.1.1 Begriffsklärung

Unter Elektrochirurgie versteht man heutzutage im weitesten Sinne jede Anwendung von Wechselstrom in der operativen Medizin14,133. Im engeren Sinne ist es jedoch von entscheidender Bedeutung, die Elektrokauterisation von der Elektrochirurgie ganz klar abzugrenzen. Bei der Elektrokauterisation wird eine Instrumentenspitze durch den sie durchfließenden Strom erhitzt und gibt dann die enstehende Hitze sekundär und unkontrolliert an das Gewebe ab (z.B. zur Koagulation eines Blutgefäßes). Im Gegensatz dazu wird bei der Elektrochirurgie das Gewebe selbst vom Strom durchflossen185. Moderne Elektrochirurgiegeräte arbeiten dabei mit einer Frequenz von 200 kHz bis über 3 MHz, weshalb auch der äquivalente Begriff Hochfrequenzchirurgie verwendet wird. Weil eine teilweise Überlappung dieses Frequenzbereichs mit bestimmten Hörfunk-Radiowellen besteht, sind zusätzlich die Termini Radiochirurgie oder Radiofrequenz- (RF-) Chirurgie gebräuchlich19,133,185.

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2.3.1.2 Physikalisches Wirkprinzip der Radiofrequenzenergie

Für die Entstehung von Radiofrequenzenergie benötigt man einen geschlossenen Kreislauf aus Stromgenerator, aktiver und ableitender Elektrode. Der vom Generator produzierte hochfrequente Wechselstrom fließt von der Sondenspitze der aktiven Elektrode durch das Gewebe bzw. durch die umgebende Flüssigkeit zur ableitenden Elektrode. Dabei werden Ionen und Elektrolyte beim Versuch, dem Strom zu folgen, zu rascher molekularer Bewegung angeregt. Durch die dabei auftretende Reibung sowohl intra- als auch extrazellulär entsteht Wärme im Gewebe. Diese Umwandlung der elektrischen Energie in Wärme bezeichnet man als thermischen Effekt des Stroms1,37,110,185, welcher im Gewebe dann die gewünschten Wirkungen wie Schrumpfung von Kollagenfasern und Glättung des Knorpels erzielt. Dabei ist die Wirkung umso größer, je mehr thermische Energie ans Gewebe abgegeben wird. Der thermische Effekt und somit auch die Menge der entstehenden Wärme unterliegt hierbei dem Joule-Gesetz, in welches neben dem Gewebewiderstand auch die Einwirkzeit eingeht, die zum thermischen Effekt proportional ist: W = I2 x R x ∆t (W = Joulesche Wärme, I = Stromstärke, R = elektrischer Widerstand, ∆t = Einwirkzeit)185. Außerdem wird die Wärmeentwicklung von weiteren Einflussgrößen bestimmt: einerseits vom Abstand zwischen Gewebe und Sondenspitze, wobei die Wärme mit zunehmender Distanz r mit dem Faktor 1/ r4 abnimmt110, und andererseits von der Stromstärke I mit einer zu I2 proportionalen Wärmeproduktion37,110. Desweiteren hat auch der Druck zwischen Sondenspitze und Gewebe, die Art der Spülflüssigkeit und die spezifische Durchblutung des behandelten Gewebes Einfluss auf den thermischen Effekt58,59. Nach Gewebspassage wird der Stromkreis dadurch geschlossen, dass der Strom zur Ableitungselektrode fließt.

Raffinierte technische Beeinflussung des Stroms hinsichtlich Spannung und Intervall der Stromabgabe durch moderne Generatoren ermöglicht verschiedene, gezielte Einsatzmöglichkeiten wie Schneiden, Koagulieren und koagulierendes Schneiden.

Während im Cut-Modus (Schneiden) kontinuierlich Radiofrequenzwellen mit geringerer Spannung bei einer Leistung von 50 - 80 W abgegeben werden, erfolgt beim Koagulations-Modus die Emission der Wellen in kurzen, intermittierenden Stromstößen höherer Spannung bei einer typischen Leistung von 30 - 50 W1,79,132. Dadurch entstehen beim Schneiden innerhalb von kurzer Zeit sehr hohe Temperaturen, die das Gewebe karbonisieren (200 °C) oder vaporisieren (500 °C), was einer Verdampfung der Zellen unter Rauchentwicklung entspricht79. Im Gegensatz dazu wird im Koagulations-Modus das Gewebe langsam und nur auf etwa 70 °C erhitzt, was zur Denaturierung von

35 Abb. 12 Stromfluss eines monopolaren RF-Gerätes80

Eiweißen und konsekutiv beispielsweise zur Blutstillung führt109. Die sog. „Blend Coagulation“ ist eine Mischform zwischen beiden Modi.

2.3.1.3 Funktionsweise monopolarer und bipolarer RF-Systeme

Wie oben bereits kurz angedeutet, werden heute zwei verschiedene Arten von RF-Generatoren eingesetzt, die auf unterschiedlichen Techniken basieren.

Bei der sog. monopolaren Technik erfolgt der Stromfluss von einer sehr kleinen aktiven Elektrode, die in der Spitze des vom Operateur geführten Instruments lokalisiert ist und direkten Kontakt zum behandelten Gewebe benötigt, durch den Körper zu einer sehr großen ableitenden Neutralelektrode, die meist an der Haut des Patienten angebracht wird185 (siehe Abb. 12).

Durch den Größenunterschied beider Elektroden entsteht nur an der aktiven Elektrode eine hohe Stromdichte, was zu Temperaturen von über 400 °C an der Sondenspitze führt149. Das Gewebe wird dadurch verdampft, d.h. Zellen zerplatzen unter dem hohen Innendruck verkochender Flüssigkeit185. Als Nachteil dieser Methode stellte sich heraus, dass das umliegende Gewebe durch thermische Leitung ebenfalls exzessiv erwärmt werden kann, wodurch Kollateralschäden praktisch unvermeidbar werden. Ebenfalls nachteilig ist der unkontrollierte Stromfluss durch den Körper zur Neutralelektrode, da der Strom nicht den kürzesten, sondern immer den Weg des geringsten Widerstands nimmt, wodurch eventuell auch Nerven und Blutgefäße verletzt werden könnten132,149. Zudem können elektrische Geräte wie EKG und Herzschrittmacher dadurch gestört werden185.

Mit dem Ziel, diese Nachteile zu umgehen, wurde vor allem in der Neurochirurgie die bipolare Technik entwickelt, die mittlerweile in allen Bereichen der Medizin breite Anwendung findet. Bei bipolaren RF-Geräten sind Aktiv- und Neutralelektrode zusammen an der Spitze der Arbeitssonde in einem dichten, unveränderlichen Abstand zu-einander platziert185 (siehe Abb. 13). In einem leitenden Medium wie beispielsweise Ringer-Spülflüssigkeit (8,6 g Natrium-chlorid, 0,3 g Kaliumchlorid und 0,33 g Calciumchlorid auf 1000 ml Aqua destillata) formt sich, sobald hochfrequenter Strom zwischen beiden Elektroden fließt, um die Elektroden herum ein hochfokussiertes Plasmafeld, welches aus hochgradig ionisierten Teilchen besteht185. Diese ionisierten

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Abb. 13 Stromfluss eines bipolaren RF-Gerätes80 Teilchen besitzen dann genügend Energie, um organische molekulare Verbindungen des behandelten Gewebes

auf-zubrechen und somit Gewebe großflächig abzutragen („Ab-lation“). Dies geschieht laut Hersteller nicht durch schlagartige Erhitzung des Gewebes wie oben beschrieben, sondern vielmehr durch schrittweise Desintegration organischer Moleküle im Bereich des Plasmafeldes, welches

Temperaturen zwischen 40 - 70 °C je nach gewählter Einstellung besitzt185. Bei bipolaren Sonden fließt der Strom also nur von der aktiven Elektrode an der Sondenspitze auf dem Weg des geringsten Widerstandes durch die umgebende Flüssigkeit oder Gewebe zur ableitenden Elektrode am Instrument. Das kleine stromdurchflossene Volumen entspricht also weitgehend dem Behandlungsvolumen.

Durch diesen räumlich begrenzten Stromfluss wird das unbeabsichtigte und unkontrollierte Entstehen von Spannungsbögen, die das umliegende Gewebe schädigen, vermindert132,185. Durch den Einsatz in einem leitenden Medium wie der Spülflüssigkeit bei der Arthroskopie muss die bipolare RF-Sonde im Gegensatz zur monopolaren keinen direkten Kontakt zum behandelten Gewebe aufweisen149.

Beide Arten der RF-Systeme finden in der heutigen arthroskopischen Chirurgie Verwendung, wobei kontroverse Studienergebnisse über die Anwendung am Gelenkknorpel zu Diskussionen darüber geführt haben, welche Technik gerade auf diesem Einsatzgebiet schonender und sicherer sei, was noch nicht eindeutig geklärt ist.

2.3.2 Einsatzgebiete der Radiofrequenzenergie in der