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1.4 Aufbau

2.1.2 Grundbegriffe der Softwaremessung

2.1.2.1 Messtheoretische Grundlagen

Messenwird in dieser Arbeit im Sinne derrepräsentationalen Messtheorie [95:168]

verstanden: „Das Messen ist eine Zuordnung von Zahlen zu Objekten oder Ereig-nissen, sofern diese Zuordnung eine homomorphe Abbildung eines empirischen Relativs in ein numerisches Relativ ist.“ [75:138] Im Folgenden werden die Begrif-fe Relationensystem37 und Maß definiert. Eine weitergehende Einführung in diese Theorie des Messens findet sich in Bortz und Schuster [11:15f.].

Relationensystem EinRelationensystemist ein Tupel(A, R1, . . . , Rn), wobeiA eine nichtleere Menge von Objekten ist und Ri (i= 1, . . . , n)mehrstellige Relatio-nen über A sind [99:40]. Wenn unter den Relationen abgeschlossene Binäropera-tionen auf den Elementen von Asind, werden diese separat mit ◦j (j = 1, . . . , m) bezeichnet.

Man unterscheidet empirische und formale Relationensysteme. Die Objekte ei-nes empirischen Relationensystems sind zum Beispiel Programmtexte, die Rela-tionen beispielsweise „ebenso verständlich“ oder „verständlicher“. Eine empirische Binäroperation ist das Zusammenfügen zweier Programmtexte. Die Objekte ei-nes formalen Relationensystems sind üblicherweise Zahlen mit den algebraischen Relationen wie ≥, und Operationen wie Addition und Multiplikation.

Maß Es seienE = (E, R1, . . . , Rn,◦1, . . . ,◦m)ein empirisches Relationensystem, F = (F, S1, . . . , Sn,•1, . . . ,•m) ein formales Relationensystem, und µ eine Abbil-dung von E nach F. µ ist genau dann ein Maß (bezüglich E und F), wenn es eine homomorphe Abbildung von E nach F ist [97:16]. Homomorph bedeutet in diesem Kontext, dass die Relationen der Messwerte den Relationen der empiri-schen Objekte entsprechen, das heißt für alle i, j und alle a, b, ai1, . . . , aik ∈ E

37 In dieser Arbeit wirdRelationensysteman Stelle des synonymen Begriffs „Relativ“ verwendet.

gilt [99:40f.] [vgl. 11:16]):

Ri(ai1, . . . , aik)⇔Si(µ(ai1), . . . , µ(aik))

und

µ(a◦jb) =µ(a)•j µ(b)

Skala Ist µ ein Maß bezüglich der Relationensysteme E und F, wird das Tri-pel (E,F, µ) auch Skala genannt. Je nach Art der Relationen aus E, die µ in F erhält, bildet es einen bestimmten der aus der Statistik bekannten Skalentypen (unter anderen Nominalskala, Rangskala, Intervallskala, Verhältnisskala und Ab-solutskala [89:6f.]). Zuse [99] leitet für eine Vielzahl von Softwaremaßen theoretisch den Typ der durch sie definierten Skala in Bezug auf die sogenannte „subjektive Komplexität“ her.

2.1.2.2 Ein einheitliches Vokabular

Auf Grund eines systematischen Vergleichs internationaler Standards und For-schungsveröffentlichungen zur Softwaremessung kommen García u. a. [32:631] zu dem Schluss, dass auf dem Gebiet der Softwaremessung „Terminologie, Prinzipien und Methoden immer noch definiert, gefestigt und vereinbart werden“38 müssen.

Sie fanden gravierende Fälle von Homo- und Synonymie sowie Unterschiede und Lücken auch bei grundlegenden Konzepten [32:635]. Auf einige solcher Probleme wird am Ende dieses Abschnitts eingegangen (Abschnitt 2.1.2.3, S. 22).

Durch Synthese und Vervollständigung der bestehenden Begrifflichkeiten entstand eine informelle Ontologie [56:274], die als strukturiertes, kontrolliertes Vokabu-lar [56:280] zur Vereinheitlichung der Terminologie beitragen soll: die sogenannte Software Measurement Ontology [32:635ff.] [7:175ff.] (siehe Abb. 2.4 auf der nächsten Seite und Anhang A, S. 123 für eine eigene Übersetzung). Im Fol-genden werden die in dieser Arbeit verwendeten Begriffe nach dieser Ontologie definiert, wobei die Definitionen für ·Maß und ·Skala durch die obigen ersetzt werden mussten, um mit der repräsentationalen Messtheorie konsistent zu sein.

38 “. . . software measurement is currently in the phase in which terminology, principles, and methods are still being defined, consolidated, and agreed.”

eigene Grafik

Abbildung 2.4 – AngepassteSoftware Measurement Ontology [vgl. 7:181]

Messung Gesamtheit der Tätigkeiten, um mittels eines ·Messansatzes einen

·Messwert für ein bestimmtes Attribut eines ·Messobjekts zu ermitteln.

Messansatz EinMessansatz ist eine Abfolge von Operationen, die darauf abzie-len, den Wert eines Messergebnisses festzustellen.MessmethodeundMessfunktion sind Arten von Messansätzen:

Messmethode Allgemein beschriebene logische Abfolge von Operationen, die an-gewendet werden, um ein Attribut in Bezug auf eine bestimmte ·Skala zu quantifizieren.

Messfunktion Algorithmus oder Berechnung, durch den/die mehrere ·Basismaße oder ·abgeleitete Maße verknüpft werden.

Messwert Die Zahl oder Kategorie, die durch eine ·Messung einem Attribut eines ·Messobjekts zugeordnet wird.

Messobjekt Empirisches Objekt, das durch ·Messung seiner Attribute charak-terisiert werden soll.

Maß Homomorphe Abbildung µ der Menge der empirischen Objekte E in die Menge der formalen Objekte F. Für e ∈ E heißt µ(e) ∈ F ·Messwert für e.

Ein festgelegter·Messansatz dient zur praktischen Umsetzung dieser theoretischen Abbildung. Man unterscheidet Basismaße und abgeleitete Maße:

Basismaß Ein ·Maß eines Attributs, welches auf keinem anderen ·Maß aufbaut und dessen ·Messansatz eine ·Messmethode ist.

Abgeleitetes Maß Ein ·Maß, das mittels einer ·Messfunktion als ·Messansatz aus anderen ·Basismaßen oder ·abgeleiteten Maßen gebildet wird.

Maße für ·interne Qualitätseigenschaften werden kurz interne Maße genannt, sol-che für ·externe Qualitätseigenschaften kurz externe Maße. Ein Beispiel für ein internes Maß ist die Anzahl der Zeilen eines Programms, während die Ausfallhäu-figkeit ein externes Maß ist.

2.1.2.3 Mehrdeutige Begriffe

Begriff „Metrik“ In der Literatur zur Softwaremessung ist anstelle von ·Maßen oft von „Metriken“ die Rede (siehe zum Beispiel Balzert [5]). Dieser Begriff ist ver-wirrend, da Metrik in der Mathematik üblicherweise eine Abstandsfunktion für Punkte in einem Raum bezeichnet [33:766]. Messwerte in obigem Sinn bezeich-nen jedoch keine Abstände, und nur unter bestimmten Bedingungen lassen sich Abstände zwischen Messwerten sinnvoll angeben. Zuse [99], Liggesmeyer [57] und andere weisen den Begriff „Metrik“ daher zurück und verwenden stattdessen den Begriff ·Maß.

Begriff „Maß“ Der ·Maß-Begriff der repräsentationalen Messtheorie unterschei-det sich vom Maß-Begriff der mathematischen Maßtheorie. Dort ist ein Maß eine Abbildung von Mengen einer σ-Algebra in die nichtnegativen reellen Zahlen, so dass unter anderem gilt, dass die Summe der Bilder disjunkter Mengen gleich dem Bild der Vereinigung dieser Mengen ist [3:17]. Für Wahrscheinlichkeitsma-ße, die auf dieser Maßtheorie aufbauen, diskutieren Krantz u. a. [55:199ff.] deren Behandlung in Begriffen der repräsentationalen Messtheorie.

In [99:29] bezeichnet Zuse jede Abbildung µder Menge der empirischen Objekte E in die Menge der formalen Objekte F als Maß – was problematisch wäre, da

somit nicht jede Anwendung eines „Maßes“ auch eine ·Messung wäre. Im Einklang mit seinen langjährigen Bemühungen, die Software-Messung auf eine solide mess-theoretische Grundlage zu stellen, verwendet er in [97:16] und [98:3] jedoch die oben angegebene Definition.

Standardwerke zur repräsentationalen Messtheorie verwenden den Begriff „Maß“

(oder engl. „measure“) selten; Krantz u. a. [55], Orth [75] und Bortz und Schus-ter [11] sprechen von ·Skalen in obigem Sinn, ohne die homomorphe Abbildung, die zu einer ·Skala gehört, explizit als ·Maß zu bezeichnen.

Begriff „Skala“ „Skala“ wird als mathematischer Begriff oft verwendet, aber selten definiert. Nach Walz [93:39] bezeichnet der Begriff „Skala“ nur dieBildmenge eine ·Maßes im obigen Sinn. Eine „Skala“ wäre demnach nur eine Menge von Zahlen, die an sich nichts über bestimmte Relationen aussagen. In diesem Sinn wird „Skala“ und „Skalentyp“ auch in derSoftware Measurement Ontology definiert [32:636].

Oberflächlich betrachtet damit übereinstimmend bezeichnet DIN [24:26] eine „Grö-ßenwertskala“ als „Menge von Werten von Größen“. Allerdings sind dort Werte als „Zahlenwert und Referenz“ [Hervorhebung hinzugefügt – d. Verf.] auf eine Maßeinheit, ein Messverfahren oder ein Referenzmaterial definiert [24:23]. Das bedeutet, es handelt sich nicht einfach um Zahlen, sondern um Zahlen mit ei-ner bestimmten empirischen Bedeutung. Dies wird in der Definition eiei-ner ·Skala als Homomorphismus zwischen empirischem und formalem System nur deutlicher ausgedrückt.