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Grimms Versuch der Orthographiereform

Im Dokument Vuk Karadžić Jacob Grimm und (Seite 34-42)

Grimms Ansichten über die Probleme der deutschen Orthographie zeigen viele Parallelen zur Orthographiereform von Vuk Karadzic.

Einige Tatsachen sprechen dafür, daß Grimms Reformversuch durch Vuk angeregt und beeinflußt wurde.

Grimm hat den ersten S chritt zur Reform der deutschen Orthogra- phie in der zweiten Auflage des ersten Bandes seiner Grammatik von 1822 unternommen. Er hat an Stelle der sog. "deutschen"die la te in i- sehe S chrift und die Kleinschreibung eingeführt. Die Abschaffung der Großschreibung hat er folgendermaßen begründet: "Für sie

spricht kein einziger innerer grund, wider sie der beständige frü - here gebrauch unserer spräche bis ins sechzehnte, siebzehnte jahr- hundert, ja der noch währende a lle r übrigen Völker, um nicht die erschwerung des schreibens, die verscherzte einfachheit der s c h r ift anzuschlagen-"1 Grimm stützte sein Argument, daß die Großschreibung

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־

1 Vgl. Deutsche Grammatik 1. T., 2.Aufl. 1822, S. XVIII. - Seine Erklärung des Ursprungs der "deutschen" Schrift und der Groß- Schreibung i s t von der späteren paläographischen Forschung im Wesentlichen bestätigt worden. - Vgl. K. Hiehle, Jakob Grimm

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nicht zum Wesen der deutschen Sprache gehört, auf die Erkenntnisse aus der Sprachgeschichte.

Grimm hat in der Zeit zwischen der ersten und zweiten Auflage seiner Grammatik die Orthographie von Vuk Karadziè kennengelernt und ihre Vorteile in der Rezension des serbischen Wörterbuchs und in der Vorrede zur deutschen Fassung von Vuks Grammatik gelobt.

Unter Grimms Äußerungen über Vuks Orthographie sind zwei von besonderer Bedeutung, weil sie auch in seinen Ansichten über die deutsche Orthographie erscheinen, nämlich: 1. Grimm hebt die ein-

fachen kyrillischen Zeichen von Vuk gegenüber den traditionellen hervor, weil die "einzelnen, anders angenommenen Zeichen... die eigenthümlichkeit der laute zu erfassen" vermögen (GKS IV, S. 102);

2. er lobt den phonetischen Charakter von Vuks Orthographie, weil der "Wohllaut der serbischen Buchstabenverhältnisse"1 sich in der S chrift widerspiegelt: "wir würden die feinen Modificationen der Consonanten weniger erkennen, wenn der Verfasser mehr die etymolo- gische Wurzel festgehalten,als die Abstufungen der wahren Ausspra־

che beachtet hätte.

Das Problem der deutschen Orthographie is t für Grimm erst mit dem Beginn der Arbeit am Wörterbuch akut geworden. Er geht in sei- nen Schriften aus dieser Zeit wiederholt auf dieses Problem ein.

In seiner K ritik der deutschen Schreibweise und in seinen Vorstel- lungen über eine gute Orthographie erscheinen die Gedanken aus sei- ner Beurteilung der Orthographie von Vuk: "was in jeder guten

s c h r ift s ta ttfin d e t, die annahme einfacher Zeichen für beliebte consonantenverbindungen, wie bei uns CH und SCH sind, i s t gänzlich vermieden und dadurch der anschein schleppender breite hervorge- bracht... Auf den wollaut und das gesetz a lle r ändern sprachen, dasz inlautend buchstab vor buchstab schwinden müsse, wenn er nicht mehr auszusprechen is t , wird herkömmlich nicht geachtet..." (GKS

I , S. 348f., 1847).

1 In Grimms Terminologie werden die Begriffe "Buchstabe" und "Laut"

nicht von einander abgegrenzt.

2 Vgl. Grimms Vorrede zur "Kleinen serbischen Grammatik", a.a.O., S. XXII.

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Grimms Argumentation gegen die etymologische Rechtschreibung stimmt stellenweise fast wörtlich mit derjenigen von Vuk über-ein. Vuk hat in seiner serbischen Grammatik geschrieben: " . . . da su slova samo zato izmisfjena, da se njima zapisuju r i j e č i onako kao sto se izgovaraj u . . . a Sekoji bi lju d i c e li da im slova kazuju i kako se r i j e č i izgovaraju, i šta znače, i od kuda su

po-stale!1״ Auch Grimm meint: ״der Schreibung, die ihre volle pflicht

thut, wenn sie alle wirklichen laute zu erreichen sucht, kann nicht das unmögliche aufgebürdet werden, zugleich die geschichte einzelner Wörter darzustellen.״ (GKS I , S. 350, 1847). Vuk hat die Forderung nach etymologischer Rechtschreibung durch Konstru-ierung von Beispielen wie "knež" zu "kneže" ad absurdum geführt und die Vokalgemination als Längebezeichnung (z. B. "raana") ein

F l i c k e n

der serbischen Sprache nach dem Vorbild der deutschen

genannt . Auch Grimm formuliert ähnlich mit konstruierten Beispie-

2

len: "s o llte die s c h rift alle vocale nachholen, die allmählich zwischen den buchstaben unserer Wörter ausgefallen sind; sie hät- te nichts zu thun als zu

h ä k e l n

und wer würde setzen mögen

Eng'land, men'sch, wün'schen, hör'en?" (GKS I , S. 350).

Diese Übereinstimmung von Grimms und Vuks Formulierungen und die Verbindung zwischen Grimms Äußerungen über die deutsche Orthographie und seiner Beurteilung der Orthographie von Vuk wei- sen darauf hin, daß Vuks Orthographiereform einen Einfluß auf

4

Grimms Ansichten und seinen Reformversuch ausgeübt hat . Grimm konnte mit seinem Reformvorschlag nicht so weit gehen wie Vuk.

Der Macht der Gewohnheit, die solchen Reformen widerstrebt, stand auch, anders als bei den Serben, eine starke schriftsprachliche Tradition zur Seite.

Grimms Versuch der Orthographiereform, den er in seinem Wör- terbuch zur Diskussion g e s te llt hat, betraf, wie bei Vuk, sowohl Graphie als auch Orthographie. Im Zusammenhang mit der Graphie deuten seine Ausführungen über

f , v

:

w

darauf hin, daß seine

1 Vgl. Srpska gramatika S. XXXII.

2 Vgl. ebd., S. XXXIIf.

3 Hervorhebung von V. B.

4 Grimm hat zu dieser Zeit in Vuks Grammatik und Wörterbuch ge- lesen; das wird sowohl durch den Briefwechsel als auch durch Eintragungen in Grimms Handexemplar bestätigt.

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Vorstellung von den 1*wirklichen" Lauten dem Begriff des Phonems nahesteht. Da in der deutschen Sprache die Aussprache von

f

und

v

Zusammenfalle, so llte der Laut mit

f

bezeichnet werden, dem dann das

ט

an Stelle von

w

als Opposition treten würde. Grimm wies darauf hin, daß diese Zeichen im Mittelhochdeutschen bereits

so verwendet wurden (GKS V III, S. 373).

"Bei seinen konfusen s, ss, sz-Schreibungen, die besonderen Anstoß erregten, erlag Grimm allerdings einer Autosuggestion, bei den verschiedenen s־Lauten ihrer etymologischen Herkunft ent- sprechende Lautverschiedenheiten noch heraushören zu können."1

Auf dem Gebiet der Orthographie wollte Grimm, außer der Groß- Schreibung, die inkonsequente Bezeichnung der Vokallänge, (die entweder auf dreifache Weise: Gemination, Einschub eines

e

oder eines

h

geschieht, oder unterbleibt), abschaffen.

Die von Grimm hervorgehobenen Probleme sind Gegenstand der bis in die heutige Zeit andauernden Diskussion über die Notwen־

2

digkeit einer Reform der deutschen Orthographie .

1 Vgl. Hiehle, a.a.O. S. 312. - Grimm hat seine Wahl des Zeichens

8z

mit dem Hinweis auf die polnische, litauische und ungarische Sprache begründet (GKS V III , S. 371).

2 Vgl. darüber H. Moser, Groß- oder Kleinschreibung? Ein Haupt- problem der Rechtschreibreform, 1958 (= Duden-Beiträge H. 1);

ders.. Vermehrte Großschreibung ־ ein Weg zur Vereinfachung der Rechtschreibung?, 1963 (= Dudenbeiträge H. 16).

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В. VUK KARADŽIĆS AUFFASSUNG DER SPRACHE

1• Die sprachliche Situation bei den Serben zu Beginn von Vuks Reformbemühungen

Vuk begann seine Tätigkeit in der Blütezeit der sog. slaveno- serbischen Periode1, als sich ih r bekanntester Vertreter Milovan Vidakoviò gerade auf der Höhe seines Ruhmes befand. Die Sprache von Vidakovic und seinen Zeitgenossen wird "slavenoserbisch" ge- nannt. I . Grickat hat recht, wenn sie meint, daß vom lin g u is t i- sehen Standpunkt aus nicht von der Sprache im üblichen Sinne die Rede sein kann . Der Anteil der serbischen und russischen Sprach- elemente war von F all zu F a ll unterschiedlich und keinen Regeln unterworfen; es gab keine allgemeingültige Norm.Die Werke der ein- zelnen S c h r ifts te lle r , sogar die desselben Autors, zeigen Unter- schiede auf allen Gebieten der Sprache, der Phonetik, Morphologie, Syntax und Lexik.

Das slavenoserbische Sprachgebilde hat sich im Laufe der Zeit auf der Grundlage der ru s s .-k s l. Sprache entwickelt, die bekannt- lie h zu Beginn des 18. Jhs. in die serbische Kirche3 und dann

1 Zur Terminologie: Vuks Reformbemühungen betrafen zunächst nur die sprachlichen Probleme bei den Serben (Ablösung der slaveno-

serbischen Sprache, Reform des k y rillis c h e n Alphabets); deshalb wird bei der Erörterung dieser Problematik in bezug auf die Sprache der Terminus

s e r b i s c h

verwendet. Vuk hat in seine Dia- lektforschung, außer den serbischen, auch

k r o a t i s c h e

Dialekte einbezogen. A lle diese Dialekte sind im linguistischen Sinne Teile ein und derselben Sprache auch in der fraglichen Zeit Vuks; der Terminus

S e r b o k r o a t i s c h ( K r o a t o s e r b i s c h )

wird jedoch

nicht auf die Zeit vor 1850 angewandt. Aktuelle Probleme der bei den heutigen Varianten der serbokroatischen Sprache können hier

nicht berücksichtigt werden.

2 Vgl. I . Grickat, U сети je značaj i kakve su specifienosti slave nosrpskog perioda и razvoju srpskohrvatskog jezika. In: Zbornik FL IX, 1966, S. 64.

3 Uber historische Voraussetzungen dazu vgl. A. Belic, Vukova bor- ba za narodni i književni je z ik , 1948, bes. S. 7-24.

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auch in die Schulen eingeführt wurde1. Diese Entwicklung wurde e i- nerseits durch die ungenügende Kenntnis der russischen Kirchenspra- che, andererseits durch die Bemühungen der serbischen S c h rifts te l- 1er, für das Volk in der ihm verständlichen Sprache zu schreiben, verursacht. Bereits Z. O rfelin (1726 - 1785) und J. Rajiò (1726 ־

1801) haben, neben den in russ.-ksl. Sprache verfaßten Werken, ihre Schriften fü r das Volk in einer Art von Volkssprache geschrieben.

Orfelin g i l t auch als der Begründer der slavenoserbischen Schule.

Die serbischen Gebildeten vor Dositej und Vuk vertraten die Auffassung, daß man fü r gehobenere Ansprüche eine gebildetere Spra-che als die des einfaSpra-chen Volkes brauSpra-che. Sie strebten eine Annähe-־

rung an die russische Sprache an, die man für die ursprüngliche sia-vische und somit auch serbische h ie l t . Die sprachliche Situation 2

bei den Serben erscheint am deutlichsten in dem 1781 verfaßten

”Memoár" von Teodor Jankoviè M irije vski ("de M irije v o "), dem Her- ausgeber der zweiten Auflage des St. Petersburger vergleichenden Wörterbuchs. Er fü h rt drei Sprachen an: neben der Kirchensprache für den kirchlichen Bereich s o llte in der "Civilsprache" für die Gebildeten und in der Volkssprache für das Volk geschrieben wer- den3. Mirijevskis "Civilsprache" entsprach dem "mittleren S t i l "

(srednji slog), den Vuks Zeitgenossen vertreten haben und den Vuk, besonders in seinen Polemiken mit Vidakovic, bekämpft hat.

Die Vorstellung von dem "m ittleren S t i l " beruhte auf dem I r r - tum der damaligen Wissenschaft, daß die serbische Volkssprache im Vergleich mit der altkirchenslavischen einen "gesunkenen" Dialekt

1 Die Einführung des Russ.-Ksl. hat die Kontinuität in der Entwick- lung der serbischen Schriftsprache gebrochen. Die neuesten Unter- suchungen der serbischen Lite ra tu r des 17. und 18. Jhs. und die Teilausgabe des Nachlasses von Venclovic ( um 1680-1747), der außer Predigten auch Lyrik in einer ausdrucksvollen Sprache auf der volkssprachlichen Grundlage geschrieben hat, lassen vermuten,

in welcher Richtung sich die serbische Schriftsprache entwickelt hätte. - Vgl. M. Paviå, I s t o r ija srpske književnosti baroknog doba (XVII i XVIII vek), 1970; ders., Gavril Stefanovic Venclo- vie, 1972; ders. (Hg.), Gavril Stefanovic Venclovic, Crni bivo и sreu. Legende,besede, pesme, 1966.

2 Vgl. u.a. J. Rajiò, I s t o r ija raźnych slavenskich narodov.., 1795, I , S. 25 - 32.

3 Vgl. A. Iv ic , Teodor Jankovic M irije vski и odbranu c i r i l i c e . In:

JF XI, 1931, S. 197-216. - Einen Auszug aus dem "Memoár" gibt auch Belic, Vukova borba.., S. 21f.

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darstelle . Sogar der **Vater der S la vistik", Joseph Dobrovskÿ, den Vidakoviò zum Richter im S tre it mit Vuk gewählt hat, v e rtra t in seinem Brief an Vidakovic die Ansicht: **Mir aber, wenn ich mir e i-ne Stimme anmaßen dürfte, w i l l es gar nicht behagen, daß sich die Serbier zur Dorfsprache herablassen sollen. Es muß doch auch eine edlere Sprache für erhabenere Gegenstände geben. Es dürfte ja ein Stylus medius (Srednji slog) ein Mittelweg ausgemittelt werden, der sich der alten liturgischen, und zum *Theil wieder der Umgangs-spräche der Nation näherte. Denn das prosto muß doch nicht bis auf die fehlerhafte Syntaksis der praeposition ausgedehnt werden.1*״

Seine Meinung über die Fehlentwicklungen in der serbischen Sprache hat er in einem Brief an Kopitar m itg e te ilt, da er, offenbar aus Rücksicht auf den Freund, gegen Vuk nicht ö ffe n tlic h auftreten wollte. ״*Was offenbar Corruption i s t , wie sunze, vuk, suza, vidio, dafür wünschte ich, dass man since, vlk, slza, v i d i l schreibe.״* Auch die neuštok. Endung -ma im Lok. PI. s o llte abgeschafft und die ksl. Endung -ch wieder hergestellt werden. Der s tilu s medius s o llte diese Korrekturen enthalten und eine Auswahl der Elemente aus den beiden Sprachbereichen darstellen, die nach festen, allgemeingülti-gen Prinzipien durchgeführt werden müßte. Hinsichtlich der sprach-liehen Situation bei den Serben hat er aber an der Realisierbar-k e it seiner Vorstellungen vom ”mittleren S t i l " gezweifelt .

2

Der s tilu s medius in der Praxis der serbischen S c h rifts te lle r bedeutete eine w illkü rlich e Mischung der serbischen und russ.-ksl•

Sprache. In der Bemühung, die serbische Sprache nach dem Vorbild der russischen zu verbessern, hatten die serbischen S c h rifts te lle r keine Regeln, weshalb ihre Sprachverwendung inkonsequent war. Die- se Inkonsequenzen boten Vuk ein schlagkräftiges Argument in seinem Kampf gegen die Ansichten, daß außer in der Volkssprache auch in einer gebildeteren Sprache geschrieben werden s o llte . Vuk hat die- sen Kampf nach seinen Polemiken mit Vidakovic bereits zu Beginn der 20er Jahre gewonnen.

Vor Vuk hatte sich Dositej als erster gegen die Ansichten von der Notwendigkeit zweier Schriftsprachen gewandt und eine einheit- liehe Schriftsprache auf der volkssprachlichen Grundlage verlangt;

1 Vgl. Skupljeni gramatički i polemicki sp is i Vuka Stef. Karadžica (im weiteren Text: GPS) , Bd. I - I I I , 1894; I , S. US).

2 Vgl. Pis'ma Dobrovskago i Kopitara, hg. V. Jagic, 1885, S. 428f.

(im weiteren Text: Pis'ma). Vera Boji - 9783954793044 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:29AM

somit war er der theoretische Vorläufer von Vuk. Dositej hat aber weder die Volkssprache ausreichend gekannt, noch die praktischen und taktischen Fähigkeiten besessen, um seine Theorie in der Praxis durchführen zu können.

Vuk, der mit Recht als der Begründer der serbischen Schriftspra- che g i l t , war also weder der erste, der in der Volkssprache ge-

schrieben hat1, noch hat er als erster das Problem der Schriftspra- che zur Diskussion gebracht • Die moderne serbokroatische S c h rift- spräche i s t aber von Vuks Ansichten stark geprägt. Der S tre it, den sie seinerzeit ausgelöst haben, wird in unterschiedlichen Formen bis heute geführt. Vuk wird immer wieder, o ft in entgegengesetzten Argumentationen, als die oberste Autorität z i t i e r t ; auf der ande- ren Seite wiederum werden Zweifel geäußert, ob sein Weg der beste und einzig mögliche war. Das beweist, daß Vuks Lösung des Problems der Schriftsprache von Anfang an Keime für neue Probleme en thielt, die in der nachfolgenden Zeit nicht bewältigt werden konnten.

Die Feststellung dieser Tatsache is t kein Votum ” für" oder

2

"gegen" Vuk ; denn, sein Auftreten in der serbischen Kulturgeschich- te und seine Reform waren die dringenden Forderungen der Zeit. Ver- schiedene Einzelheiten seiner Sprachkonzeption, die wir k ritis c h beleuchten möchten, waren zweifellos nicht die besten. Das wesent-

liehe Resultat seiner Bemühungen aber, die Einführung und Festi- gung der Volkssprache in der Literatur, war eine unaufschiebbare Notwendigkeit und die einzige Möglichkeit, das Hemmnis der kultu- rellen Entwicklung bei den Serben, das in der damaligen sprachli- chen Situation lag, aus dem Wege zu räumen.

Der Begriff "Volkssprache" i s t ungenau und muß d e fin ie rt wer- den. Ein Volk i s t keine homogene Einheit; diese Tatsache spiegelt sich auch in der Sprache wider. Die Sprache der städtischen Be- völkerung der Vojvodina zu Vuks Zeiten z.B. unterschied sich von der Dorfsprache durch viele Russismen und Germanismen für kultu- re lie und Z iv ilis a tio n s b e g riffe . Auf der anderen Seite is t die un- genormte Volkssprache ein Mosaik von Dialekten mit größeren oder kleineren Unterschieden. Vuks Begriff der Volkssprache macht im Laufe der Zeit eine Entwicklung durch, auf die wir in der Darstel- lung seiner Ansichten über die Schriftsprache hinweisen möchten.

1 Wie bereits erwähnt wurde,schrieben auch Venclovic, Rajic und Dositej in der Volkssprache.

2 Zur Diskussion darüber vgl. M. Selimovic, Za i protiv Vuka, 1967.

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