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Größe durch Zeitentwicklung

Im Dokument Numerik großer nichtlinearer Systeme (Seite 37-40)

Gleichungen, die die zeitliche Evolution eines Zustandsvektor u Rn eines technischen Systems beschreiben, haben oft die Form einer Evolutionsgleichung erster Ordnung

u(t) =F1(u(t))mit F1 :Rn −→Rn (68) oder einer Gleichung zweiter Ordnung40

u′′(t) =F2(u(t))mit F1 :Rn−→Rn. (69) Dabei werden letztere gern durch Einführung zweier Vektorfunktionen

u1(t) :=u, u2(t) = u(t) in ein System erster Ordnung tranferiert

(u1 u2

) (t) =

( u2(t) F2(u1(t))

)

. (70)

2.4.1 Raum-Diskretisierung

Einen typischen Vertreter der Form (68) erhält man z.B., wenn man eine Reaktions-Diffusionsgleichungen

∂U

∂t(x, t) =c∂2U

∂x2(x, t) +f(U), t >0, x[0,1], (71) mit Diffusionskonstante c und Reaktionsterm f(U) sowie vorgegebenem Anfangswert

u(x,0) =u0(x), x[0,1]

und vorgegebenen Randbedingungen

u(0, t) = ϕ(t), u(1, t) = ψ(t) mit der sogenannten Linienmethode diskretisiert.

Hierzu zerlegt man das Raumintervall [0,1]äquidistant

0 = x0 < x1 < . . . < xn < xn+1 = 1

mit xk+1−xk =h und betrachtet die Differentialgleichung nur auf den „Linien“

(xi, t), t≥o, i= 1, . . . , n In diesen Gleichungen

∂U

∂t(xi, t) =c∂2U

∂x2(xi, t) +f(U(xi, t)), t >0, i= 1, . . . , n (72) ersetzt man die zweite Raumableitung ∂x2U2(xi, t) durch nur auf den Linienwerten operie-rende zweite Differenzenquotienten und galangt so zu

∂U

∂t(xi, t) =cU(xi−1, t)−2U(xi, t) +U(xi+1, t)

h2 +f(U(xi, t)) +O(h2), t >0, i= 1, . . . , n (73)

40Während die Gleichungen erster Ordnung gern bei Reaktionsdiffusionsprozessen auftreten, sind die Gleichungen zweiter Ordnung typischer Weise Bewegungsgleichungen.

Als Näherungen für U(xi, t), i = 1, . . . , n wählt man die Werte ui(t), i = 1, . . . , n, die das System (73) anstelle der U(xi, t)erfüllen, wenn man dort den Fehlerterm O(h2)fortlässt:

ui(t) = cui1(t)2ui(t) +ui+1(t)

h2 +f(ui(t)) t >0, i= 1, . . . , n. (74) Bei f(U) = λexp(U) und c= 1 ergäbe sich so die Gleichung (68), wobei

F1(u) := F(u) mit F aus (63).

Wenn man die Wirkung des Diffusionsoperators ∂x22 diskret gut modellieren will, wird man die Schrittweite h klein wählen müssen. Das gibt dem Differentialgleichungssystem eine große Dimension.

2.4.2 Zeitdiskretisierung

Ist u(0) zusammen mit (68) gegeben41, so werden in (meistens adaptiv angepassten) Zeit-schritten h0, h1, ... an Zeitstellen

t0 = 0, t1 =t0+h0, t2 =t1+h1, ...tn=

n1

k=0

hk sukzessiv ApproximationenYj von u(tj) durch Rekursionen

tj+1 :=tj +hj; Yj+1 =Yj +hjΦ(tj, hj, Yj, Yj+1) (75) mit einer sogenannten „Verfahrensfunktion“ Φ. Diese Funktion wird natürlich Wissen über die FunktionF verwenden müssen, wenn die Folgeu(0) ≈Y0, Y1, Y2, . . .die Werte der Folge u(0), u(h), u(2h), . . . gut wiederspiegeln soll.

Es gibt heute eine für den – nicht auf Anfangswertaufgaben spezialisierten – Anwender fast unüberblickbare Vielfalt verschiedener Verfahren42. Eine gute Einführung bietet das Buch von D. David Francis Griffiths und D. Desmond J. Higham: „Numerical Methods for Ordinary Differential Equations: Initial Value Problems“.

Eine breite Diskussion der verschiedenen Methoden findet man in „Solving Ordinary Dif-ferential Equations I“ von Hairer, Nørset und Wanner sowie „Solving Ordinary Differential Equations II“ von Hairer und Wanner. Wir wollen hier nur auf den unser Thema „große nichtlineare Systeme“ berührende Aspekte der Verwendung sogenannten impliziter Metho-den eingehen.

Hängt Φ nicht von Yj+1 ab, wie beim sogenannten expliziten Eulerverfahren

Yj+1 =Yj+hjF1(Yj), (76) so kann Yj+1 durch einfaches Auswerten von F1 berechnet werden43. Die Verfahren heißen

„explizite Verfahren“.

41respektiveu1(0), u2(0)zu (69)

42Tatsächlich haben wir uns mit der Form (75) schon auf sogenannte Einschrittverfahrebn eingeschränkt, bei denen der Schritt nur durch den aktuellen Zustand und den gewünschten Zustand bestimmt sind. Die Mehrschrittverfahren, bei denen in die Berechnung des Schrittes von tj nach tj+1 auch die Zustände Yjk, Yj+k+1, . . . , Yj1 für ein k > 0 mit eingehen, haben wir hier schon von vorneherein außer Acht gelassen.

43Wenn die rechte Seite der Evolutionsgleichung von t abhängt, wie in y =f(t, y), ist diese natürlich

Hängt dagegen die Verfahrensfunktion von Yj+1 ab, wie zum Beispiel beim einfachsten solchen Verfahren, dem "ìmpliziten Eulerverfahren“

Yj+1 =Yj +hjF1(Yj+1), (77) so nennt man die Methoden implizit, weil Yj+1 durch die Schrittgleichung „implizit be-stimmt“ ist. Es muss erst ein (zumeist nichtlineares) Gleichungssystem gelöst werden, bevor Yj+1 zur Verfügung steht.

Diese impliziten Verfahren werden bei sogenannten „steifen Differentialgleichungen“ einge-setzt. Dies sind Differentialgleichungen, deren Linearisierungen schnell abklingende Lösun-gen enthalten, die bei zu großen Schrittweiten zu künstlichen Oszillationen der numerischen Lösung führen. Auch wenn diese schnell abklingenden Lösungsanteile schon nicht mehr Ein-fluss auf das (eingeschwungene) Lösungsverhalten haben, zwingen diese „steifen Anteile“

bei expliziten Verfahren zu sehr kleinen Schrittweiten. In impliziten Verfahren, werden die-se „Steifheiten“ dagegen ausgedämpft, so dass hier viel größere Schritte gemacht werden können. Der Preis dafür ist die Lösung eines nichtslinearen Gleichungssystems in jedem Schritt. Wenn man dabei keine auf dies bei diesem Vorgehend auftretenden Sonderformen der nichtlineare Systeme zugeschnittenen Löser verwendet, kann man den Schrittweiten-Vorteil sehr schnell wieder verlieren.

Das System (68) ist steif. Im Schrittweitenwahl-Vergleich zwischen einem expliziten und impliziten Verfahren in Anwendung auf eine Reaktionsdiffusionsgleichung mit 19 Diskreti-sierungspunkten und der Bratu-Nichtlinearität in Figure 13 benötigt das implizite Verfah-ren 17 Schritte, um von 0 bis 0.04 zu integrieVerfah-ren, wähVerfah-rend das explizite 81 benötigt.

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

0 0.005 0.01 0.015 0.02 0.025 0.03 0.035 0.04

Schrittentwicklung bei explizitem und impliziten Integrator

Impliziter Integrator 17 Schritte bis 0.04

Expliziter Integrator 81 Schritte bis 0.04

Abbildung 13: Schrittweitenvergleich impliziter vers. expliziter Löser

Weil das implizite die anfängliche ganz vorsichtig gewählte kleine Schrittweite nach dem Erreichen von 0.04 weiter erhöht, während das explizite Verfahren die Schrittweite bei-behalten muss, wird der Vergleich bei Integration bis T = 1 noch ausgeprägter. Hier verbraucht das explizite Verfahren insgesamt 1921 Zeitschritte, während das implizite nur 31 Schritte benötigt.

Man darf allerdings nicht den Anfängerfehlermachen, die Güte eines Verfahrens einfach nur an der Schrittzahl zu messen. Das impizite Verfahren muss ja pro Schritt ein nichtline3ares Gleichungssystem lösen. Das kostet nicht wenig Zeit, so dass das implizite Verfahren nicht gemäß dem Quotienten 1921/31 der Zeitschritte 62-mal so schnell ist, sondern nur etwa 3.3 mal so schnell. Tatsächlich ist das implizite Verfahren in der Anfangsphase sogar lang-samer. Erst bei Ausnutzung der Ähnlichkeit der Gleichungssysteme in den nichtlinearen Lösern kann das implizite Verfahren seine Vorzüge ausspielen und gewinnt nach längerer Integration zunehmend.

Eine ausführliche Diskussion der Lösung der bei impliziten Verfahrebn auftretenden Glei-chungssysteme findet man bei [HWN].

3 Lösung linearer und nichtlinearer Gleichungssysteme kleiner bis moderater Dimension

In diesem Abschnitt wiederholen wir zunächst einmal schon bekannte Aussagen über die numerische Lösung (nicht) linearer Gleichungssysteme, wobei wir noch nicht auf den Aspekt einer besonderen Größe eingehen.

Als das Arbeitspferd der Analyse nichtlineare Gleichungssystem führen wir zunächst den Banachschen Fixpunktsatz an. Als Anwendungen bieten sich an die Beweise verschiedener Störungslemmata, die Untersuchung von Splitting-Verfahren für die iterative Behandlung linearer Gleichungssysteme und den Beweis des Satzes von Ostrowski für allgemeine Fix-punktiterationen.

Für Interessierte erwähnen wir im Anhang zu Abschnitt 3.1 noch ein paar weitere bekannte Fixpunktsätze.

Sodann gehen wir ausführlicher auf Newton-ähnliche Verfahren ein, untersuchen lokale Konvergenz, diskutieren verschiedene Methoden der Globalisierung und dehnen schließlich alles auf den Parameterabhängigen Fall aus, wobei wir uns aus Zeitgründen auf den Fall eines Parameters beschränken.

Aspekte großer Systeme bleiben hier mehr oder weniger Nebensache. Diese Aspekte werden in den nachfolgenden Sektionen angegangen.

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