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2. Material und Methoden

4.1. GPR-30 Agonist G-1 – dosisabhängige antiproliferative Wirkung

GPR-30 wird in vielen endokrinen Geweben exprimiert und die Rolle des Rezeptors bei der Regulierung von Proliferation und Wachstum ist Gegenstand aktueller Diskussionen [66, 79, 94].

Zurzeit gibt es jedoch noch einige grundlegende Unklarheiten bezüglich der definitiven Funktion des Rezeptors. Diese beginnen bereits bei dessen Lokalisation. Während einige Arbeitsgruppen das Endoplasmatische Retikulum als den Hauptsitz des Rezeptors postulierten, gelang anderen Gruppen der Nachweis in der Plasmamembran der Zelle [68, 95-96].

Auch gibt es weiterhin Zweifel am spezifischen Liganden des ehemaligen „orphan receptors“, da einige Arbeitsgruppen keine sättigbare Bindung von Östradiol an GPR-30 nachweisen konnten und so die GPR-30 vermittelten Effekte als unabhängig von der Anwesenheit des Östrogens sehen [96-97].

Andere Gruppen jedoch konnten eine spezifische Bindung von Östradiol an GPR-30 demonstrieren, so dass mehrheitlich davon ausgegangen wird, dass es sich bei GPR-30 um einen weiteren Östrogenrezeptor handelt [66, 74, 76]. In der Nomenklatur ist GPR-30 daher auch bereits unter dem Namen GPER-1 (G-protein coupled estrogen receptor 1) zu finden.

In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass G-1 in der Lage ist, das Wachstum verschiedener Mammakarzinomzelllinien zu hemmen. Dieser Effekt ist allerdings abhängig von der verwendeten Dosis der Substanz.

Mit der höchsten verwendeten Dosis G-1(1µM) ließ sich in allen untersuchten Zelllinien eine ausgeprägte Hemmung des Wachstums induzieren, wohingegen 10nM keinen signifikanten Einfluss auf die Proliferation in einem Zeitraum von 5 Tagen zeigten. Grundsätzlich ist von einer hoch selektiven Bindung von G-1 an GPR30 auszugehen, verglichen mit der Bindung an die klassischen ERs [77]. So konnten auch Bologa et al. mit G-1 Konzentrationen bis 10µM

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keine wesentliche Bindung an ERα oder ERß nachweisen [77]. Um auszuschließen, dass Wechselwirkungen mit dem ERα-Signalweg hier ebenfalls eine Rolle spielen, wurden die Versuche zusätzlich in E2-freiem Medium durchgeführt. Hierbei konnten vergleichbare Ergebnisse erzielt werden wie in E2-haltigem Medium, weswegen wir davon ausgehen konnten, dass es sich hier um einen GPR-30 getriggerten Effekt handelt, der primär unabhängig von den Signalwegen der klassischen Östrogenrezeptoren ist.

Das unterschiedliche Ansprechen der Zelllinien auf die verschiedenen Konzentrationen legt jedoch nahe, dass zusätzliche modulierende Einflüsse auf die zelluläre Antwort auf G-1 eine Rolle spielen. Hier muss letztlich das gesamte Rezeptorprofil der Zelle und das Zusammenspiel der einzelnen Rezeptoren bedacht werden. So sind beispielsweise die teils dominant negativen Effekte einiger ERß-Varianten auf die Transaktivierung von ERα zu bedenken [98-99]. Welche Rolle GPR-30 in diesem Zusammenspiel einnimmt muss noch weitgehend geklärt werden.

Teils stehen die Ergebnisse der Arbeit in Kontrast zu einigen bisherigen Arbeiten, die G-1 eine wachstumsfördernde Wirkung zuschreiben. So postuliert eine aktuelle Studie eine stimulierende Wirkung von G-1 auf das Wachstum ERα negativer SK-BR-3 Zellen. [84].

Allerdings konnten auch andere Arbeitsgruppen hemmende Einflüsse auf das Wachstum von Mammakarzinomzellen, getriggert über GPR-30 und seinen Liganden G-1, feststellen. Ariazi und Kollegen beschrieben diesen Effekt allerdings vornehmlich für ERα positive MCF-7 Zellen [84].

Auch in anderen endokrinen Geweben konnten antiproliferative Effekte dem Membranrezeptor zugeschrieben werden, so z.B. in Urothelzellen [100] oder Prostatakrebszellen [101]. Erst kürzlich konnten Holm und Kollegen eine ausgeprägte Reduktion der Endothelproliferation durch G-1 zeigen [102].

Die Diskrepanz der bisherigen Studienlage lässt sich möglicherweise zumindest teilweise durch die unterschiedlichen verwendeten Konzentrationen erklären. So hatten alle Arbeitsgruppen, die einen antiproliferativen Effekt nachweisen konnten ähnlich hohe oder gar höhere Konzentrationen verwendet wie in der vorliegenden Arbeit. Während Bologa et

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al. für die physiologische Calcium-Ausschüttung eine mittlere effektive Konzentration (EC50) von 2nM G-1 annahmen [77], postulierten Chan und Kollegen eine mittlere inhibitorische Konzentration (IC50) auf das Wachstum von Prostatakarzinomzellen von 1,02x10-6M – 3,2x10-6M abhängig von der verwendeten Zelllinie [101].

Auch muss in Betracht gezogen werden, dass die verschiedenen Zelltypen unterschiedlich sensitiv für G-1 sind. Das wiederum legt nahe, dass hier verschiedene Wirkmechanismen, abhängig von Zelltyp eine Rolle spielen.

Sicherlich ist ebenfalls zu bedenken, dass über einen Rezeptor abweichende Reaktionen auf Stimulation ausgelöst werden können, je nachdem welche „Rahmenbedingungen“ für die Zelle herrschen. Konträre Ergebnisse könnten somit mitunter auch durch unterschiedliche Versuchsbedingungen und Zellvoraussetzungen bedingt sein.

Zudem stellt sich die Frage nach den zugrunde liegenden Mechanismen der G-1 verursachten Wachstumshemmung. Der in der vorliegenden Arbeit verwendete Cell-Titer Blue® assay ist lediglich in der Lage, die Anzahl der metabolisch aktiven und somit lebensfähigen Zellen zu erfassen, eine Aussage über Apoptoserate oder Zytotoxizität ist hiermit nicht möglich.

Eine denkbare Option, die antiproliferative Wirkung zu erklären, ist über die kontinuierliche Induktion von Ca2+ im Zytosol, ein Effekt der GPR-30 getriggert auftritt [77].

Calcium in seiner Funktion als ubiquitär vorkommender second messenger ist in der Kontrolle einer Vielzahl von physiologischen Prozessen beteiligt. Auch ist schon lange bekannt, dass eine Überladung der Zelle mit Calcium hoch zytotoxisch wirkt [103-104]. Der daraufhin folgende Zelltod tritt entweder in Form einer Nekrose, also dem Verlust der Integrität der Zelle und deren Hydrolyse, oder im Rahmen des programmierten Zelltods, der Apoptose auf [104].

In einer aktuellen Studie wurde die antiproliferative Wirkung von G-1 auf Urothelzellen diesbezüglich genauer spezifiziert. Ten et al. kamen hier allerdings zu dem Schluss, dass die G-1 Wirkung nicht auf eine gesteigerte Apoptoserate zurückzuführen sei, da unter Behandlung mit G-1 keine erhöhte Caspase 3/7 Aktivität nachgewiesen werden konnte [100].

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Ein entscheidender Mechanismus könnte auch die Aktivierung des ERK 1/2- Signalwegs sein, die GPR-30 zugeschrieben wird. Man nimmt an, dass die Signaldauer der ERK 1/2-Aktivierung über den weiteren Weg der Zelle entscheidet. Eine transiente Aktivierung führt zu einem Anstoßen der Proliferation, während eine kontinuierliche Aktivierung zu einer nuklearen Akkumulation von ERK1/2 und in Folge zur Übermittlung antiproliferativer Signale führt [105].

Einen interessanten Ansatzpunkt liefern Holm et al., die durch G-1 eine ausgeprägte Hemmung der Mikrotubuli in Endothelzellen fanden. Auch hier wurde eine hohe Konzentration G-1 von bis zu 3µM verwendet. Da sich der Effekt in gleichem Maße auch in GPR-30 knock-out Zellen fand, wurde hier von einem Rezeptor unabhängigen Effekt ausgegangen [106].

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir einen ausgeprägten und dosisabhängigen antiproliferativen Effekt von G-1 auf verschiedene Brustkrebszelllinien beobachten konnten.

Die genauen, der Wachstumshemmung zugrunde liegenden Mechanismen, sowie der Einfluss diverser Rahmenbedingungen und der Unterschied zwischen den verschiedenen Zelltypen muss in weiterführenden Untersuchungen geklärt werden.

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