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Globale Märkte stärker regulieren

Die Analysen und Empfehlungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), die Visionen der Agenda 2030 für Afrika, die globalen Ziele für nachhaltige Ent-wicklung und die Eckpunkte des vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) initiierten Marshallplans mit Afrika betonen in zentralen Punkten gleicherma-ßen die Bedeutung der regionalen Wertschöpfung in Ländern des globalen Südens. Dies ist eine gute argumentative Grundlage, die Landwirtschafts-, Handels- und Entwicklungspolitik Deutsch-lands und der EU in Einklang dazu zu bringen. Die Sonderinitiative „EINEWELT ohne Hunger“ des BMZ bietet bereits Ansatzpunkte zur Förderung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft und regiona-ler Wertschöpfungsketten, auch wenn agrarökologische Ansätze noch stärker betont werden soll-ten. Das agrarpolitische Ziel der EU und der Bundesregierung, neue Märkte für Fleisch- und Milch-produkte sowie verarbeitete Lebensmittel aus Deutschland und der EU zu erschließen, kann mit dem Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten direkt in Konflikt stehen. Daher sollte auch die Ag-rar- und Handelspolitik nicht länger das Ziel eines erfolgreichen Marshallplans konterkarieren, der ja einen mengenmäßigen Rückgang der Nahrungsimporte Afrikas auch aus der EU vorsieht. Ähnli-ches gilt für andere Weltregionen, wenn dort das globale Nachhaltigkeitsziel 2 (den Hunger been-den) erreicht werden soll. Teil einer neuen Partnerschaft zwischen Afrika und Europa muss eine europäische Agrarpolitik sein, die kohärent mit einer zunehmenden Selbstversorgung Afrikas und anderer Entwicklungsländer ist und nicht auf wachsende Exportmengen setzt. Die EU muss ihre Märkte grundsätzlich offenhalten, den afrikanischen Ländern großen Politikspielraum ermögli-chen und wirkungsvolle Anreize für Staaten und Unternehmen bieten, Sozial- und Umweltstan-dards umzusetzen. Germanwatch und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) haben mit einem Kurzfilm29 diese Zusammenhänge sichtbar gemacht.

Video „Mensch Macht Milch – Warum billige Milchexporte aus Europa schädlich sein können?“

29 https://youtu.be/cvunX-IiGiE

Ausblick

Wir werden unsere Aktivitäten für die Umsetzung der Agenda 2030 in der Landwirtschaft verstär-ken: Sowohl durch die Verbreitung des Kurzfilms über Kinos als auch über zahlreiche Veranstal-tungen, Recherchen und Studien. So ist Germanwatch zum Beispiel eingeladen, der Agrarfor-schungsgemeinde in Deutschland und Europa zentrale Impulse beim Abschlusspanel der Jahres-tagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues e.V. (GEWISOLA) im September 2019 am Thünen-Institut in Braunschweig beizusteuern.

Durch weitere investigative Recherchen zu Antibiotikaresistenzen in Tierhaltungen wollen wir dazu beitragen, Bewusstsein bei Verbraucher_innen, Handel und Politik zu wecken und die Weichen zu stellen, um Agrarbetriebe bei der Umstellung zu unterstützen.

Nachdem Studien der Tierärztlichen Hochschule Hannover und staatliche Monitorings erwiesen haben, dass kleinere und ökologischere Tierhaltungen sowie bäuerliche Betriebe mit gemischten Betriebszweigen einen geringeren Antibiotikaeinsatz beziehungsweise geringere Resistenzraten aufweisen, sehen wir uns – gerade auch im Sinne eines besseren gesundheitlichen Verbraucher-schutzes – nochmals bestärkt, bessere Haltungsformen zuverlässig und verbindlich erkennbar zu machen. Die Kennzeichnungspflicht für Eier ist dafür ein bereits seit 2004 EU-weit funktionierendes Beispiel. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hält dennoch bisher an einer lediglich freiwilligen Tierwohl-Kennzeichnung fest. Germanwatch setzt sich dafür ein, wirksame Aktivitäten der breiten Allianz der Kennzeichnungsbefürworter voran zu bringen, die von Verbraucherschutzorganisatio-nen über deutsche Schweinehalter- und Geflügelverbände bis hin zur Biobranche und den Super-märkten reicht.

2020 bieten sich wichtige Chancen für die Überprüfung der Antibiotika-Gesetzgebung für Tierhal-tungen im Zuge der Umsetzung der EU-Tierarzneimittelverordnung in deutsches Recht, die bis 2022 erfolgen muss. Nachdem sich Germanwatch als eine der wenigen NGOs im Bereich Veteri-närantibiotika und Resistenzen in der Lebensmittelkette praktisch mit diesem

Alleinstellungs-merkmal etabliert hat, nehmen wir aktuell ein deutlich steigendes Interesse der Öffentlichkeit und der Medien wahr, darüber mehr zu berichten und Lösungsvorschläge einzubringen. Nachdem direkte Gespräche mit dem Bundeslandwirtschafts- und auch mit dem Bundesgesundheitsminis-terium noch nicht zu weitergehenden Maßnahmen geführt haben, sehen wir uns veranlasst, die Öffentlichkeit noch intensiver über diese Gesundheitsrisiken aus Intensivtierhaltungen aufzuklä-ren. Hier planen wir auch Auswirkungen in den Zielländern von Agrarexporten und damit eine wichtige entwicklungsbezogene Komponente der Problematik noch stärker in den Blick zu neh-men.

Um die weiterhin hohe Belastung der Gewässer in Deutschland insbesondere mit Nitrat anzuge-hen, werden wir die Zusammenarbeit mit den Wasserwerken und weiteren Partnern ausbauen, damit die EU-Wasserschutzrichtlinie konsequent angewandt und der Wandel in der Tierhaltung vorangebracht wird.

Zur Neuausrichtung der internationalen Handelspolitik werden wir in der Arbeitsgruppe Handel im Forum Umwelt und Entwicklung an einer Analyse der EU-Handelsstrategien und -mandate mitar-beiten. Die EU-weiten Aktionstage für eine andere Agrarpolitik mit Germanwatch-Beteiligung im September und Oktober 2019 bilden dazu gute Anlässe.

Mitarbeiter_innen

Tobias Reichert Teamleiter

Reinhild Benning Referentin für Landwirt-schaft und Tierhaltung

Kelly Héau (bis 04/2019)

Freiwilliges Ökologisches Jahr 2018/19

Mit Unterstützung von: Dr. Winfried Zacher

Praktikantinnen im Berichtszeitraum: Cäcilia von Hagenow, Theresa Loch, Nina Möhren, Lisa Schönberger Verantwortlich seitens des Vorstands: Dr. Klemens van de Sand, Michael Windfuhr, Klaus Milke

Unternehmensverantwortung

Das derzeitige globale Wirtschaftssystem verstärkt weltweit in den meisten Staaten die Ungleich-heit und Ungerechtigkeit. In rohstoffreichen Ländern des globalen Südens beispielsweise führt der Abbau von Rohstoffen häufig zu Menschenrechtsverletzungen, Konflikten und Umweltzerstörung, während die Einnahmen aus dem Rohstoffexport sehr ungleich verteilt sind. Oft sind nationale Regierungen hauptverantwortlich für die Situation: nationale Regulierungen sind schwach, die Umweltauswirkungen von Bergbau auf Menschen und Gemeinden werden nicht ausreichend überprüft, bei Umsiedlungen gibt es keine Rechtssicherheit. Wenn nationale Regierungen die Men-schenrechte nicht ausreichend schützen, ist die Rolle der internationalen Unternehmen umso wichtiger. Sie sollen gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sicherstel-len, oder zumindest alles Mögliche versuchen, dass es im Rahmen ihrer Aktivitäten möglichst nicht zu Menschenrechtsverletzungen kommt.

Für Betroffene von Menschenrechtsverstößen wird es besonders schwer, wenn es keine Unterstüt-zung durch ihre eigene Regierung gibt. Sie bekommen häufig weder vor Ort noch in den Herkunfts-ländern der zuständigen Unternehmen ausreichend Wiedergutmachung oder Entschädigung. Es ist dabei kurios: Die Pflichten der Unternehmen sind auf globaler Ebene nicht rechtlich verankert und beruhen somit größtenteils auf freiwilligen Maßnahmen. Regierungen – auch die deutsche – trauen sich kaum, Unternehmenspflichten national verbindlich zu regeln. Gleichzeitig sind die Rechte der Unternehmen durch zahlreiche Handels- und Investitionsabkommen verbindlich ge-schützt.

Das Team Unternehmensverantwortung bei Germanwatch greift einige dieser Herausforderungen auf und setzt sich für wirksame Rahmensetzungen ein, um das globale Wirtschaften gerechter und nachhaltiger zu gestalten. Im Berichtszeitraum ging es dabei vornehmlich um die Umsetzung von bestehenden Regulierungen und Aktionsprogrammen in Deutschland wie dem Nationalen Akti-onsplan Wirtschaft und Menschenrechte, der europäischen Konfliktrohstoffverordnung und der Corporate Social Responsibility (CSR)-Berichtspflicht.

Darüber hinaus wollen wir im starken Verbund insbesondere mit anderen NGOs sowie mit Ge-werkschaften und lokalen Bündnissen eine verbesserte Rahmensetzung voranbringen. Insbeson-dere haben wir uns im Berichtszeitraum darauf konzentriert, in Deutschland die Debatte für eine gesetzliche Sorgfaltspflicht von Unternehmen voranzutreiben und dafür gemeinsam mit vielen anderen Organisationen eine neue Initiative angestoßen.

Rechte für Menschen – Regeln für Unternehmen