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Bei allen drei in den nächsten Kapiteln behandelten Logiken folgen Syntax und Semantik dem gleichen Definiti-onsschema. Zunächst wird eine SignaturLlogischer Operationen angegeben. Die Formelmenge wird als Menge TL(At)derL-Terme über einer MengeAtvonAtomendefiniert.

In der Aussagenlogik (L = AL); siehe Beispiel 5.1) und der Modallogik (L = ML) ist Ateine beliebige – i.d.R.

endliche – Menge.

In der Prädikatenlogik (L = PL) ist At eine Menge von Ausdrücken der Form p(t1, . . . ,tn), die aus Termen t1, . . . ,tn einer beliebigen SignaturΣ und – neben den Operationen ebenfalls zuΣgehörigen Prädikaten p be-steht. Demnach ist eine prädikatenlogische Formel ein Term mit Symbolen auszweiSignaturen:PLundΣ.

Während die Bedeutung einer aussagenlogischen Formel durch 0 oder 1 gegeben ist, entspricht sie bei einer modal- oder prädikatenlogischen Formel der Menge allerZustände(“Welten”), die sie erfüllen.

An die Stelle einer Belegungg:At→2 durch Wahrheitswerte tritt in der Modallogik eineKripke-Struktur K:State→ P(State)× P(At),

die jedem Zustand sseine (direkten) Folgezustände sowie alle atomaren Formeln zuordnet, die im Zustand s gelten (sollen).

In der Prädikatenlogik besteht die ZustandsmengeStateaus allenBelegungenvonXin einerΣ-StrukturA, d.i.

eineΣ-Algebra, die die Prädikate vonΣals Relationen aufAinterpretiert.

Die jeweilige Kripke-StrukturKbzw.Σ-StrukturAliefert eine Belegung

gK :At→ P(State) bzw. gA :AtΣ(X)→ P(AX) atomarer Formeln in derML- bzw.PL-AlgebraP(State)bzw.P(AX), deren Extension

gK:TML(At)→ P(State) bzw. gA :TPL(AtΣ(X))→ P(AX) modal- bzw. prädikatenlogischen Formeln ihre jeweilige Bedeutung zuordnet:

At incAt

54 5 Gleichungslogik (equational logic)

Die Formeln mancher Logiken – wie z.B. SQL, XPath oder sog. Beschreibungslogiken (description logics) – be-schreiben auch mehrstellige Relationen. Dann besteht die SignaturLaus Operatoren, die Relationen bilden oder mit anderen Relationen verknüpfen, während der semantische Bereich, in dem die Formeln interpretiert werden, die Potenzmenge eines Produkts oder – im Fall binärer Relationen – eine Menge mehrwertiger Funktionen ist (siehe Kapitel 3). Eine solche Logik wird z.B. in [30], Kapitel 29, behandelt.

5.9 Highlights

EineSignaturΣbesteht aus Operation(ssymbol)en der Formf :n→1 mitn∈N.

Induktive Definition der MengeTΣ(X)derΣ-TermeüberX:

• X⊆TΣ(X),

• Für alle f :n→1∈Σundt∈TΣ(X)n,f t∈TΣ(X).

EineΣ-AlgebraAbesteht aus einer – oft ebenfalls mitAbezeichneten –Trägermengeund für alle f :n→1 ∈Σ einer Funktion fA :An→A.

DieΣ-AlgebraTΣ(X)interpretiert f wie folgt: fTΣ(X)(t1, . . . ,tn) =def f(t1, . . . ,tn).

FürΣ-AlgebrenAundBheißt eine Funktionh:A→BΣ-Homomorphismus, wenn für allef ∈Σh◦fA = fB◦h gilt.

BijektiveΣ-Homomorphismen heißenΣ-Isomorphismen.

Die Termfortsetzungg :TΣ(X)→AeinerBelegungg:X→AvonXin einerΣ-AlgebraAist wie folgt induktiv definiert:

• Für allex∈X,g(x) =g(x).

• Für alle f :n→1 undt1, . . . ,tn ∈TΣ(X),

g(f(t1, . . . ,tn)) = fA(g(t1), . . . ,g(tn)). gist der einzigeΣ-Homomorphismus vonTΣ(X)nachAmitg◦incX=g.

Folglich ist die EinschränkungfoldA : TΣ → Avon g auf Grundterme der einzige Σ-Homomorphismus von TΣ(X)nachA

Belegungen durch Terme heißenSubstitutionen.

Substitutionslemma(Lemma 5.3): Für alleΣ-AlgebrenA, Belegungen g : X → Aund Substitutionenσ : X → TΣ(X)gilt(gσ)=gσ.

Seit1, . . . ,tn,t01, . . . ,t0n,t,t0∈TΣ(X). Die Formel

ϕ= (t1≡t01∧ · · · ∧tn≡t0n ⇒t≡t0) heißtΣ-Gleichung.

EineΣ-Algebra Aerfüllt ϕ, falls für alle Belegungen g : X → Amit g(ti) = g(t0i)für alle 1 ≤ i ≤ n auch g(t) =g(t0)gilt.

SeiEeine Menge vonΣ-Gleichungen.

DerGleichungskalkülGK besteht aus den in Abschnitt 5.6 angegebenen fünf Regeln zur Transformation von Gleichungen. Die Relation

E =def {(t,t0)∈TΣ(X)2|E`GK t≡t0} heißtE-Äquivalenz.

Korrektheit vonGK(Satz 5.6): Für alle unbedingtenΣ-Gleichungenegilt:

E`GK e ⇒ AlgΣ,E|=e.

5.9 Highlights 55

Vollständigkeit vonGK(Satz 5.12): Für alle unbedingtenΣ-Gleichungenegilt:

AlgΣ,E|=e ⇒ E`GK e.

Die Quotientenalgebra A = TΣ(X)/≡Eist ein Modell von Eund jeder unbedingten Gleichunge, die inAlgΣ,E gilt:

A|=e ⇔ AlgΣ,E|=e.

Zweites Verfahren zur Normalformkonstruktion:

SeiNF⊆TΣ(X)die Trägermenge einerΣ-Algebra,incXdie Inklusion vonXinNF,AeineΣ-Algebra,g:X→A und die Einschränkung von g : TΣ(X) → A auf NF Σ-homomorph. Dann erfüllt A für alle t ∈ TΣ(X) die Gleichungt≡incX(t), d.h.incX(t)liefert eine Normalform vont.

56 6 Aussagenlogik (propositional logic)

6 Aussagenlogik (propositional logic)

Aussagenlogische Formeln (propositional formulas) sind logische Verknüpfungen elementarer Sachverhalte, die durch eine MengeAtvonAtomengegeben sind.

Die Symbole der SignaturAL(siehe Beispiel 5.1) heißenaussagenlogische Operationen.

EinAL-Term überAtheißtaussagenlogische Formel überAt.

EinAL-Term der Form¬ϕ,ϕψ,ϕψoderϕψheißtNegation,Konjunktion,Disjunktionbzw.Implikation.

ϕundψheißenFaktorenvonϕψundSummandenvonϕψ.

prem(ϕψ)=def ϕheißtPrämissevonϕψ.

conc(ϕψ)=def ψheißtKonklusionvonϕψ.

Um Klammern zu sparen, vereinbaren wir die folgenden (üblichen)+Prioritätenaussagenlogischen Operatio-nen: Negation vor Konjunktion, Konjunktion vor Disjunktion, Disjunktion vor Implikation.

In den verlinkten Ableitungsbeispielen stehtfalsefür⊥,truefür>und – wie in Java – das Ausrufezeichen für¬. Seig:At→2. Den Wahrheitswert einer aussagenlogischen Formelϕuntergerhält man durch Anwendung der Extensiong:TAL(At)→2vongauf ϕ.

At incAt TAL(At)

= 2

g

≺ g

gwertet aussagenlogische Formeln in derBitalgebraaus.

Seiϕ,ψ∈TAL(At)undΦ⊆TAL(At).

g:At→2erfülltϕoder ist einModell vonϕ, geschrieben:g|=ϕ, wenng(ϕ) =1gilt.

Darauf aufbauend sindErfüllbarkeit,Allgemeingültigkeit,FolgerungundÄquivalenzaussagenlogischer For-meln wie am Anfang von Kapitel 2 definiert, wobei der zugrundeliegende semantische BereichDdurch die Funk-tionsmenge 2Atgegeben ist.

Aufgaben Seiϕ,ψ,ϑ∈TAL(At). Zeigen Sie:

ϕist genau dann allgemeingültig, wennϕaus>folgt. (1)

ϕist genau dann unerfüllbar, wenn⊥ausϕfolgt. (2)

• Folgerungssatz:ϕψ|=ϑgilt genau dann, wennϕ|= (ψϑ)gilt. (3)

• Für alle Substitutionenσ:At→TAL(At)gilt:

Istϕσerfüllbar, dann ist auchϕerfüllbar. (4)

ϕundψsind äquivalent, wenn dieAL-Gleichungϕψin derBitalgebragültig ist (siehe Abschnitt 5.1).

o

Aus (2) und (3) folgt sofort derUnerfüllbarkeitssatz: Seiϕ,ψ∈TAL(At).

ψfolgt genau dann ausϕ, wennϕ∧ ¬ψunerfüllbar ist. (5)

6 Aussagenlogik (propositional logic) 57

Aufgabe Zeigen Sie, dassϕundψgenau dann äquivalent sind, wennψausϕundϕausψfolgt. o

Aufgabe Seix,y,z∈ At. Zeigen Sie, dass die Bitalgebra folgendeAL-Gleichungen erfüllt:

x∨(y∨z)≡(x∨y)∨z x∧(y∧z)≡(x∧y)∧z (Assoziativität)

x∨y≡y∨x x∧y≡y∧x (Kommutativität)

x∨x ≡x x∧x≡x (Idempotenz) o

Wegen der Gültigkeit dieser sechs Gleichungen in der Bitalgebra können die Operationen∨und∧ohne innere Klammerung auf mehr als zwei Formeln wie z.B. hier:ϕψϑoder auf eine endliche Formelmengewie z.B hier:

W{ϕ,ψ,ϑ}angewendet werden.

W∅wird mit⊥identifiziert,V∅mit>undW{ϕ}undV{ϕ}mitϕ.

Weitere 2-Äquivalenzen(= in der Bitalgebra gültigeAL-Gleichungen)

x∨ ⊥ ≡x x∧ > ≡ x (Neutralität)

x∨ > ≡ > x∧ ⊥ ≡ ⊥ (AnnihilationoderExtremalgesetze)

x∨(x∧y)≡x x∧(x∨y)≡x (Absorption)

x∨(y∧z)≡(x∨y)∧(x∨z) x∧(y∨z)≡(x∧y)∨(x∧z) (Distributivität)

x∨ ¬x≡ > x∧ ¬x≡ ⊥ (Auslöschung oder Komplementarität) (x∨z≡y∨z)∧(x∧z≡y∧z) ⇒ x≡y (Kürzungsregel)

¬⊥ ≡ > ¬> ≡ ⊥ ¬¬x≡x ¬(x∨y)≡ ¬x∧ ¬y

¬(x∧y)≡ ¬x∨ ¬y ¬(x⇒y)≡x∧ ¬y x ⇒y≡ ¬x∨y (negAL)

Die Menge der Assoziativitäts-, Kommutativitäts-, Absorptions-, Distributivitäts- und Auslöschungsgleichungen bezeichnen wir fortan mitBE.

EineAL-Algebra, dieBEerfüllt, heißtBoolesche Algebra.

Aufgabe Zeigen Sie, dass jede Potenzmenge eine Boolesche Algebra ist. o

Da die Bitalgebra eine Boolesche Algebra ist, ist ϕ ∈ TAL(At)nach Satz 5.6allgemeingültig bzw.unerfüllbar, wennϕBE>bzw.ϕBE⊥gilt.

Idempotenz, Neutralität, Annihilation und alle Gleichungen vonnegAL(außer denen mit⇒) lassen sich ausBE ableiten, d.h. sie gehören zurBE-Äquivalenz.

Umgekehrt erfüllt jede Boolesche Algebra nach Satz 5.6 alle ausBEableitbaren Gleichungen. Laut Satz 6.2 (s.u.) gilt sogar jede in der Bitalgebra gültige unbedingte Gleichung auch in jeder anderen Booleschen Algebra, was nach Satz 5.12 impliziert, dass alle diese Gleichungen zurBE-Äquivalenz gehören. Letztere ist also nicht nur in der semantischen Äquivalenz≡2enthalten, sie stimmt sogar mit≡2überein!

Aufgabe Die folgendenAL-Gleichungen ϕψwerden häufig in Beweisen mathematischer Sätze verwendet, indemψan Stelle der zu beweisenden Aussageϕgezeigt wird:

58 6 Aussagenlogik (propositional logic)

Seix,y,z,x1, . . . ,xn∈ At.

x ≡ ¬x⇒ ⊥ (Ableitung eines Widerspruchs)

x⇒y ≡ ¬y⇒ ¬x (Kontraposition)

x⇒(y⇒z) ≡ (x∧y)⇒z (Dekaskadierung)

x1∨ · · · ∨xn ⇒x ≡ (x1⇒x)∧ · · · ∧(xn⇒x) (Zerlegung einer Implikation) x⇒x1∧ · · · ∧xn ≡ (x⇒x1)∧ · · · ∧(x⇒xn) (Zerlegung einer Implikation) x ≡ (z⇒x)∧(¬z⇒x) (Vollständige Fallunterscheidung)

Die Dekaskadierung ähnelt der Isomorphie (6) im AbschnittIsomorphienauf, wenn manA,B,Cdurch Formeln,

×durch∧und→durch⇒ersetzt.

Ersetzt man noch + durch∨, dann werden auch die Kommutativitäts-, Assoziativitäts- und Distributivitätsgesetze im AbschnittIsomorphienzu gleichnamigen aussagenlogischen Äquivalenzen (s.o).

Diese Analogie zwischen Mengenverknüpfungen einerseits und logischen Operationen andererseits ist unter dem

Namen+Curry–Howard Korrespondenzbekannt. o

6.1 Normalformen

Eine aussagenlogische Formel heißtNegationsnormalform (NNF), wenn⇒in ihr nicht vorkommt und¬nur direkt vor Atomen.

Atome nennt man auchpositive Literale, während Formeln¬ϕmit ϕ ∈ Atnegative Literalegenannt werden.

Für allex∈ Atheißenxund¬xkomplementärzueinander.

Eine Disjunktion von Konjunktionen paarweise verschiedener Literale heißtdisjunktive Normalform (DNF).

Eine Konjunktion von Disjunktionen paarweise verschiedener Literale heißtkonjunktive Normalform (KNF).

Eine Disjunktion oder Konjunktion von Literalen ϕ1, . . . ,ϕn heißtgeschlossen, wenn es 1 ≤ i,j ≤ n gibt mit ϕiϕj. Andernfalls heißt sieoffen.

Eine KNFϕist genau dann allgemeingültig, wenn alle ihre Faktoren geschlossen sind. (6) Beweis. Daϕeine KNF ist, gibt es Literaleϕ11, . . . ,ϕ1n1, . . . ,ϕm1, . . . ,ϕmnm mit

ϕ =

m

^

i=1 ni _

j=1

ϕij.

Seie= (x∨ ¬x≡ >)unde0 = (x∧ > ≡x). IstWnj=1i ϕijfür alle 1≤i≤mgeschlossen, dann gilt ϕe > ∧ · · · ∧ > ≡e0 >.

Da die Bitalgebraeunde0erfüllt, erfüllt sie nach Satz 5.6 auch die Gleichungϕ≡ >.

Sei umgekehrtϕallgemeingültig. Gäbe es 1≤i≤ mderart, dassψ= Wnj=1i ϕij offen ist, dann würdeg :At →2 mitg−1(0) ={x∈At| ∃1≤ j≤ni:x =ϕij}ψ, also auchϕnicht erfüllen.

Beweis von g(ψ) = 0. Sei 1 ≤ j ≤ ni. Für alle Atomex, die inϕij vorkommen, giltg(x) = g(x) = 0. Für alle Literale¬z, die inψvorkommen, gilt

g(¬z) =1−g∗(z) =1−g(z) =1−0=1,

weilψoffen ist und deshalbznicht zuψgehört. o

Eine DNFϕist genau dann unerfüllbar, wenn alle ihre Summanden geschlossen sind. (7)

6.1 Normalformen 59

Beweis. Daϕeine DNF ist, gibt es Literaleϕ11, . . . ,ϕ1n1, . . . ,ϕm1, . . . ,ϕmnmmit

ϕ =

m _

i=1 ni

^

j=1

ϕij.

Seie= (x∧ ¬x≡ ⊥)unde0 = (x∨ ⊥ ≡x). IstVnj=1i ϕijfür alle 1≤i≤mgeschlossen ist, dann gilt ϕe ⊥ ∨ · · · ∨ ⊥ ≡e0 ⊥.

Sei umgekehrtϕunerfüllbar. Gäbe es 1≤ i≤ mderart, dassψ= Vnj=1i ϕij offen ist, dann würdeg : At →2 mit g−1(1) ={x ∈At| ∃1≤j≤ni :x= ϕij}ψ, also auchϕerfüllen.

Beweis von g(ψ) = 1. Sei 1 ≤ j ≤ ni. Für alle Atomex, die inϕij vorkommen, giltg(x) = g(x) = 1. Für alle Literale¬z, die inψvorkommen, gilt

g(¬z) =1−g∗(z) =1−g(z) =1−1=0,

weilψoffen ist und deshalbznicht zuψgehört. o

Jede Implikationϕψmit folgenden Eigenschaften heißtGentzenformel überAt(englisch:sequent):

ϕ=>oderϕist eine Konjunktion paarweise verschiedener Atome,

ψ=⊥oderψist eine Disjunktion paarweise verschiedener Atome.

Wegen(> ⇒ψ)≡2ψkürzt man die Gentzenformel> ⇒ψoft mitψab.

Wegen(ϕ⇒ ⊥)≡2¬ϕkürzt man die Gentzenformelϕ⇒ ⊥oft mit¬ϕab.

Eine Gentzenformel heißtminimal, wenn in ihr kein Atom zweimal vorkommt.

Aufgabe Zeigen Sie, dass jede Gentzenformel ist zu>oder zu einer minimalen Gentzenformel äquivalent ist. o

Eine Konjunktion von Gentzenformeln heißtimplikative Normalform(INF).

Zwei Gentzenformeln, die sich nur in der Anordnung der Atome der Prämisse oder der Konklusion voneinander unterscheiden, werden als gleich angesehen. Deshalb werden sie manchmal als Implikationen zwischen Mengen notiert:

{x1, . . . ,xm} ⇒ {y1, . . . ,yn} steht dann für (x1∧ · · · ∧xm)⇒(y1∨ · · · ∨yn).

Der Vorteil von Gentzenformeln liegt in ihrer “Natürlichkeit” im Sinne der leichten Erfassbarkeit der konkrete Aussage hinter den Formeln. Ebenso entsprechen Anwendungen der Schnittregel (s.u.), aus denen Beweise der Allgemeingültigkeit oder Erfüllbarbarkeit von Gentzenformeln bestehen, eher natürlichen Schlüssen als es z.B.

Anwendungen von Gleichungen tun.

Beispiel +Schrittweise Transformationder DNF

(¬x∧y∧z)∨(x∧ ¬y∧z)∨(x∧y∧ ¬z) in eine INF.

Satz 6.1 Seiϕ∈TAL(At),ψeine NNF undϑeine KNF.

ϕist zu einer NNF äquivalent. (8)

60 6 Aussagenlogik (propositional logic)

ψist zu einer DNF äquivalent. (9)

ψist zu einer KNF äquivalent. (10)

ϑist zu einer INF äquivalent. (11)

Beweis von (8). Da jede Teilformel¬ϕeinernegAL-irreduziblen Formel ein Literal ist, sind allenegAL-irreduziblen Formeln Negationsnormalformen.

Ein Gewicht einer Formel ϕ, das Bedingung (10) in Kapitel 5 erfüllt, ist die Summe der Symbole aller Teilfor-meln¬ψoderψϑvonϕ. Damit ist (8) nach dem ersten Verfahren, äquivalente Normalformen zu berechnen, bewiesen.

Zur Anwendung des zweiten Verfahrens, äquivalente Normalformen zu berechnen, definieren wirNF als die Menge aller Negationsnormalformen und interpretierenΣ inNF wie folgt: Für alle c ∈ {⊥,>},⊗ ∈ {∨,∧},

Dass¬NFinduktiv definiert ist, folgt sofort aus der induktiven Definition vonNFals kleinste Menge aussagenlo-gischer Formeln mit folgenden Eigenschaften:

• x∈At ⇒ x, ¬x∈T,

• ⊥,> ∈T,

ϕ,ψ∈T ⇒ ϕψ, ϕψ∈T.

Nach Satz 5.9 ist für jede aussagenlogische Formelt incAt(t)eine bzgl. der Bitalgebra zutäquivalente NNF, falls für alleg:At→2 die Einschränkung vong :TAL(At)→A AL-homomorph ist.

Aufgabe Zeigen Sie das durch strukturelle Induktion überNF.

Aufgabe Zeigen Sie auch (9) und (10) durch Anwendung von Satz 5.9. Folgen Sie dem Vorgehen in Beispiel 5.10 oder im Beweis von (8).

Beweis von (11).

Seiϑeine KNF. Für alle Faktorendvonϑdefinieren wir:

neg(d) = {x∈At| ¬xkommt indvor}={x1, . . . ,xm},

Kurz gesagt, die negativen Literale vondbilden, konjunktiv verknüpft, die Prämisse der Gentzenformelgen(d), während die Atome der positiven Literale vond, disjunktiv verknüpft, die Konklusion vongen(d)bilden.

6.1 Normalformen 61

Aufgabe Zeigen Sie, dassϑzuinf(ϑ)äquivalent ist, wobei

inf(ϑ) =def ^{gen(d)|dist Faktor vonϑ}. o Zusammengefasst erhält man eine zu einer aussagenlogischen Formelϕäquivalente

• NNF durch Anwendung vonnegAL-Gleichungen oder Faltung von ϕin der im Beweis von (8) definierten Normalformalgebra,

• DNF und KNF durch Anwendung von 2-Äquivalenzen auf die NNF vonϕ;

• INF durch Anwendung der Funktioninfauf eine KNF vonϕ.

Sei die MengeAtder Atome endlich. Dann können wir ihre Elemente anordnen:

At={x1, . . . ,xn}.

Folglich gibt es für jede aussagenlogische FormelϕüberAteineeindeutigeNormalform, und zwar in der Menge aller maximalen DNFs:

Eine DNF ϕist einemaximale DNF (MDNF), wenn jeder Summand vonϕdie Form f1(x1)∧ · · · ∧fn(xn)hat, wobei für alle 1≤i≤nundx∈At fi(x)∈ {x,¬x}gilt.

Mit Hilfe von Neutralitäts-, Komplementaritäts-, Distributivitäts- und Kommutativitätsgleichungen lässt sich jede DNF in eineBE-äquivalente MDNF überführen. Deren Eindeutigkeit liefert das folgende – bereits oben erwähnte – Theorem:

Satz 6.2 Jede in der Bitalgebra gültige unbedingteΣ-Gleichung ist in jeder Booleschen Algebra gültig.

Beweis. Nach Satz 5.6 und Satz 5.12 gilt eineAL-Gleichungt≡t0genau dann in allen Booleschen Algebren, wenn sie zurBE-Äquivalenz gehört. Es genügt also Folgendes zu zeigen: Für allet,t0∈TAL(At),

t≡2t0 ⇒ t≡BEt0. (12)

Wir zeigen (12) unter der Annahme, dass für alle MDNFsu,u0Folgendes gilt:

u≡2u0 ⇒ u=u0. (13)

Sei alsot ≡2 t0. Dann erhalten wir zwei MDNFsu,u0 mit t ≡BE uund t0BE u0. Nach Satz 5.6 folgt t ≡2 u undt02 u0, also auchu ≡2 u0und damit u = u0 wegen (13). Folglich sindtundt0 BE-äquivalent, womit (12) bewiesen ist.

Den Beweis von (13) führen wir durch Kontraposition:

Seienuundu0zwei unterschiedliche MDNFs. Dann hatueinen Summanden, denu0nicht hat (Fall 1), oderu0hat einen Summanden, denunicht hat (Fall 2). Sei ϕ= f1(x1)∧ · · · ∧ fn(xn)dieser Faktor undg :At →2 definiert durch

g−1(1) ={x∈ At| ∃1≤i≤n: fi =idAt}.

Im Fall 1 gilt g(u) = 1 und g(u0) = 0. Im Fall 2 gilt g(u) = 0 und g(u0) = 1. In beiden Fällen folgt

g(u)6=g(u0), alsou6≡2u0. o

Aufgabe Zeigen Sie unter Verwendung von (13) und Satz 5.6, dassTAL(At)undP(At)AL-isomorph sind. o Zur Größe von Normalformen

Die mitnegALgebildete NNF vonϕbesteht aus höchstens zweimal so vielen Symbolen wie ϕ. Bei der Transfor-mation einer NNF zur DNF oder KNF mit Hilfe von Distributivitätsgleichungen werden Teilformeln verdoppelt.

62 6 Aussagenlogik (propositional logic)

Finden solche Verdopplungen auf mehreren Ebenen der Baumdarstellung von ϕstatt, dann werden sie bis zu n-mal geschachtelt, wobei ndieHöhe(maximale Pfadlänge) des Baumes ist. Die DNF bzw. KNF von ϕbesteht daher aus bis zu 2nSymbolen.

Aufgabe Zeigen Sie, dass es genau 3|At|+1 minimale Gentzenformeln gibt. o