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Gewinnung von Knochenmark/MSCs

4. Diskussion

4.2 Gewinnung von Knochenmark/MSCs

In der Pferdemedizin gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten MSCs zu gewinnen. Die Extraktion aus dem Knochenmark ist nur eine davon. Und selbst Knochenmark lässt sich nicht nur aus dem Sternum, sondern auch aus dem Hüfthöcker (Tuber coxae) entnehmen. In einer Studie von DELLING et al. (2012) wurde die Knochenmarkentnahme beider Entnahmeorte, und auch die dabei geförderten Stromazellen, miteinander verglichen. Hierbei wurde festgestellt, dass die Knochenmarkentnahme aus dem Sternum zu jedem Zeitpunkt leicht möglich war, wohingegen dies beim Tuber coxae nicht der Fall war. Zwar sind beide Punktionstechniken leicht zu handhaben (GOODRICH et al. 2008; DELLING et al.

2012), aber die Distanz, welche zurückgelegt werden muss um einen knochenmarkhaltigen Bereich zu erreichen, ist im Hüfthöcker mit 5,0 - 8,0 cm wesentlich länger als beim Brustbein (2,7 ± 1,0 cm) (GOODRICH et al. 2008;

DELLING et al. 2012; ADAMS et al. 2012; EYDT et al. 2014). Vor allem bei älteren Pferden wird die Strecke, die am Tuber coxae mit der Jamshidi-Nadel zurückgelegt werden muss, immer länger (SELLON 2006). Zudem muss ein höherer Unterdruck während der Aspiration entwickelt werden, was zu einer Schädigung der Knochenmarkszellen führen kann (KASASHIMA et al. 2011). Auch die entnommene Menge an Knochenmark war bei sternaler Punktion deutlich höher. Ebenso verhielt es sich mit der Konzentration der mononukleären Zellen (MNCs/ml) im Aspirat (GOODRICH et al. 2008; DELLING et al. 2012). Nach Aussage von ADAMS et al.

(2012) kann die unterschiedliche Zellzahl mit dem Alter des jeweiligen Pferdes korreliert sein. Diese Autoren gehen davon aus, dass bei Pferden die älter als 5 Jahre alt sind, eine geringere Zahl an MSCs im Knochenmark des Hüfthöckers enthalten ist. RUSSELL et al. (1994) führen dieses auf eine höhere Anreicherung von Fettzellen im Knochenmark des Hüfthöckers älterer Pferde zurück. Diese Beobachtung konnte dagegen im equinem Sternum nicht gemacht werden (GOODRICH et al. 2008; DELLING et al. 2012). Aus den genannten Gründen wird empfohlen, eine Knochenmarkentnahme aus dem Brustbein der Entnahme aus dem Hüfthöcker vorzuziehen.

Die aktuelle Literatur beschreibt eine Reihe von anderen Quellen zur Gewinnung von MSCs. Hervorzuheben ist hier die Extraktion von MSCs aus dem Fettgewebe

(adipose tissue, AT), gefolgt von der Gewinnung aus dem Nabelschnurblut (umbilical cord blood, UCB) und dem peripheren, zirkulierenden Blut (peripher blood, PB).

Eine Biopsie von Fettgewebe erfolgt, nach Lokalanästhesie der Haut und Unterhaut, entweder aus dem Fettpolster dorsal der Glutealmuskulatur oder aus dem Bereich der Schweifwurzel (VIDAL et al. 2007; NIXON et al. 2008; TOUPADAKIS et al. 2010).

Dafür wird ein 10 - 15 cm langer Schnitt gesetzt und 15 - 20 g Unterhautfettgewebe entnommen (NIXON et al. 2008). Durch diese relativ große Wundfläche, kann es im ungünstigsten Fall zu einer Wundheilungsstörung kommen (NIXON et al. 2008).

Außerdem wird das Entstehen einer relativ großen Narbe beschrieben, welche z.T.

als unzumutbar empfunden wird (GOODRICH et al. 2008). Solche Beobachtungen sind nach einer Knochenmarkpunktion aus dem Sternum bisher nicht publiziert worden, zumal hierbei nur eine Stichinzision erfolgt. Des Weiteren findet eine andere Art der Aufbereitung der gewonnenen Probe statt. Entweder wird das durch Zentrifugation aus Fettgewebe entstandene Zellpellet, bestehend aus der stromal zellulären Fraktion (SVF; u. a. Endothelzellen, Fibroblasten, Makrophagen, glatte Muskelzellen inkl. MSCs), direkt intraläsional injiziert, oder aber zunächst kultiviert um MSCs anzureichern (VIDAL et al. 2007; NIXON et al. 2008). Je nachdem welche Möglichkeit gewählt wird, verkürzt sich die Zeit der intraläsionalen Reinjektion. Ohne eine stattgefundene Kultivierung kann eine Behandlung nach 2 Tagen erfolgen (NIXON et al. 2008), allerdings dann mit einer gemischten Zellfraktion, die nur eine geringe Zahl an MSCs enthält. Außerdem ist bisher unbekannt, welcher Zelltyp der stromal zellulären Faktion eine stimulierende Wirkung auf die Heilung der Sehne besitzt (GEBUREK u. STADLER 2011 b). Die Kultivierung von AT-MSCs ähnelt der von MSCs aus dem Knochenmark. Eine zur Therapie erforderliche Zellzahl ist in einer Zeit von 3 - 6 Wochen zu erzielen (BREMS u. JEBE 2008; FORTIER u. SMITH 2008; GOODRICH et al. 2008; COLLEONI et al. 2009; FORTIER u. TRAVIS 2011;

REED u. LEAHY 2013; SCHNABEL et al. 2013). Allerdings wird eine signifikant geringere Zellzahl an AT-MSCs bei Pferden die älter als 8 Jahre sind beschrieben (COLLEONI et al. 2009). Im Gegensatz dazu wurden in dieser Dissertation sternale Knochenmarkaspirate von Pferden unterschiedlichen Alters (2 - 28 Jahre) verwendet.

Dabei konnte keine Differenz in der MSC-Ausbeute festgestellt werden.

Die erwähnten Gründe lassen den Schluss zu, dass die Entnahme von MSCs aus dem equinen Sternum der Gewinnung aus dem Unterhautfettgewebe vorzuziehen ist.

Eine weitere, relativ neuartige Möglichkeit equine MSCs zu gewinnen, ist ihre Isolierung aus dem Nabelschnurblut. Diese Methode wurde erstmals für das Pferd durch KOCH et al. im Jahre 2007 publiziert. Dabei wird unmittelbar nach der Geburt, und noch vor der spontanen Ruptur der Nabelschnur, Blut aus der Nabelvene entnommen und anschließend werden MSCs aus dem entnommenen Blut isoliert (DE SCHAUWER et al. 2011). Diese Technik gilt als minimal invasiv (BARBERINI et al. 2014). Problematisch erscheint hierbei vor allem, dass von jedem Pferd individuell bei seiner Geburt MSCs aus dem Nabelschnurgewebe gewonnen und aufbewahrt werden müsste, um das Pferd im Falle einer orthopädischen Erkrankung mit diesen Zellen behandeln zu können (SPAAS et al. 2012). Zudem weisen MSCs aus Nabelschnurblut gemäß einer aktuellen Untersuchung ein eingeschränkteres Differenzierungspotential und ein langsameres Zellwachstum auf als MSCs, die aus dem Knochenmark oder dem Fettgewebe gewonnen wurden (BARBERINI et al.

2014). In Anbetracht der aufgeführten Nachteile, die MSCs aus dem Nabelschnurblut gegenüber MSCs anderer Gewebe aufweisen, erscheint diese Methode, zum jetzigen Zeitpunkt, wenig vielversprechend.

Die Gewinnung von MSCs aus dem peripheren Blut (V. jugularis externa) erfolgt mittels Dichtegradienten Zentrifugation und anschließender Kultivierung (KOERNER et al. 2006; AHERN et al. 2011). Die Zellen konnten sich zwar differenzieren, ähnlich den MSCs aus dem Knochenmark und dem Fettgewebe, allerdings war es nicht möglich aus allen beprobten Pferden Fibroblasten ähnliche Zellen zu isolieren (36,4%, KOERNER et al. 2006). Nach 21 Tagen der Kultivierung war eine Subkonfluenz von 70 % erreicht (SPAAS et al 2012). Im Vergleich zu MSCs aus dem Knochenmark oder AT ist die Kultivierungszeit deutlich länger. Daraus lässt sich ableiten, dass eine Isolierung von MSCs aus dem peripheren Blut nicht zuverlässig gelingt, obwohl diese Methode weniger invasiv für das Pferd ist als die Gewinnung von MSCs aus dem Knochenmark oder dem Unterhautfettgewebe.

Es werden sehr unterschiedliche Angaben darüber gemacht, welche Menge an Knochenmarkaspirat die optimale Anzahl an MSCs enthält: Die Angaben schwanken zwischen 5 und 60 ml (GOODRICH et al. 2008; TOUPADAKIS et al. 2010;

KASASHIMA et al. 2011; ADAMS et al. 2012; DELLING et al 2012; KISIDAY et al.

2013). In der vorliegenden Studie wurde eine Aspirationsmenge von 5 ml mit einer von 10 ml verglichen. Dabei konnten aus beiden Aspirationsmengen, statistisch betrachtet, gleich große MSC-Kulturen gewonnen werden. Diese Aussage deckt sich mit einem Großteil der Daten, die von den oben erwähnten Autoren beschrieben wurden. Die Ausbeute von MSCs aus dem Knochenmark steigt nicht proportional mit der Menge des Aspirates. Knochenmarkaspirate von mehr als 10 ml scheinen nicht sinnvoll, da in höheren Mengen nur noch vereinzelt MSCs aspiriert werden (TOUPADAKIS et al. 2010; KISIDAY et al. 2013). Diese Aussage deckt sich mit Studien aus der Humanmedizin (MUSCHLER et al. 1997).

4.3 3D-Modelle

Das große Interesse an der Gewinnung von Knochenmark macht es notwendig eine sichere Methode zur Aspiration zu entwickeln. Dabei ist vor allem die bereits erwähnte einheitliche Nomenklatur des equinen Sternums von besonderer klinischer Bedeutung. Mit Hilfe des Computerprogramms AMIRA (Version 5.2.0, Visualization Sciences Group, Merignac Cedex, Frankreich) konnten aus den CT-Daten der untersuchten Sterna und Sternebrae 3D-Modelle entwickelt werden. Verschiedene Parameter (Lage und Form der Sternebrae) weisen darauf hin, dass die Sternebrae 4 und 5 am geeignetsten für eine Punktion und Knochenmarkaspiration sind. Bereits in der Literatur finden sich zahlreiche Angaben, welche Sternebrae am ehesten für eine Knochenmarkaspiration in Frage kommen. So werden hier ebenfalls Sternebrae 4 und 5, aber auch die 6. Sternebra genannt (DÉSÉVAUX et al. 2000; GOODRICH et al. 2008; KASASHIMA et al. 2011; GODWIN et al. 2012; KISIDAY et al. 2013).

Allerdings geht aus den Angaben leider nicht immer eindeutig hervor, aufgrund welcher Nomenklaturvorschläge die Benennung der Sternebrae erfolgte. Die dadurch bedingte nomenklatorische Unklarheit macht einen Vergleich der Angaben schwierig oder gar unmöglich. Weiterhin existieren sehr unterschiedliche Angaben zur genauen Lage des Aspirationsbereiches. So wird das Auffinden des Aspirationsortes teilweise recht ungenau beschrieben, beispielsweise wird der Punktionsort im Abstand von 8 - 10 cm kaudal des Olekranons angegeben (SELLON 2006; GOODRICH et al. 2008;

ADAMS et al. 2012; DELLING et al. 2012) oder „kranial der Cartilago xyphoidea“

(RICHARDSON et al. 1986; KISIDAY et al. 2013). Andere Autoren vermeiden topographische Lagebeschreibungen anhand von Landmarks und verweisen auf eine Identifizierung der Sternebrae mittels Ultrasonographie (SMITH et al. 2003;

ARNHOLD et al. 2007; KASASHIMA et al. 2011; GODWIN et al. 2012).

Weitere, z. T. sehr ungenaue Angaben finden sich in Bezug auf die Eindringtiefe der Aspirationsnadel (sog. Jamshidi-Nadel) in die zu punktierenden Sternebrae. So wird eine Aspirationstiefe von 2,0 - 3,0 cm empfohlen, da sonst das Risiko einer Fehlpunktion erhöht sei (SELLON 2006; GOODRICH et al. 2008; KASASHIMA et al.

2011; ADAMS et al. 2012). Aus diesem Grund wurden folgende Messungen an den 3D-Modellen angefertigt: Die gesamte kraniokaudale Strecke von Sternebra 1 bis 7, sowie der einzelnen Sternebrae; die dorsoventrale und laterolaterale Strecke eines jeden Sternebra; das Volumen der Sternebrae; die Strecke bis zum Zentrum der

Sternebrae 4 und 5 verglichen mit der tatsächlich zurückgelegten Strecke während der Knochenmarkentnahme. Die gemessenen Strecken wurden mittels des Computerprogramms AMIRA mit denen der ultrasonographischen Messungen verglichen. Dabei ergab sich eine Messabweichung für Sternebra 4 von 0,63 ± 0,58 cm und für Sternebra 5 eine Messabweichung von 0,89 ± 0,45 cm (EYDT et al.

2014). Diese Differenz lässt sich dadurch erklären, dass die ultrasonographischen Messungen intra vitam angefertigt wurden, wohingegen die Messungen der CT-Scans an isolierten und gefrorenen Sterna erhoben wurden. Die Limitation der Größe des CT-Gerätes machte es notwendig, die Brustbeine aus den Pferden herauszutrennen und dann eingefroren zu lagern. Dadurch kommt es zu Haut- und Muskelkontraktionen, welche den Unterschied der Messungen erklärt. Ebenso wird unweigerlich ein geringer Druck auf Haut und Muskulatur mit dem Ultraschallkopf ausgeübt, welcher zu Abweichungen zwischen den Messungen geführt hat.

Die dorsoventrale Länge der Sternebrae 4 und 5 beträgt im Mittel 5,2 cm. Dies ist eine weitaus längere Strecke als bisher angenommen. Legt man die gemessene Strecke von über 5,0 cm zu Grunde, erscheint die bisherige Empfehlung zur Eindringtiefe von maximal 3,0 cm als übertrieben vorsichtig. Des Weiteren kam durch die 3D-Modellierung der einzelnen Sternebrae die nahezu kugelige Gestalt der Sternebrae 4 und 5 zum Vorschein. Diese kugelige Form minimiert das Risiko einer Punktion des Cavum pleurae bei einem Abweichen von der Medianen während der Knochenmarkentnahme. 3D-Modelle, welche in dieser Studie nach durchgeführten Punktionen der Sternebrae 4 und 5 (1,0 und 3,0 cm Tiefe) erstellt wurden, konnten bestätigen, dass bei einer unter Ultraschallkontrolle durchgeführten Knochenmarkaspiration das Risiko, selbst bei einiger Abweichung von der Medianen, minimal ist. Zusätzlich konnte durch µCT-Aufnahmen nur eine geringfügige Zerstörung der Knochenlamellenstruktur der Sternebrae festgestellt werden. Diese Aussage deckt sich mit Forschungsergebnissen von KASASHIMA et al. (2011), in welcher histologische Schnitte von dem aspirierten Bereich angefertigt und beurteilt wurden. Die Auswertung ergab identische Ergebnisse, es entsteht nur ein minimaler Schaden an der trabekulären Struktur der Sternebrae. Allerdings bleibt die Frage offen, inwieweit sich dieser Einstichkanal wieder vollständig schließt und ob das Gewebe in seiner Funktion wieder vollständig hergestellt wird. Um diese Fragen zu

klären, müssten Pferdesterna in einem zeitlichen Abstand nach einer Aspiration untersucht werden.

Die ventral gelegene, knorpelige Crista sterni nimmt ab dem 4. Sternebra merklich an Höhe ab, sodass ventral des 5. Sternebra nur noch eine sehr dünne Knorpelschicht von ca. 0,1 cm vorhanden ist. Dadurch ist eine sichere ultrasonographische Darstellung dieses Bereiches gewährleistet, sodass die Punktionsnadel mit größtmöglicher Präzision am ventralen Pol des Sternebra 4 bzw. 5 angesetzt werden kann. Weiter kaudal durchgeführte Punktionen im Bereich des 6. oder sogar 7.

Sternebra gehen mit einem erhöhten Risiko einer Fehlpunktion des thorakalen Raumes oder des Herzens einher (GOODRICH et al. 2008; KASASHIMA et al.

2011). Die dorsoventrale Länge der Sternebrae nimmt ab dem 6. Sternebra deutlich ab (Sternebra 6: 3,9 cm ± 0,9, Sternebra 7: und 2,8 ± 0,7). Die Sternebrae 1 - 3 sollten für eine Knochenmarkaspiration nicht berücksichtigt werden, da sie zwischen den Vordergliedmaßen bzw. direkt kranial dieser zu finden sind. Auch erschwert die in diesem Bereich massiv ausgeprägte Crista sterni den Zugang. Zusätzlich ist aufgrund ihrer laterolateral verjüngenden Gestalt eine Punktion nur mit erhöhtem Risiko möglich.

Im direkten Vergleich der Sternebrae 4 und 5, erscheint Sternebra 5 am geeignetsten für eine Knochenmarkpunktion, da es zum einen nur von einer dünnen Crista sterni und wenig Muskulatur bedeckt ist, sodass man dieses leicht punktieren kann, zum anderen ist das Risiko einer Fehlpunktion durch die nahezu kugelige Gestalt minimiert, auch wenn von der Medianen abgewichen wird. Aufgrund seiner ebenfalls kugeligen Struktur kann das 4. Sternebra ebenfalls gut punktiert werden, allerdings ist es schwerer zugänglich, da es direkt zwischen den Vordergliedmaßen lokalisiert ist und zudem einige Pferde durchaus eine ausgeprägtere Crista sterni im Bereich des 4. Sternebra besitzen (KASASHIMA et al. 2011; EYDT et al. 2014).