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Die Gesundheitspolitik zielt darauf ab, den Versicherten eine bedarfsgerechte medizi-nische Versorgung zur Verfügung zu stellen, die mit zumutbarem Aufwand in Anspruch genommen werden kann. Insbesondere in strukturschwachen ländlichen Regionen

kann es trotz sinkender Einwohnerzahlen zu einer steigenden Nachfrage nach Gesund-heitsleistungen kommen – vor allem in Bezug auf die Versorgung multimorbider, an chro-nischen und degenerativen Erkrankungen leidender älterer Patientinnen und Patienten.

Verschärft wird dieser Prozess durch einen sich in einigen Regionen abzeichnenden Ärz-temangel auf dem Land im Gegensatz zur ausreichend gesicherten Ärzteversorgung in Ballungszentren. Zur Sicherstellung der sozi-alen Infrastruktur auf diesem Gebiet wurde in der Vergangenheit schon auf unterschied-lichen staatunterschied-lichen Ebenen und im Rahmen der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen mit verschiedenen Maßnahmen reagiert. Zu-dem hat die Bundesregierung den Entwurf eines Versorgungsstrukturgesetzes beschlos-sen, um den sich bereits jetzt abzeichnenden Versorgungsproblemen zu begegnen.

Herausforderung

Für die Gesundheitspolitik sind zwei Ent-wicklungen prägend: zum einen der stark ansteigende Anteil älterer Menschen und die Abnahme der jüngeren, zum anderen der wachsende Gegensatz zwischen urbanen Regionen und dünn besiedelten ländlichen Räumen. Nach Vorausberechnungen des Sta-tistischen Bundesamtes wird bereits 2030 in den neuen Ländern jeder dritte Einwoh-ner älter als 65 Jahre sein. Die Zahl wird im ländlichen Raum noch deutlich höher liegen.

Die fi nanziellen und strukturellen Rahmen-bedingungen für die medizinische und sozia-le Infrastruktur müssen dies berücksichtigen.

Dies betrifft die Versorgungs- und Bedarfs-planung genauso wie die Honorierung der vertragsärztlichen Leistungen. Darüber hin-aus sind Strukturen auf die Bedürfnisse von Älteren und eine altersgerechte Versorgung auszurichten und mit technischen Lösungen zur Unterstützung sozialer Innovationen zu kombinieren.

Für multimorbide, chronisch kranke Men-schen ist ein neues Behandlungsverständ-nis erforderlich. Insgesamt wird die Sicher-stellung der wohnortnahen medizinischen Grund- und Notfallversorgung ein Umden-ken erfordern und die Flexibilisierung der

Strukturen nach sich ziehen. Dies impliziert auch ein neues Austarieren von staatlichem Handeln einerseits und der notwendigen Ei-genverantwortung und Gesundheitspräven-tion andererseits. Es bedarf der ModeraGesundheitspräven-tion, um die medizinische und soziale Infrastruk-tur zu gewährleisten und die beteiligten Ak-teure zusammenzuführen und Ressourcen zu bündeln.

Handlungsansätze

Sektorübergreifende und integrative Lösungsansätze

Im Bereich der medizinischen Betreuung und Pfl ege wird es darauf ankommen, bisher vor-handene Strukturen zu vernetzen. Mit dem Versorgungsstrukturgesetz sollen auch neue Strukturen in der wohnortnahen Versorgung geschaffen werden. Gerade in dünn besiedel-ten Räumen werden dabei alle Beteiligbesiedel-ten zu-sammenwirken und gemeinsam agieren müs-sen. Neben den staatlichen Akteuren gilt dies für Kassen, Kassenärzt liche Vereinigungen und die ambulanten wie stationären Einrich-tungen. Schließlich wird die Sicherstellung der medizinischen Grund- und Notfallversor-gung nur über ein funktionierendes Netzwerk zu erreichen sein, in das alle Akteure inte -griert werden. Dazu ist nicht nur ein Zusam-menwirken der verschiedenen politischen Ebenen, sondern vor allem eine enge Verzah-nung der gesundheits politischen Akteure aus dem ambulanten und stationären Sektor so-wie dem Pfl egebereich notwendig.

Gerade durch die steigende Zahl chronisch und degenerativ erkrankter Pfl egebedürf-tiger werden die Grenzen zwischen medizi-nischer Betreuung und Pfl ege zunehmend verschwimmen. Somit wird die ganzheitli-che Betreuung älterer Mensganzheitli-chen stärker im Mittelpunkt stehen – von der medizinischen Behandlung über die pfl egerische Betreuung bis hin zur Förderung der sozio-kulturellen Teilhabe. Eine bessere Verzahnung des medizinischen Versorgungssystems und der Pfl ege wird so unabdingbar, beispielsweise in Form von Kooperationen zwischen Haus- und Kran kenhausärztinnen und -ärzten bezie-hungsweise Medizinischen Versorgungszent-ren (MVZ) und ambulanten wie

(teil-)stationä-ren Pfl ege- und Gesundheitseinrichtungen.

Gerade in ländlichen Räumen kann durch eine ganzheitliche Betreuung der Älteren oftmals eine Verlegung in ein Krankenhaus vermieden werden. Im ambulanten Bereich müssen Modelle entwickelt werden, durch die sich auch die Arbeit von nicht ärztlichem Personal und Pfl egeeinrichtungen besser verzahnen lässt. Hier könnte sich die Schaf-fung regionaler Versorgungsnetzwerke (ver-netzte Praxen) anbieten, die an der Schnitt-stelle zwischen den Sektoren eine wichtige Plattform bilden könnten, wo die beteiligten Akteure Konzepte zur umfassenden Betreu-ung entwickeln und abstimmen.

Die Versorgungsstrukturen entsprechen zu-nehmend nicht mehr den Bedürfnissen nach Niedrigschwelligkeit im Zugang sowie der Barrierefreiheit für Ältere. Versorgungsein-richtungen haben gerade für Ältere auch eine soziale Funktion. Ihre Bedeutung für die empfundene Lebensqualität wird unter-schätzt. Die Trennung zwischen ambulantem und stationärem Sektor wird zunehmend aufgeweicht werden. So werden Krankenhäu-ser und die dort tätigen Ärztinnen und Ärzte verstärkt in die ambulante Versorgung inte-griert. Die Durchlässigkeit zwischen ambu-lantem und stationärem Bereich muss durch eine bessere Kooperation im Übergangsma-nagement erhöht und Doppelstrukturen müs-sen vermieden werden. Hier sollten auch die Möglichkeiten der Telemedizin, vor allem für den ländlichen Raum, als wichtiger Bestand-teil der medizinischen Versorgung und Be-treuung stärker vorangebracht und beispiels-weise Assistenzsysteme für ältere Menschen etabliert werden.

Zentrale Zielvorgaben und dezentrale Ausführung

Die Zentralisierung medizinischer Versor-gungsstrukturen bietet zwar entscheiden-de Vorteile in entscheiden-der Effi zienz und Qualität entscheiden-der Versorgung. Andererseits erhöhen dezen-tralisierte Strukturen aber auch den Zugang.

Zudem ist die Bedarfsplanung noch passge-nauer auf die Unterschiede zwischen Stadt und Land auszurichten. Kleinere Planungs-bereiche sind dabei oft genauer und bilden den tatsächlichen Bedarf treffender ab. Hier ist auch eine fl exible Handhabe zu

ermögli-chen, sodass regionale demografi sche Beson-derheiten berücksichtigt und auch in den Re-gionen erkannte Sonderbedarfe abgedeckt werden können.

Dem in den nächsten Jahren drohenden Ärz-temangel ist durch ein Bündel von Maßnah-men zu begegnen. Zur gezielten Nachwuchs-gewinnung von Medizinstudierenden ist eine Überprüfung der Auswahlkriterien und -ver-fahren sinnvoll, um die Bedeutung der Abi-turnote zugunsten anderer Kriterien wie zum Beispiel einschlägiger Berufsausbildungen, der Absolvierung eines „Freiwilligen Sozialen Jahres“ oder der Ergebnisse von geeigneten Tests für medizinische Studiengänge zu sen-ken. Um Studierende vermehrt zur Tätigkeit als niedergelassene Ärztin oder niedergelas-sener Arzt zu motivieren, ist die Allgemein-medizin in der Ausbildung weiter zu stärken.

Eine Quote für künftige „Landärztinnen und Landärzte“ und der Ausbau von Stipendien-programmen der Länder verbunden mit der Verpfl ichtung, nach Abschluss der Aus- und Weiterbildung in unterversorgten Gebieten ambulant tätig zu werden, sowie die Einbezie-hung weiterer Krankenhäuser und Lehrpraxen in die Ausbildung vor allem im „Praktischen Jahr“ könnten der regionalen Unterversor-gung insbesondere mit Hausärztinnen und Hausärzten entgegenwirken. Um die ärztliche Tätigkeit in ländlichen Räumen attraktiv zu machen, bedarf es neuer Arbeitszeitmodelle (beispielsweise befristete Tätigkeiten) und ei-ner Flexibilisierung der Residenzpfl icht. Den aufwändigen und teils wenig attraktiven Ar-beitsbedingungen ist durch geeignete Anrei-ze im Vergütungssystem zu begegnen, indem Ärztinnen und Ärzte in strukturschwachen Gebieten (Gebiete mit festgestellter (drohen-der) Unterversorgung oder zusätzlichem lo-kalen Versorgungsbedarf) von Maßnahmen der Mengenbegrenzung ausgenommen wer-den sowie Preiszuschläge gewährt werwer-den.

Mehr Eigenverantwortung, mehr Mitwirkung

Die Sicherstellung der medizinischen Grund-versorgung wird in den neuen Ländern nur durch das Zusammenwirken aller Beteiligten zu gewährleisten sein. Zusätzlich wird neben den Verantwortlichen aus Politik und den Akteuren des Gesundheitssystems auch das

freiwillige Engagement der Bürgerinnen und Bürger gefragt sein. Dies scheint sich beson-ders für die Unterstützung der älteren Men-schen im Alltag anzubieten, die neben der medizinischen Betreuung zum Wohlbefi nden auch auf sozio-kulturelle Teilhabe, interge-nerationale Solidarität und Mobilität ange-wiesen sind. Hier können nachbarschaftli-che Netzwerke einen wesentlinachbarschaftli-chen Beitrag leisten. Gerade bei Mobilitätsangeboten für Ältere und dem Schaffen der nötigen (räum-lichen) Infrastruktur für mobile Sprechstun-den stehen die regionalen und kommunalen Gliederungen in der Verantwortung. Ge-nauso könnten Vereine unterstützt werden, die etwa durch „Bürgerbusse“ die Mobilität von Älteren erhöhen und sie zu ihrer Ärztin beziehungsweise ihrem Arzt oder zu ande -ren medizinischen Versorgungseinrichtun-gen transportieren. Dieses freiwillige Enga-gement ist als Ergänzung gedacht und kommt dann an seine Grenzen, wenn es darum geht, medizinische Versorgungsstrukturen zu ent-wickeln sowie die Grundversorgung oder eine adäquate Notfallversorgung sicherzu-stellen.