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3 Gesundheit – Krankheit – Armut Wenn die Gesundheit

auf der Strecke bleibt

heit armer Menschen meilenweit entfernt.

Oft berücksichtigt die Diskussion nur noch die »körperlichen Faktoren«.

Die Folgen sind schon sichtbar Aktuell gibt es bei PatientInnen und Ver-sicherten große Unsicherheiten, Hilflosigkeit und offene Fragen. Auch wenn die genauen Auswirkungen der Gesundheitsreform noch nicht statistisch erhoben sind, die Mängel und Versorgungsprobleme sind sichtbar und spürbar.

Nicht allein bundesgesetzliche Regelungen und die Krankenkassen als Träger der Krankenversicherung sind für die gesundheit-liche Versorgung der Bevölkerung zuständig.

Der öffentliche Gesundheitsdienst ist sowohl auf Landes- wie kommunaler Ebene mit entsprechenden Behörden zuständig. Zudem finanzieren Bund, Länder und Kommunen eine Vielzahl von Vereinigungen und nicht-staatlichen Institutionen, um über die medizinisch-kurativen Betreuungsleistungen hinaus die gesundheitlichen Belange der BürgerInnen zu berücksichtigen.

Insofern müssen im Rahmen eines Armuts-berichtes für das Land Bremen sowohl Fragestellungen der bundespolitischen

»Reformen« und ihrer Konsequenzen auf in Armut lebende Menschen berücksichtigt werden, als auch die Veränderung der öffent-lichen Infrastruktur wie der Gesundheits-dienste auf Landes- und kommunaler Ebene.

Dabei kann dieser Beitrag nur exemplarisch die komplexen, sich verändernden Rahmen-bedingungen von gesetzlichen Vorgaben im Gesundheitswesen und der Krankenversiche-rung, die Neustrukturierung der

Gesund-3.1 Die Ökonomisierung des öffent-lichen Gesundheitswesens und die Folgen

Kernpunkte der Gesundheitsreform sind:

Ausgrenzung und Streichung von Leistun-gen,

Erhöhung von Zuzahlungen und neue Zuzahlungen,

Belastungsgrenzen statt Sozialklausel (keine vollständige Befreiung mehr).

Privatisierung einzelner Leistungen aus dem bisherigen Leistungsangebot.

Damit ist klar, dass diese neuen Regelungen insbesondere die Armen, GeringverdienerIn-nen und Kranken treffen. Denn höhere Zu-zahlungen und Ausgrenzung von Leistungen sollen zusätzliche Gelder ins System bringen – unabhängig vom Kassenbeitrag. Dabei treffen diese Maßnahmen nur die Kranken, nicht die Versicherten insgesamt.

Hier beginnt der Paradigmenwechsel im neuen Gesundheitsmodernisierungsgesetz:

Gesunde werden entlastet, PatientInnen zahlen immer mehr. Damit ist die schleichen-de Abkehr vom Solidarprinzip verbunschleichen-den.

Bei all diesen gekoppelten Versorgungs- und Finanzierungsmodellen ist zu befürchten, dass die Veränderungen die Versorgungs-situation sozial benachteiligter Menschen verschlechtern.

Dabei ist auch für Deutschland erwiesen:

Bei Erwachsenen führt Krankheit in verstärktem Maße zu Armut und zugleich macht Armut krank;

bei Kindern führt die Armut im späteren Lebensalter zu Krankheit.

Nach der alten Sozialklausel waren Personen

Damit erhöht sich das Risiko, durch Krank-heit arm zu werden und ebenso bei in Armut lebenden Personen das Risiko, krank zu werden. Denn die finanziellen Eigenanteile sind insbesondere für Arme und Gering-verdienerInnen eine zusätzliche Belastung und vor allem weder zeitlich noch in der Höhe kalkulierbar oder planbar.

Bei finanziellen Notlagen ist davon auszu-gehen, dass medizinische und rehabilitative Leistungen von einkommensschwachen Haushalten nicht mehr oder viel zu spät in Anspruch genommen werden. Dies hat sich schon in den ersten Statistiken der Krankenkassen bestätigt.

In der Diskussion der Gesundheitsreform kamen und kommen arme Menschen ein-deutig zu kurz. Ihre Interessen und die möglichen Auswirkungen des Gesetzes bzw.

seiner Ausführungsbestimmungen sind im Rahmen der sozialpolitischen Festsetzungen von Rahmenbedingungen nur wenig berück-sichtigt worden.

Die Ausgrenzung und Streichung von Leistungen

2,5 Mrd. 1Einsparung durch Streichung von bisherigen Leistungsansprüchen und 3,5 Mrd. 1durch Neuregelung des Zahnersatzes erhofft sich die Bundesregierung z.B. im Jahr 2007.

So entfallen aus dem Leistungskatalog: nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, Seh-hilfen, Sterbegeld und Fahrtkosten (mit Aus-nahmeliste).

Zwar wird Zahnersatz versicherungspflichtig bleiben. Aber nach den Vorstellungen der

angerechnet, ebenso wenig wie eventuelle Kosten beim Zahnersatz.

Mehr Geld ins System durch neue und erhöhte Zuzahlungen

3,2 Mrd. 1jährliche Entlastung für die Kassen, das sind 3,2 Mrd. 1jährliche Mehr-belastung für die Patientinnen und Patienten.

Durch diese Zuzahlungen soll unabhängig vom Kassenbeitrag Geld ins System gebracht werden.

Die Praxisgebühr ist eine dieser neuen Zuzahlungen, die alle als »Eintrittsgebühr«

zur ärztlichen Konsultation zahlen müssen.

Formal wird sie in den Arztpraxen erhoben und mit den Honoraren für die Ärzte verrech-net. »Wer nicht zahlt, wird wieder nach Hause geschickt«, so lautet die Ansage.

Denn für die Ärztelobby ist die Praxisgebühr der Kernpunkt ihrer Öffentlichkeitsarbeit gegen die Reform. Sie verursacht eigene Kosten und Mehraufwand, ohne finanziellen Nutzen für die Ärzte.

Da die Praxisgebühr bei Arztbesuchen für jedes Quartal anfällt und zudem auch beim Zahnarztbesuch, ist die Rechnung einfach:

»Sparen« ist nur möglich, wenn Arztbesuche möglichst in einem Quartal zusammen-gefasst oder vermieden werden. Doch weder chronische Krankheiten, Krankheitserreger noch Unfälle orientieren sich in der Regel an vorgegebenen Zeitplänen.

Erhöhung der alten Zuzahlungen Höhere Zuzahlungen für Medikamente und Behandlung: Soziale Härten, etwa für Heim-bewohnerInnen, Obdachlose oder

Sozial-schlagen. Diese Kosten sind für arme Patien-tInnen oft noch gravierender als die Praxis-gebühr:

10%, mindestens 5 1, höchstens 10 1 pro Medikament,

10% plus 10 1für Heilmittel (Massagen, Krankengymnastik oder Sprachtherapie) und Leistungen der häuslichen Kranken-pflege,

10 %, mindestens 5 1, maximal 10 1für Hilfsmittel (Hörgerät, Einlagen oder Roll-stuhl), um nur die wichtigsten zu nennen.

Belastungsgrenze statt Sozialklausel Begrenzt ist die Zuzahlungssumme auf 2%

des jährlichen Bruttoeinkommens (für chro-nisch Kranke auf 1%, doch dazu gehören nur wenige). Um dies zu erreichen, heißt es Quittungen sammeln und nach Erreichen der Grenze zusammen mit dem letzten Steuer-bescheid zur Krankenkasse zu gehen und eine Freistellung von weiteren Zuzahlungen zu beantragen.

Doch auch in diesem Punkt wurde übersehen, dass viele Betroffene häufig nicht so struktu-riert und organisiert sind und oft gar nicht die Informationen haben, dass sie dafür die nötigen Papiere zusammenbrächten. Es ist nicht auszuschließen, dass ein solcher Antrag aus Scham, Unvermögen

oder Unkenntnis oft nicht gestellt wird.

Obwohl für alle Mitglieder eines Haushaltes, der auf Sozialhilfe angewiesen ist, der Eigen-anteil auf den Monat umgerechnet lediglich bei zurzeit 5,92 1liegt, muss eventuell schon zum Jahresanfang erst der gesamte Jahresanteil in Höhe von 71,04 1erbracht werden, ehe dann – nach Vorlage der Quittungen bei der Krankenkasse – für den

die soziale Ungleichheit ausgestaltet wurde und wie folgenschwer es sich auswirkt.

Eine sozialverträgliche Regelung dieser Belastungsgrenze hatte Ulla Schmidt Anfang 2004 noch gefordert – doch daraus ist auch in Bremen nichts geworden. Für den Heim-bereich ist geregelt, dass das Sozialamt den jährlichen Eigenanteil in 12 Monatsraten vom Taschengeld der Heimbewohner abzieht, doch für SozialhilfeempfängerInnen besteht keine derartige Regelung. Sie sind zurzeit noch auf die jeweiligen Absprachen mit der zuständigen Sachbearbeitung angewiesen.

Nach der Neuregelung der Sozial- und Arbeitslosenhilfe sollen dann alle einmaligen Leistungen im Arbeitslosengeld II (ALG II) entfallen, wie der Zuschuss zur Anschaffung einer funktionierenden Waschmaschine oder die Bekleidungspauschale.

Der Anfang vom Ende des Sozialstaats ist gemacht

Neue Zuzahlungen wie die Praxisgebühr, Erhöhung alter Zuzahlungen z.B. bei Medika-menten und Heilmitteln, Krankenhausauf-enthalten oder stationären Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahmen und nicht zuletzt die anstehende Privatisierung z.B. der Zahn-versorgung sind die gravierenden und offensichtlichen Härten für Arme und für armutsnahe Schichten. Diese »ökonomischen Steuerungswerkzeuge« – wie sie auch manchmal verharmlosend genannt werden – sind nicht im Einzelnen so problematisch, sondern in der Summe aller ineinander verzahnten und abhängigen Finanzab-schöpfungsmechanismen. Die Ausgrenzung ganzer Leistungspakete wie Sehhilfen, rezeptfreie Medikamente und Wegfall von Fahrtkosten lassen sich schlicht