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B. THEORETISCHER HINTERGRUND

5. Verwendete Messmethoden

5.1. Impedanzspektroskopie

5.1.3. Auswertung eines Impedanzspektrums

Um einen Prozess vollständig verfolgen zu können, muss zur Erfassung des kompletten Halbkreises das Messfenster so gewählt werden, dass die Peakfrequenz deutlich kleiner als die höchste und deutlich größer als die kleinste Messfrequenz ist. Ein System mit sehr kleinen Zeitkonstanten benötigt gegebenenfalls so hohe Anregungsfrequenzen, dass sie außerhalb des experimentell zugänglichen Messbereichs liegen. In diesem Fall kann die Probe gekühlt werden, um den elektrochemischen Prozess zu verlangsamen. Mit abnehmender Temperatur steigt die Relaxationszeit und das Spektrum wird zu niedrigeren Frequenzen verschoben.

In einem elektrochemischen System können überdies mehrere Vorgänge gleichzeitig ablaufen. Es hängt dabei von der Peakfrequenz und der maximalen Frequenz der jeweiligen Prozesse ab, ob sich die Halbkreise im Nyquist-Plot überlagern oder getrennt vorliegen. Für eine optimale Auflösung müssen sich die dielektrischen Relaxationszeiten mindestens um zwei Zehnerpotenzen unterscheiden.

I U

Abb. B5.4: Messanordnung für Impedanzuntersuchungen; links: die zu untersuchende Probe (blau) in einem homogenen Wechselfeld; rechts: das Ersatzschaltbild zur Probenhalterung.

Um das Probesystems zu modellieren, muss die Probe entsprechend der physikalischen Schichten und chemischen Reaktionen in so genannte Phasen unterteilt werden.

In der vorliegenden Arbeit wurde ein ionenleitender Elektrolyt zwischen zwei platinbeschichteten Elektroden untersucht. Da Platin ein inertes Metall ist und unter den gewählten Messbedingungen keine Ionen einlagert, kann die Platinschicht als ionenblockierende Elektrode betrachtet werden. Im elektrischen Feld wird an der Grenzfläche zwischen Elektrolyt und Elektrode eine elektrochemische Doppelschicht aufgebaut, es kommt aber nicht zu einem Ladungsdurchtritt. Die Funktion einer ionenblockierenden Elektrode ist einzig die Kontaktierung des Elektrolyten und kann daher mit einem Stromabnehmer gleichgesetzt werden. Aus diesem Grund wird das elektrische Verhalten der Elektrode nicht gesondert im Modell des Probensystems aufgeführt.

In einem Elektrolyten erzeugt das Anlegen eines elektrischen Feldes einen elektrischen Potentialgradienten. Um diesen Potentialunterschied zu kompensieren, laufen in einem leitenden Dielektrikum zwei Prozesse ab: Zum einen bewegen sich die mobilen Ladungsträger vom Ort des höheren zum Ort des niedrigeren Potentials, woraus ein Faradayscher Strom resultiert, der in einem Ersatzschaltbild durch einen OHMSCHEN

Widerstand beschreiben lässt; zum anderen werden gebundene Ladungsträger (z.B.

Atomhüllen oder permanente Dipole) polarisiert und erfahren dabei eine geringe lokale Verschiebung. Dies entspricht dem elektrischen Verhalten eines idealen Kondensators. Da diese beiden Vorgänge gleichzeitig ablaufen, wird ein Ionenleiter bei der Auswertung von Impedanzspektren als ein parallel geschaltetes RC-Glied (Abb. B5.5) modelliert.

R C

Abb. B5.5: Das Ersatzschaltbild eines parallel geschalteten RC-Glieds simuliert das dielektrische Verhalten eines Elektrolyten.

Die Kennzahl eines Plattenkondensators ist die spezifische Kapazität C. Wie viel Ladung Q auf den Platten gespeichert werden kann, hängt von der Geometrie des Plattenkondensators und von der angelegten Spannung U ab.

Q A

C= U = ε ⋅L (B5.19)

Hierbei ist L der Abstand zwischen den Kondensatorplatten und A die Fläche der Platten. Die Permittivität ε ist ein Maß dafür, wie durchlässig ein Dielektrikum für elektrische Felder ist.

Je höher die Polarisierbarkeit des Materials zwischen den Kondensatorplatten ist, desto höher ist die Kapazität des Kondensators.

Die Größenordnung der Kapazität bzw. Permittivität kann ein Hinweis darauf sein, wie der dazugehörige Prozess mechanistisch einzuordnen ist. Beispielsweise können Messergebnisse eines Pulverpresslings in einem Nyquist-Plot zwei Halbkreise aufweisen, wenn die Leitfähigkeit des Kornvolumens und der Korngrenzen zu unterscheiden ist. In Tabelle B5.1 sind zur Veranschaulichung entsprechende Literaturwerte für Kapazitäten und Permittivitäten aus dem Brick-Layer-Modell[97] für Festkörperionenleiter aufgeführt.

Tabelle B5.1: Zuordnungsbeispiele für Kapazitäten C und relative Permittivitäten εr zu verschiedenen Prozessen, die im elektrischen Feld in einer elektrochemischen Zelle auftreten können.[97]

Kapazität rel. Permittivität Prozess

10-12 F < 100 Dielektrische Relaxation im Kornvolumen 10-11 – 10-8 F 102 – 103 Polarisation der Korngrenzen

10-7 – 10-5 F 103 – 104 Elektrodenpolarisation

Darüber hinaus können aus den Impedanzspektren noch weitere stoffspezifische Parameter, wie z. B. die Leitfähigkeit und die Aktivierungsenergie des Leitungsprozesses, ermittelt werden. Die spezifische Leitfähigkeit σdc ist der reziproke Gleichstromwiderstand der Probe in Abhängigkeit des geometrische Faktors (Dicke d und Fläche A der Probe).

dc

1 d σ = R A⋅

(B5.20) Um die Aktivierungsenergie des Prozesses zu bestimmen, muss eine temperaturabhängige Messung durchgeführt werden. Aus dem Arrhenius-Plot, in dem der Logarithmus der ermittelten Leitfähigkeiten σdc gegen die reziproke Temperatur aufgetragen wird, kann an der resultierenden Geradensteigung die Aktivierungsenergie Ea abgelesen werden.

a dc

E

A exp

T kT

 

 

σ = ⋅ − 

    (B5.21)

Die Bestimmung der Leitfähigkeit ist zumeist mit einem größeren Fehler behaftet als die Bestimmung der Aktivierungsenergie, da es sich bei der Leitfähigkeit um einen Absolutwert handelt, in den die Probengeometrie einfließt. Ein fehlerhafter geometrischer Faktor wirkt sich auf die temperaturabhängige Messung der Leitfähigkeit als systematischer Fehler aus.

Die daraus ermittelte Aktivierungsenergie wird jedoch von diesem Fehler nicht beeinflusst, das es sich bei der Aktivierungsenergie um eine relative Größe handelt.

Bei der Probenpräparation ist darauf zu achten, dass eine homogene Probe vermessen wird.

Denn sind in einer Probe beispielsweise unterschiedlich lange Leitungspfade für den Stromfluss verantwortlich, führt dies zu einer Verteilung von Relaxationszeiten und damit zu einem nicht-idealen elektrischen Verhalten. Auch die Oberflächenrauheit einer Probe oder der Stromableiter kann einzelne Strompfade verlängern oder verkürzen.

Um einen optimalen elektrischen Kontakt zwischen Probe und Messgerät zu gewährleisten, müssen die Metallelektroden vor jeder Messung poliert und gründlich gereinigt werden. Auch der Anpressdruck zwischen Elektrode und Probensystem ist ein wichtiger Aspekt der Probenpräparation. Bei schlechtem Kontakt setzt die Elektrodenpolarisation bei höheren Frequenzen ein und kann andere Prozesse in diesem Frequenzbereich überlagern.

Vor der Auswertung wird ein theoretisches Modell des Probensystems erstellt und die daraus berechnete Impedanzfunktion an die experimentell ermittelte Kurve angepasst. Ausgehend von geeigneten Startwerten werden die Parameter der Fittingfunktion mittels mathematischer Algorithmen wie der CLNS-Methode[98] (complex nonlinear least square fitting) so lange

variiert, bis die Fehlerabweichung zwischen Theorie und Experiment ein Minimum erreicht hat. Mit Hilfe diese statistischen Methoden kann eine quantitative Aussage über die Übereinstimmung zwischen theoretischem und physikalischem Modell getroffen werden.