• Keine Ergebnisse gefunden

Gasnetze und weitere Energie- und Versorgungsnetze als Energieproduzenten

2 Inhaltliche Darstellung und Ergebnisse

2.1 Konzeptionelle Grundlagen eines Smart Gas Grids (AP 2)

2.1.19 Gasnetze und weitere Energie- und Versorgungsnetze als Energieproduzenten

In einer Gesamtbetrachtung sind die Netze jedoch nicht nur als Transportmittel oder Speicher anzusehen. Vielmehr sind sie durch die Netzverluste13 zugleich Energieverbraucher, können aber unter Umständen auch als Energieproduzenten bzw -umwandler (für andere Energieträger) herangezogen werden. In diesem Sinne ist auch die Netzinfrastruktur, gleichermaßen wie die Energieproduzenten und –verbraucher, als

„Prosumer“ in einem Smart Grid angesehen.

Neben den klassischen Energienetzen Strom und Gas wäre auch die Rohstoff, Abfall- und Abwasserinfrastruktur in diese Überlegungen mit einzubeziehen, insbesondere in Hinblick auf ein zu entwickelndes Smart Cities Konzept, dass die Integration der Energienetze mit kommunaler Infrastruktur im Fokus hat. Bisher identifizierte praktische Beispiele für Netze als Energieproduzent bzw. -umwandler sind:

• Nutzung des Vordruckes der Erdgasversorgung zur Stromproduktion bzw.

Kälteerzeugung

• Nutzung der Abwärme aus Verdichterstationen zur Stromerzeugung

13 Sowohl durch den Verbrauch von Arbeitsgas wie auch Methanleckagen.

• Nutzung des Gefälles in Trinkwasser- und Abwasserleitungen zur Stromproduktion

• Nutzung des Kanalnetzes für die Fernwärmebereitstellung durch Einsatz von Gas- oder Stromwärmepumpen

In der jetzigen Konzeption der Netztarife bzw. Marktregeln ist die Nutzung des Netzes zur Energieproduktion, wie auch zur Gasspeicherung, nicht vorgesehen. In dieser Hinsicht wurden insbesondere folgende Fragestellungen identifiziert, die bei den regulierten Netzen (Gas, Strom) von Interesse sind:

• Wie wären Erträge aus der Energieerzeugung durch Netzeinrichtungen bei der Berechnung der Netztarife zu berücksichtigen?

• Darf der Netzbetreiber selbst als Energieerzeuger in Erscheinung treten? Oder soll er sich dazu Contractors bedienen? Wie wären Erträge daraus zu berücksichtigen?

• Wie würden diese Effekte z.B. in der Anreizregulierung berücksichtigt werden?

2.1.20 Mikro-Grids und räumliche Ausdehnung von Energiesystemen (Systemgrößen)

Im Smart Grid Kontext ist insbesondere die Frage der räumlichen Ausdehnung von Energiesystemen (Systemgrößen) interessant bzw. unter welchen Rahmenbedingungen ein Mikro-Grid14 überhaupt energieeffizienter und wirtschaftlicher sein kann wie ein „normales“

Grid.

Diesbezüglich ist bei Mikro-Grids zu beachten, dass die Effizienz vieler Umwandlungstechnologien (z.B. Gasmotor, Gasturbine) mit abnehmender Anlagengröße deutlich geringer wird und zugleich die spezifischen Investitionskosten ansteigen. Die geringere Größe des Systems alleine macht daher Mikro-Grids jedenfalls nicht energieeffizienter oder wirtschaftlicher.

Die Nachteile geringerer Wirkungsgrade und höherer spezifischer Investitionskosten müssen durch höhere Systemintegration beim Kunden oder im Netz und eine daraus folgende höhere Rohstoffnutzung zumindest ausgeglichen werden, damit ein Mikro-Grid Sinn macht.

14 Zur Definition von Mikro-Grids auf Ebene der Stromnetze, siehe [Microgrids 2010]

Dies bezieht sich sowohl auf die technischen Parameter (Wirkungsgrad), wie auch auf die wirtschaftlichen („economies of scale“).

Eine richtige Dimensionierung vorausgesetzt kann ein Mikro-Grid jedoch sowohl energetisch wie auch wirtschaftlich vorteilhafter sein wie eine klassische dezentrale KWK-Anlage oder der klassische Netzbetrieb. Das Versorgungsgebiet eines solchen Mikro-Grids kann dabei von der Versorgung nur einiger Wohnungen bis hin zu gesamten Stadt-/Ortsteilen oder Regionen reichen. Diesbezüglich können auch die klassischen Stadtwerknetze als Mikro-Grid angesehen werden, wenn auch dabei die möglichen Synergieeffekte bis dato nur teilweise genutzt wurden bzw. dafür auch noch die regulativen Voraussetzungen fehlen.

Die klassischen Stadtwerke sind aus der Zielsetzung entstanden, ein klar umgrenztes Versorgungsgebiet mit Energie zu versorgen. In den letzten Jahren wurde dem Bestreben nach vermehrter Energieautarkie wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Mikro-Grid könnte im Smart Grid Kontext jedoch auch hinsichtlich anderer Parameter bzw. Zielgrößen optimiert werden.

Ebenso denkbar ist es jedoch, dass ein Mikro-Grid weniger auf einen maximalen Grad von Energieautarkie strebt, sondern dass es sich auch als Systemdienstleister für das übergeordnete Netzwerk versteht. Ein solches Mikro-Grid könnte rund um einen

„Netzknoten“ als Mikro-Grid Zentrale angeordnet sein, würde mehrere Energieträger miteinander verschränken und die Gesamteffizienz optimieren. Ein solches Mikro-Grid ist in Abbildung 5 schematisch dargestellt.

Abbildung 5: Schematische Darstellung eines Mikro-Grids über mehrere Energiesysteme hinweg (Quelle: eigene Darstellung)

Zusammen mit den lokalen (Gas-, Strom- und Wärmenetzen) könnte ein solcher Netzknoten als Mikro-Energieversorger verstanden werden, der über das Backbone-Netz wirtschaftliche Transaktionen mit anderen Netzknoten abschließt. Entsprechend den lokalen Rahmenbedingungen und entsprechende Auslegung vorausgesetzt, kann ein solches Mikro-Grid eine deutlich höhere Wirtschaftlichkeit erzielen wie ein klassisches Mikro-Mikro-Grid.

Die Dimensionierung der einzelnen Komponenten in solchen Mikro-Grids wäre eine völlig andere; es wäre hinsichtlich der maximalen Wertschöpfung durch Lieferung von Systemdienstleistung in das übergeordnete Netz und weniger etwa in Hinblick auf maximale Energieautarkie optimiert.

Als entscheidendes Kriterium für die Machbarkeit eines solchen Konzeptes wurde der Regulierungsrahmen identifiziert (siehe hierzu folgenden Abschnitt 2.1.21)

2.1.21 Einpassung von Mikro-Grids in den derzeitigen

Regulierungsrahmen – Grundsatzüberlegungen hinsichtlich einer praktischen Umsetzung von Mikro-Grids

Ein Mikro-Grid auf Ebene der Gasnetze, das bilanziell weitgehend energieautark ist und nur in begrenztem Maße die Schwankungen in Produktion und Verbrauch durch ein übergeordnetes Netz ausgleicht bzw. Systemdienstleistungen in das übergeordnete Netz liefert bzw. bezieht, ist in der österreichischen Gesetzgebung bzw. Regulierungsschema nicht vorgesehen.

Im rechtlichen Sinne könnte ein Mikro-Grid entweder nur ein Teil des Erdgassystems sein, wobei die Regelungen des GWG zur Anwendung kommen oder es wäre als ein reines Biomethannetz, komplett von diesem getrennt und würde sich in gewisser Weise im

„rechtsfreien Raum“ befinden. Da es in Österreich für den zweiten Fall keinerlei Präzedenzfälle gibt, wäre die Rechtsunsicherheit jedenfalls nicht unerheblich.

Ist ein Mikro-Grid jedoch mit den übergeordneten Versorgungsnetzen verbunden, so würde dieses unter den Geltungsbereich des GWG15 und der dazugehörigen Tarifverordnungen der E-Control fallen16.

Da die Kosten für das komplette Gasnetz in einem Netzgebiet (=Bundesland) gemeinsam bestimmt und die Netzgebühren für das gesamte Netzgebiet verordnet werden, würde dies letztlich bedeuten, dass die Netzgebühren in einem (kleinen) Gas-Mikrogrid praktisch unabhängig von den tatsächlichen Kosten des Netzbetriebes dieses Mikro-Grids sind.

Sollten die tatsächlichen Kosten des Netzbetriebes in diesem Mikro-Grid höher sein als im jeweiligen Bundesland (z.B. wegen ungünstiger Topographie, Siedlungsstruktur etc.), dann müssten die Netzbetreiber dieses Bundeslandes Ausgleichszahlungen leisten und damit den Betrieb des Mikronetzes subventionieren17.

Im umgekehrten Fall, dass die Netzkosten im Mikro-Grid geringer wären wie im gesamten Bundesland, müsste hingegen der Betreiber des Mikro-Grids die anderen Netzbetreiber (bzw. das übergeordnete Leitungsnetz) durch Ausgleichszahlungen subventionieren.

Wenn Mikro-Netze in dichten Siedlungsstrukturen errichtet und/oder das Mikronetz bzw.

dessen Kunden nur in viel geringerem Ausmaß die übergeordnete Leitungsstruktur benötigen, wenn etwa der Großteil der Energieträgeraufbringung lokal geschieht, kann dieser Kostenvorteil durch günstigere Netzkosten daher trotzdem nicht an die Endkunden weitergegeben werden. Vielmehr wäre der Betreiber des Mikronetzes verpflichtet, den übergeordneten Betreiber bzw. dessen Kunden durch Ausgleichszahlungen zu subventionieren (anteilig niedrigere Preise im gesamten Netzgebiet).

Umgekehrt können aber die Mehrkosten, die durch die dezentrale Erzeugung oder vermehrte Nutzung erneuerbarer Energieträger entstehen, nicht auf die Kunden des

15 Gaswirtschaftsgesetz (GWG); siehe [GWG 2008]

16 Betreffend der Nutzung der Gasnetze wäre dies die Gas-Systemnutzungstarife-Verordnung; siehe [GNST-VO 2009]

17 Unabhängig davon müsste der Betrieb eines Mikro-Netzes jedenfalls gemäß § 13 ff GWG von der Energie-Control-Kommission genehmigt werden.

übergeordneten Netzes überwälzt werden18 und müssen von den Kunden des Mikronetzes alleine getragen werden. -> Schlechterstellung der Kunden eines Mikronetzes nach der derzeitigen Regelung.

Ein Abkoppeln der Netztarife im Mikronetz von den Einheitstarifen je Netzgebiet scheint nach derzeitiger Rechtslage nicht möglich - zumindest insofern Erdgas, wenn auch nur zu einem kleineren Teil, im Mikronetz verwendet wird.