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Görisried – Ochsenhof 1 im Landkreis Ostallgäu

Zum Ochsenhof weist kein Schild. Er liegt von der Außenwelt abgeschnitten in einem Wald zwischen Görisried und Bodelsberg, Landkreis Ostallgäu. Keine Menschen weit und breit. Zur nächsten Bushaltestelle sind es fünf Kilometer, zum nächsten Supermarkt dreizehn.

Für die Menschen aus 25 Nationen steht lediglich ein Münztelefon zur Verfügung, Rückruf unmöglich. Maximale Reichweite:

Europa. Das hilft zwei Dritteln der Flüchtlinge nicht. Sie stammen aus anderen Kontinenten und müssen zur nächsten Telefon-zelle kilometerlang laufen. Es befinden sich in dieser Kaserne ausschließlich Männer, Durchschnittsalter 29 Jahre.

Frauen und Kindern sei der Ort nicht zuzumuten, räumt selbst Göhs (Direktor des Regierungsbezirks) ein. In den Nächten brüllen sich manche die Seele aus dem Leib. Musik wird so laut aufgedreht, daß es nur noch scheppert und dröhnt. Andere lachen hysterisch. Dazwischen: gespenstische Stille. Vor jedem Sonnenaufgang ertönt um 4.00 Uhr morgens ein beschwörender Gesang.

Das ist Akadi, der seine muslimischen Landsmänner zum Gebet ruft. Insgesamt fünfmal am Tag. "Nous sommes des prisonniers ici", Gefangene seien sie, erhitzt sich ein Afrikaner.

Die Auslaufzone des Ostallgäus darf praktisch niemand verlassen. Im Klartext: einen Flecken Erde von weniger als dreißig mal fünfzig Kilometer. Nicht einmal Verwandte dürfen sie seit April besuchen. Außer in Härte- oder Todesfällen. Trotz offener Kasernentore heißt demnach die Botschaft: Schotten dicht. Die Eingänge der Gebäude sind verwüstet, rund 250 Männer müssen sich mit nur fünf durchgängig funktionierenden Duschen abfinden. Phasenweise waren es sogar nur zwei.

Unzählige Kakerlaken huschen durch Zimmer und Bäder, Abflußrohre werden nicht mehr repariert, Algen haben sich in Wände und Böden gefressen...

aus: Deutsches Sonntagsblatt 22/95

16. August 95

Der Flüchtling Selliah Jeyakularajah aus Sri Lanka klettert in der Nähe seiner Unterkunft in Görisried im Landkreis Ost-allgäu die Sprossen eines Strommastes hoch und umklammert die Leitung mit seiner rechten Hand. Der 35-jährige Tamile ist sofort tot.

Im Oktober 1994 kam Selliah Jeyakularajah nach Deutschland, stellte in Neu-Ulm einen Asylantrag und wurde im Dezember 1994 in das Flüchtlingslager Ochsenhof bei Görisried umverteilt. Dort hielt er es nur wenige Tage aus und wohnte bis Februar 1995 die meiste Zeit bei einem Freund in Kempten. Am 15. März 95 wurde er zum ersten Mal ins Bezirkskrankenhaus eingewiesen; die Diagnose lautete "para-noide Psychose". Nachdem er bis zu seinem Tod insgesamt achtmal im Krankenhaus Kaufbeuren aufgenommen wurde, leitete dieses eine Unterbringung in einer Wohngruppe in die Wege, um so "eine Drehtürpsychiatrie zwischen Klinik und Heim zu vermeiden". Eine Suizidgefährdung hielten die Ärzte für ausgeschlossen, da er unter "Depot-Medikation" stehe.

Selliah Jeyakularajahs Asylantrag wurde im Dezember 1994 ebenso abgelehnt wie ein Anspruch auf Abschiebungs-schutz. Da er sich wegen seiner psychischen Probleme selten in Ochsenhof aufhielt, erreichte ihn die Postzustellungs-urkunde nicht. Sein Anwalt reichte verspätet eine Klage gegen den Asylbescheid ein, über die das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden hatte.

Die menschenunwürdigen Lebensumstände der Flücht-linge in der Asylunterkunft Ochsenhof – möglicherweise auch Traumatisierung während der Bürgerkriegswirren – und die Ausweglosigkeit seiner Situation ließen Selliah Jeyakularajah zerbrechen. (siehe den Kasten oben)

DS 22/95;

Herzog/Wälde: "Sie suchten das Leben"

16. August 95

Louis L. aus Nigeria, 29 Jahre alt, erhängt sich in der JVA Wolfenbüttel. Er war auf Veranlassung des Ausländeramtes des Landkreises Göttingen wegen illegaler Einreise in die

BRD und wegen illegalen Aufenthaltes in Abschiebehaft genommen worden.

taz 17.8.95; FR 17.8.95;

BeZ 17.8.95; TS 17.8.95;

taz 18.8.95; jW 18.8.95; ND 18.8.95;

FRat NieSa, Rundbrief 30, Nov. 95;

UNITED (ARD; morgengrauen; SZ); BT DS 13/3801 17. August 95

Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Mannheim. Drei Brandflaschen werden gegen die Rückseite der Unterkunft im Stadtteil Schönau geworfen. Ein Wachmann entdeckt das Feuer. Niemand wird verletzt.

BeZ 18.8.95; jW 18.8.95;

Bürgerrechte & Polizei/CILIP 52/1995 21. August 95

Flüchtlingsunterkunft im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main, Gebäude C 182. Seit zwei Wochen demonstrieren sieben sudanesische Flüchtlinge – drei von ihnen haben deutliche Foltermerkmale – gegen ihre drohende Abschiebung mit einem Hungerstreik.

Einer der sieben seit zwei Wochen hungerstreikenden Sudanesen bricht bewußtlos zusammen und zieht sich dabei eine Kopfverletzung zu.

Am 12. September werden alle sieben Hungerstreikenden in den Sudan abgeschoben, nachdem die sudanesische Regie-rung der deutschen RegieRegie-rung zugesichert hatte, daß die Flüchtlinge nach ihrer Rückkehr nicht verfolgt werden wür-den.

taz 22.8.95; Pro Asyl 11.9.96 22. August 95

Ein unbenannter 21 Jahre alter Mann aus Marokko erhängt sich während seiner Abschiebehaft in der JVA Frankfurt.

FR 26.8.95; UNITED (taz) 25. August 95

Frankfurt am Main. Ein 60 Jahre alter Pole tötet sich in der Abschiebehaft selbst, indem er sich erhängt.

taz 26.8.95; UNITED (taz)

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29. August 95

Zwei afrikanische Asylbewerber aus Ghana und dem Tschad kommen in einem Ulmer Hochhaus um. Ursache des Feuers:

Brandstiftung.

BeZ 30.8.95;

UNITED (CARF; IRR; Searchlight) 29. August 95

In der Justizvollzugsanstalt Flensburg zieht sich ein Abschie-begefangener schwere Verletzungen durch einen Zellenbrand zu.

BT DS 13/3801 August 95

Der togoische Flüchtling Ahianvé wird nach abgelehntem Asylantrag ohne Vorwarnung aus seiner Unterkunft in Thü-ringen abgeholt und von Frankfurt am Main über Ouagadou-gou (Burkina Faso) nach Lomé abgeschoben. Auf dem Flug-hafen wird er von togoischen Beamten dermaßen mißhandelt, daß er ins Krankenhaus gebracht werden muß. Von hier aus gelingt es ihm, einen Brief an einen befreundeten Pfarrer in Thüringen zu schicken, in dem er um Geld bittet, weil er die medizinische Behandlung nicht bezahlen kann.

Aktion Abschiebestop 6. September 95

In einem aus Ungarn kommenden Wohnmobil werden 42 Flüchtlinge entdeckt. Die 31 Erwachsenen und 11 Kinder waren in Kästen versteckt. Sie stammen aus

Montenegro in Rest-Jugoslawien und wurden wieder nach Ungarn zurückgeschickt.

BeZ 7.9.95 6. September 95

Landkreis Oder-Spree. Ein Jäger schießt in einem Maisfeld bei Wellmitz auf der Jagd nach Wildschweinen auf eine armenische Flüchtlingsfamilie. Der Vater Ivan Schachkulian und sein 8-jähriger Sohn Armen werden von Schrotkugeln verletzt.

Während Ivan S. am Oberschenkel getroffen wurde, ist die Verletzung Armens komplizierter, so daß er jährlich am Fußgelenk operiert werden muß, um eine Behinderung zu vermeiden.

Noch vor Ablauf der medizinischen Behandlung im Som-mer 98 droht der 5-köpfigen Familie nach abgelehnten Asylanträgen die Abschiebung. Die evangelische Matthäus-Gemeinde in Hildesheim gewährt ihnen Kirchenasyl.

BeZ 7.9.95; TS 7.9.95;

jW 29.8.98 13. September 95

Eine tote Person wird in der Nähe der brandenburgischen Ortschaft Brieskow-Finkenheerd aus dem Wasser der Oder geborgen. Sie kann nicht identifiziert werden.

FFM, März 96 13. September 95

Die sieben Sudanesen, die seit Juli im Transitbereich des Flughafens Frankfurt festgehalten wurden, sind im dritten Versuch abgeschoben worden. Die Sudanesen waren aus Protest gegen ihre anstehende Abschiebung seit drei Wochen im Hungerstreik. Der Transport erfolgt mit einer extra ange-mieteten rumänischen Chartermaschine, nachdem die Abschiebung mit einer Linienmaschine am Vortage am Widerstand der Sudanesen gescheitert war.

BeZ 14.9.95; FR 14.9.95

25. September 95

Friedrichshain bei Döbern im südostbandenburgischen Spree-Neiße-Kreis. Als die drei indischen Asylbewerber die Disko-thek "San Franzisko" betreten, erleben sie eine derart bedroh-liche Situation, daß sie gleich kehrt machen, um wieder hinauszugehen.

Doch bevor ihnen das gelingt, werden sie von mehreren Nazis brutal zusammengeschlagen. Auch als ein Flüchtling schon am Boden liegt, "wird ihm das Gesicht mit Stiefeln bis zur Unkenntlichkeit zertreten". Er kommt mit lebensgefährli-chen Verletzungen, seine beiden Begleiter mit geringeren Verletzungen ins Krankenhaus.

Die Staatsanwaltschaft Cottbus ermittelt gegen vier der jugendlichen Täter wegen versuchten Mordes. Gegen drei wird ein Haftbefehl erwirkt.

taz 29.9.95 27. September 95

Beamte der Autobahnpolizei Paderborn haben bei einer Ver-kehrskontrolle auf der Autobahn A 44 Dortmund – Kassel bei Wünnenberg 54 Tamilen aus einem Kleintransporter geholt.

BeZ 27.9.95 September 95

Die Bundesregierung bestreitet die Tatsache, daß ein abge-schobener nepalesischer Staatsangehöriger auf dem Rückflug mit einer Lufthansa-Maschine von zwei nepalesischen Polizi-sten begleitet und bei der Ankunft in Kathmandu von diesen abgeführt wurde.

wib 6.9.95 und 13.9.95 September 95

Drei Männer aus Cottbus überfallen und mißhandeln zwei indische Flüchtlinge "aus Ausländerhaß", wie sie angeben.

Ihnen wird versuchter Mord und gefährliche Körperverlet-zung vorgeworfen.

BeZ 11.6.96 September 95

Flüchtlingsunterkunft im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main, Gebäude C 182. Frau H. L., geflohen aus Äthiopien, schneidet sich in der Dusche die Pulsader auf. Sie erleidet einen hohen Blutverlust und kommt zur medizini-schen Erstversorgung in die Psychiatrie. Von dort darf sie nach 187 Tagen Gefangenschaft im Transitbereich am 3.

November in die BRD einreisen.

AK-INFO AK-Asyl BaWü Okt.-Dez. 96;

BT DS 13/3565 Herbst 95

Ein Flüchtling aus Burkina Faso wird nach abgelehntem Asylantrag ohne Kenntnis seiner Anwältin von der Polizei abgeholt und abgeschoben.

Dort erscheint er noch einmal bei der Menschenrechts-organisation, der er bereits vor seiner Flucht angehört hat, und dann verliert sich seine Spur. Ermittlungen in Burkina Faso oder von Freunden und Bekannten in Deutschland bleiben erfolglos.

Aktion Abschiebestop 5. Oktober 95

Abschiebegefängnis Rottenburg in Baden-Württemberg. Der algerische Flüchtling Khaleb Hocine wird morgens um 4.00 Uhr aus seiner Haftzelle von vier Männern abgeholt. Durch

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einen besonderen Griff an die Kehle wird er kurzzeitig bewußtlos, wodurch sein Widerstand gebrochen ist – und er abgeschoben wird.

Bereits am 16.5.95 und am 30.5.95 hatte Khaleb H. sich durch körperlichen Widerstand vorerst erfolgreich gegen seine Abschiebung wehren können.

Der dritte Abschiebeversuch wurde nach 13 Monaten Abschiebehaft unternommen. Khaleb H. wurde von BGS-Beamten geschlagen und "wie ein Paket" verschnürt. Der Pilot der "Air Algérie" weigerte sich, den verzweifelten Mann mitzunehmen.

Dokumentation über Abschiebehaft in Rottenburg 1997 6. Oktober 95

Der äthiopische Flüchtling Solomon Mersha Mergia ertränkt sich im Rhein-Main-Donau-Kanal in Bamberg.

Im April 1995 bekam Solomon Mersha Mergia vom Verwaltungsgericht Weimar Abschiebungshindernisse nach

§ 51 zugesprochen. Seine exilpolitische Betätigung und seine Mitgliedschaft in der EPRP, der Ethiopian People Revolutio-nary Party, hätten einer Abschiebung entgegengestanden.

Dagegen legte der Bundesbeauftragte für Asylangelegenhei-ten zwar Berufung ein, doch der Rechtsanwalt hielt die Chan-cen für ein vorläufig gesichertes Aufenthaltsrecht trotzdem für gut.

Sein Anwalt bestätigt, daß der Flüchtling "ein depressives Erscheinungsbild bot", von Suizidabsichten jedoch nicht gesprochen habe. Solomon Mersha Mergia mußte in einer Gemeinschaftsunterkunft in Gerstungen / Thüringen leben und litt sehr unter der dortigen Unterbringung, unter Einsam-keit und Isolierung.

IMEDANA 26.10.00 (AAPO) ; Herzog/Wälde: "Sie suchten das Leben"

10. Oktober 95

Lahn-Dill-Kreis in Hessen. Vier deutsche Männer überfallen ein Flüchtlingsheim in Eschenburg-Simmersbach, schreien rassistische Parolen, zertrümmern Scheiben und feuern mehrere Schüsse ab. Die Täter sind zwischen 16 und 27 Jahre alt.

Konkret 12/95, S. 35 18. Oktober 95

Friedland – Landkreis Göttingen. Der 18-jährige Sergej Androussenko droht, sich vom Dach der Gaststätte "Michel"

zu Tode zu stürzen, weil ihm die Abschiebung droht. Er war im Mai in die BRD geflüchtet, weil er nicht als Soldat in Tschetschenien kämpfen wollte.

Verwaltungsgericht Göttingen: "Desertion und Fahnen-flucht sind hierzulande kein Asylgrund."

jW 19.10.95;

FRat NieSa, Rundbrief 30, Okt. 95 20. Oktober 95

Durch ein Feuer in einem Flüchtlingsheim in Wallenhorst bei Osnabrück entsteht ein Sachschaden von

200 000 DM. Menschen kommen nicht zu Schaden. Brand-stiftung ist nicht auszuschließen.

taz 21.10.95; jW 21.10.95 24. Oktober 95

Der vietnamesische Asylbewerber N. wird – zusammen mit vier weiteren Abgeschobenen – direkt auf dem Flughafen von Hanoi verhaftet und in einem Polizeigebäude im Stadtteil Tu Nghiem gefangen gehalten. Sie treffen dort auf eine Gruppe

bereits vor einer Woche aus der BRD abgeschobener Flücht-linge.

Als Grund für die Inhaftierungen der Flüchtlinge werden offiziell "gesundheitliche Untersuchungen" angegeben.

FRat NieSa, Rundbrief 33, Febr. 96, S. 22 24. Oktober 95

Ein 16-jähriger Flüchtling aus Bangladesch wird auf der Autobahn A 3 bei Regensburg von einem Auto erfaßt und stirbt noch in der Nacht an seinen Verletzungen. Er war einer von 34 Flüchtlingen, die kurz vorher von ihren Fluchthelfern auf einer Raststätte ausgesetzt worden waren.

FR 26.10.95; UNITED (MNS) 26. Oktober 95

Ein Mann aus dem Tschad unternimmt in der Abschiebehaft in Bremen einen Selbstverbrennungsversuch. Erst jetzt wird er freigelassen. In den acht Monaten seiner Haft wurde er zu acht verschiedenen afrikanischen Botschaften gefahren, um für ihn, der keinen Paß besitzt, Ersatzpapiere zu erhandeln.

TS 27.10.95 2. November 95

Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main, Gebäude C 182. Der 20-jährige Ashraf B. aus dem Sudan schneidet sich die Pulsadern auf. Sein Asylantrag, den er zweieinhalb Wochen zuvor gestellt hatte, wurde abgelehnt.

FR 4.11.95 5. November 95

Untersuchungshaftanstalt Holstenglacis in Hamburg. Der 35 Jahre alte Abschiebegefangene Esser F. erhängt sich am Fen-sterkreuz mit einem Ledergürtel.

Über die Nationalität des Toten und die näheren Um-stände der Selbsttötung wird nichts bekanntgegeben.

taz 7.11.95; taz 11.11.95;

Komitee f. Grundrechte u. Demokratie 4.12.98 6. November 95

In der Justizvollzugsanstalt St. Georgen-Bayreuth in Bayern versucht ein tunesischer Abschiebegefangener, sich zu erhän-gen. Er wird durch Bedienstete der Anstalt daran gehindert.

BT DS 13/3801 8. November 95

Hannover in Niedersachsen. Der 27 Jahre alte kurdische Flüchtling Mehmet Nezir Baynal wird in einem türkischen Supermarkt von der Polizei festgenommen, weil er dort ohne die notwendige Arbeitserlaubnis ausgeholfen haben soll.

Auf dem Polizeipräsidium verlangt Herr Baynal nach einem Dolmetscher und seinem Rechtsanwalt. Seine Hände sind mit Handschellen auf dem Rücken fixiert. Auf dem Weg zur Haftzelle wird er von den beiden begleitenden Beamten die Treppe herauf geschubst. Als Herr Baynal sich umdreht, bekommt er einen Schlag auf das linke Auge. Nach weiteren Schlägen verliert er das Bewußtsein.

Die Polizei selbst transportiert ihn in die Klinik "Clemen-tinenhaus", wo er jedoch eine medizinische Versorgung ver-weigert. Nach seiner augenblicklichen Entlassung aus der Haft begibt er sich in das Krankenhaus Siloh und wird hier stationär aufgenommen. Diagnose: schwere Prellungen des linken Auges und ein Jochbeinbruch. Die Fraktur des Gesichtsknochens muß operativ behandelt werden.

Ende Februar 96 erklärt die Staatsanwaltschaft, daß Herr Baynal, Opfer und Hauptbelastungszeuge der polizeilichen

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Mißhandlungen, für ein eventuelles Strafverfahren gegen die beiden Polizisten "nicht erforderlich ist." Die Abschiebung wird eingeleitet.

Einige Tage später wird bekannt, daß Mehmet Nezir Baynals Abschiebung solange ausgesetzt werden soll, bis geklärt ist, ob es überhaupt zu einem Strafverfahren gegen die Polizisten kommt.

taz 29.2.96; taz 2.3.96 9. November 95

An einem Wehr in der Nähe des deutsch-polnischen Grenz-überganges Podrosche in Sachsen wird die Leiche des 24-jährigen Pakistani Massut Iqubal gefunden. Bei seinem Versuch, in die BRD zu gelangen, ist er – vor wahrscheinlich zwei Tagen – ertrunken.

FFM, März 96; BGS 12. November 95

Auf ein mit bosnischen Kriegsflüchtlingen bewohntes Haus in Jena wird ein Sprengstoffanschlag verübt. Ein selbstgebauter Sprengkörper fliegt durch ein offenes Fenster und explodiert in einem Duschraum.

BeZ 13.11.95 16. November 95

Ein 24-jähriger Abschiebegefangener algerischer Staatsange-hörigkeit erhängt sich in seinem Haftraum in der JVA Dres-den an einem Sprungseil, das er sich aus dem Sportraum mitgenommen hatte. Der Algerier sollte am 22. November – im dritten Anlauf – abgeschoben werden.

BT DS 13/3801 17. November 95

Kurz vor seiner Heirat mit einer Deutschen wird der 25-jäh-rige Algerier Abdelouahab H. aus Bremen abgeschoben. Im Flugzeug, kurz vor Amsterdam, zerschneidet er sich mit einer Rasierklinge den Hals und die Handgelenke. Zu seinem Glück ist eine Ärztin an Bord und versorgt seine Verletzungen. Das kleine Flugzeug macht kehrt und bringt den Verletzten nach Bremen zurück. Nach einem kurzen Krankenhausaufenthalt kommt er in die Krankenstation der JVA Oslebshausen.

Schon am 22. November versuchen die Behörden, ihn erneut abzuschieben. Fünf Minuten vor dem Abflug nach Algerien – Abdelouahab H. ist bereits nach Frankfurt gebracht worden – kann er durch eine Eil-Verfügung des Bremer Verwaltungsgerichts das Flugzeug wieder verlassen.

FR 18.11.95; taz 18.11.95;

taz 20.11.95; taz 23.11.95; taz 25.11.95;

taz 22.12.95 17. November 95

Justizvollzugsanstalt Plauen in Sachsen. Ein 38-jähriger Mann aus Tunesien verletzt sich selbst durch Schnittverletzungen am Bauch. Er sollte an diesem Tage abgeschoben werden. Die Abschiebung erfolgt dann am 24. November 1995.

BT DS 13/3801 22. November 95

Der leitende Polizeidirektor beim Grenzschutzamt Frankfurt am Main, Udo Burkholder, zur Frage, auf welche Art und Weise Flüchtlinge ins Flugzeug gebracht und abgeschoben werden:

"In Einzelfällen" würden ihnen nicht nur die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden – auch die Beine würden von den Fußknöcheln bis zu den Knien mit "Klettbändern"

umwickelt. Zum Schutz der Haut werde Paketpapier

unterge-legt. Die so bewegungsunfähigen Menschen würden dann von den Beamten ins Flugzeug getragen. Das Anti-Rassismus-Büro in Bremen ergänzt, daß den Gefangenen stundenlang vor dem Flug weder Essen noch Trinken gegeben werden, damit sie nicht auf die Toilette müßten.

FR 22.11.95; BeZ 30.11.95 28. November 95

Die Kurdin Z. S. wird mit ihrer Tochter L. und ihrem Sohn M.

in die Türkei abgeschoben, da aufgrund ihrer "Volkszugehö-rigkeit keine Verfolgung bestehe".

Bereits bei der Paßkontrolle in Ankara werden die drei sechs Stunden lang festgehalten und verhört. Nach der Frei-lassung fahren sie zu Verwandten, werden jedoch immer wieder von Staatsangestellten aufgespürt und nach dem Auf-enthalt des Ehemannes bzw. des Vaters befragt. Mutter und Tochter werden getrennt verhört und auch gefoltert.

Am 26. Juli 96 gelingt es ihnen, erneut in die BRD zu fliehen. Die erlittenen Mißhandlungen werden den Frauen zwar geglaubt, doch habe es sich bei den sexuellen Mißhand-lungen um einen "Amtswalterexzess" gehandelt, und es gebe keine Anzeichen dafür, daß der türkische Staat derartige Übergriffe einzelner Funktionsträger hinnehme, so das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in ihrer Ablehnung des Asylantrages.

Allein wegen der psychischen Verfassung der Frauen stellt das Bundesamt am 7. Juli 97 Abschiebehindernisse nach

§ 53 Abs. 6 AuslG fest. Die Familie wird vorerst geduldet.

Büro A. Dietert-Scheuer, MdB, April 97 und Sept. 98 Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Mai 2000 29. November 95

Ein Mann wird vor seiner Abschiebung im Vorbereitungstrakt CJS im Frankfurter Flughafen geknebelt.

IPPNW 1.6.99 30. November 95

Ein 17-jähriger Libanese versucht, sich in einem Berliner Abschiebegewahrsam mit einem Handtuch an der offenen Tür des Innengitters seiner Zelle zu strangulieren. Durch das Eingreifen des Wachpersonals wird das verhindert.

BT DS 13/3567 10. Dezember 95

Bei dem Brand in einem zum Teil mit jugoslawischen Kriegs-flüchtlingen bewohnten Mehrfamilienhaus im Ostseebad Haffkrug sterben fünf Menschen den Feuertod – drei albani-sche Flüchtlinge und zwei Deutalbani-sche. Nachdem das Feuer um 21.50 Uhr in der ersten Etage entdeckt worden war, steht das Haus in kurzer Zeit in Flammen.

Zehn Personen können sich durch Abseilen und Sprünge aus den Fenstern retten, vier von ihnen sind allerdings schwer verletzt.

Eine Bewohnerin bricht sich beim Sprung in die Tiefe beide Beine. Eine hochschwangere Albanerin erleidet so schwere Verbrennungen, daß sie – in Lebensgefahr schwe-bend – von ihrem Kind durch Kaiserschnitt entbunden werden muß. Ihr dreijähriger Sohn, ihr Mann und dessen Bruder sind bei dem Brand umgekommen.

taz 12.12.95; taz 13.12.95; jW 13.12.95;

taz 14.12.95; taz 15.12.95; taz 20.12.95;

taz 5.1.96; Race & Class 1997 13. Dezember 95

Der 17-jährige Kurde Necmettin T. übergießt sich am Ham-burger Hauptbahnhof mit Benzin und zündet sich an. Im Krankenhaus stirbt er an seinen Verletzungen.

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Sein Asylantrag war im Mai abgelehnt worden. Er hätte die BRD bis zum 14. Dezember – also am nächsten Tag – verlassen müssen.

D'accord II Nachrichten; ap;

Fritz Info-Kompakt, 14.12.95;

jW 15.12.95; taz 15.12.95;

BT DS 13/3567 15. Dezember 95

Ein bulgarischer Flüchtling, der heute abgeschoben werden soll, stürzt sich in seiner Wohnung aus dem Fenster und ver-sucht sich anschließend auf der Polizeiwache in Neuhof bei Fulda mit seinen Schnürsenkeln zu erhängen.

FR 16.12.95 17. Dezember 95

Die Leiche des 24-jährigen Pakistani Naeen Akram wird in der Nähe von Bahren-Zelz im Spree-Neiße-Kreis aus der Neiße geborgen. Der Tote soll bereits Ende Oktober mit einer Gruppe von insgesamt 17 Pakistani versucht haben, den Grenzfluß zu überqueren. Dabei, so die Cottbusser Staatsan-waltschaft, sollen vier weitere Flüchtlinge ertrunken sein.

LR19.12.97; UK 19.12.97; TS 19.12.95;

ND 19.12.95; MOZ 19.12.97; FFM, März 96;

ND 19.12.95; MOZ 19.12.97; FFM, März 96;