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Bei der Betrachtung der vielen profunden Forschungsarbeiten zu dem T Gen, kann die Funktion von „brachyury“ wie oben beschrieben in zwei aufeinanderfolgende Funktionskomplexe unterteilt werden [49]: Der Primärfunktion sowie der Sekundär-funktion (siehe 2.2.1. Expression innerhalb der Vertebraten).

Das T Gen agiert zellautonom, d.h. es induziert die Entwicklung embryonaler Vorläuferzellen des Primitivstreifens und des Notochords in ein konkretes Ziel-Zelldesign, in diesem Falle epitheliale Progenitorzellen in Zellen des Mesoderms, und ist somit einer der Schlüsselfaktoren in der Formation mesodermaler Strukturen bei den Vertebraten [82]. Diese sind elementar für eine korrekte Entwicklung der AP-Körperachse, welche neben Elementen der Wirbelsäule auch die Ausbildung neuro-naler Strukturen (Rückenmark als Teil des ZNS) beinhaltet. Unterschiede in der Do-mänenstruktur des „brachyury“-Proteins können am C-Terminus zwischen den Ver-tebraten festgestellt werden: Bei der Maus existieren im Gegensatz zu den Spezies Zebrabärbling und Xenopus (jeweils nur eine [83]) zwei Transaktivierungs- sowie Repressordomänen mit einer übergreifenden Region für die nukleare Lokalisation des Proteins in zentraler Position des Peptids [62]. Die Signifikanz dieser Unter-schiede zwischen den orthologen T Genen dieser drei Spezies ist unklar, jedoch be-steht kein Zweifel an der transkriptionellen Aktivierungs-Funktion der „brachyury“-Proteine und deren bestimmende endogene Rolle in der Aktivierung weiterer Meso-derm-spezifischer Gene als „downstream“-Ziele [84]. Dieses zeigte die Beobachtung

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bei der Deletions-Mutation im Zebrabärbling „noTail“ (siehe 2.5.1.3.2. Zebrabärbling (Danio rerio)), welche die einzige Transaktivierungsdomäne betrifft und in phänotypi-scher Ausprägung identisch mit der von T Null-Mutanten ist [83]. Dass „brachyury“

als transkriptioneller Aktivator fungiert und zudem in seiner Sequenz, Expression und der molekularen Funktion evolutionär konserviert ist, zeigt zudem eine Studie von Conlon et al (1996) [83]: Durch einen Austausch der Transaktivierungsdomäne des Xenopus „brachyury“-Ortologons (Xbra) mit der Repressor-Domäne des Drosophila Proteins Engrailed (Xbra-EnR) und anschließender RNA-Mikroinjektion in Embryonen der Spezis Zebrabärbling und Xenopus, bildeten diese den „brachyury“-Phänotypen

„noTail“ (Zebrabärbling) (siehe 2.5.1.3.2. Zebrabärbling (Danio rerio)) bzw. eine Phä-nokopie eines „brachyury“-Mutanten aus mit einer fehlenden Ausbildung des posteri-oren Notochords und somit einer fehlerhaften Ausbildung hinterer Körperstrukturen (Xenopus).

Zusammenfassend lässt sich die zelluläre Funktion von „brachyury“ auch in einer Quintessenz zweier Theorien darstellen:

i. „brachyury“ steuert die Differenzierung des posterioren Mesoderms und ist be-teiligt bei der Schwanzknospenbildung [59,85–89].

ii. „brachyury“ kontrolliert Zellbewegungen während der Bildung des Notochords, der sog. „Konvergenten Verlängerung“, einem Prozess, bei welchem sich das embryonale Gewebe neu anordnet, indem es durch bestimmte Zellbewegungen entlang einer lotrechten AP-Körperachse zusammenläuft, sich ausbaut und modelliert [90–93].

Interessant ist nach diesen Erkenntnissen natürlich, wie genau die „brachyury“-Expression reguliert wird bzw. welche „up-/downstream“-Ziele aktiviert werden. Dies würde zu einem verbesserten Verständnis der Modulierung des posterioren Meso-derms und somit vor allem der rostro-kaudalen Strukturierung der axialen AP-Körperachse (Notochord und Somiten bilden die knöcherne Wirbelsäule aus), aber auch zu der neuronalen Entwicklung (Neurulation wird induziert durch komplexe In-teraktion mit dem Notochord) der Vertebraten beitragen. Grundlegend ist festzustel-len, dass die Expression von „brachyury“ wahrscheinlich zusätzlich zu einem regula-torischen „up & downstream“-Gennetzwerk auch einer autoregularegula-torischen Kontrolle

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unterliegt (siehe Abbildung1, S.22). Dies demonstrierte Rao (1994), indem bei einer Injektion von einem modifizierten Xbra Konstrukt B304 ohne Transaktivierungsdo-mäne eine funktionale Inhibition von Wildtyp Xbra beobachtet wurde, welches eine mesodermale Differenzierung nicht länger induzieren konnte [94]. Neben diesem sog. „dominant-negativen“ oder „antimorphen“ Effekt, der unter natürlichen Bedin-gungen in heterozygoter Form für das dominant agierende Allel vorliegt, zeigte diese Studie, dass eine Überexpression des Konstrukts B304 auch eine Neuralisation zur Folge hat [94].

Erste Studien mit Hilfe sog. „animal cap assays“ ergaben, dass Activin_A (Lig-and der „transforming growth family“ TGF-ß) und „embryonal fibroblast growth factor“

(eFGF) nicht nur zwei Kandidaten für induzierende Faktoren des frühen Mesoderms darstellen [58], sondern explizit für die Expression von Xbra erforderlich sind [95,96].

So stellt das T Gen für Mitglieder der TGF-ß und FGF Genfamilien und für die Ent-wicklung des Mesoderms ein sog. „immediate early response“-Gen dar [58] (siehe Abbildung1, S.22). eFGF spielt zusätzlich eine Rolle in der Aufrechterhaltung der Xbra Exression während der mesodermalen Entwicklung und wird während der Gastrulation coexprimiert [87,88]. Zudem konnte eFGF auch als direktes Ziel

„downstream“ von Xbra identifiziert werden und gilt somit als Bestandteil eines auto-regulatorischen Kreislaufes, der essenziell für eine korrekte Ausbildung des Notochords und der AP-Strukturierung ist [97] (siehe Abbildung1, S22). In Maus Embryos ist FGF8b für eine normale „brachyury“-Expression erforderlich [98]. Eine regulatorische Funktion konnte auch für den Wnt/ß-cateinin-„pathway“ nachgewiesen werden (siehe Abbildung1, S.22). So wird weder bei homozygoten Mäusen für eine Wnt3a-Mutation [99] noch bei ß-catenin -/- Maus Embryos [100] eine „brachyury“-Expression während der Gastrulation gemessen bzw. eine Formation des Meso-derms beobachtet und zeigt somit „brachyury“, wie auch die HOX Gene Pax3 und Cdx2 [101], als ein Ziel „downstream“ des Wnt/ß-catenin-„pathways“ [99,102] (siehe Abbildung1, S.22). Eine Inhibition von Wnt-Signalen bei Xenopus durch dominant negative Tcf (DN Xtcf-3)-Mutanten, welche die Expression von Xbra während der frühen Gastrula unterdrückten, bestätigten erneut diese regulatorische Verknüpfung [103].

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Studien an der Promotorregion von Xbra zeigten zudem Elemente auf, welche auf eFGF und Activin Signale dosisabhängig ansprachen, wobei auch Homeodomä-nen identifiziert werden konnten [104,105]. Diese HomeodomäHomeodomä-nen, welche für eine Reihe von HOX Genen affin waren (Goosecoid, Mix.1, Xotx2), zeigen eine repressive Funktion für die Xbra-Expression auf [104] (siehe Abbildung1, S.22). Ein Zusammen-spiel von Xbra mit dem „bone morphogenetic protein“ BMP4 definiert eine Expressi-onsdomäne, welche für die initiale Aktivierung einer Serie von HOX Genen der para-logen Gruppe 1-9 im Mesoderm verantwortlich ist [106] (siehe Abbildung1, S.22).

Interzelluläre Signalwege via Nodal, einem Mitglied der TGF Familie, spielen eben-falls eine große Rolle in der mesoendodermalen Spezifikation und Strukturierung bei Embryos von Vertebraten [107]. Die Expression von Nodal wiederum wird neben Lef-ty/Antivin von „brachyury“ unter kooperativ zellautonomer und nicht-zellautonomer Weise reguliert [108]. Neuste Studien mit humanen Stammzellen zeigten ebenfalls, dass die „brachyury“-Expression von kooperativen BMP4 und FGF2 Signalen indu-ziert wird und dass „brachyury“ die Expression von dem HOX Gen „caudal type homeobox 2“ (Cdx2) reguliert [109].

Zusammenfassend ist für die „brachyury“-Regulation festzustellen, dass sehr komplex miteinander interagierende regulatorische Gennetzwerke „upstream“ wie

„downstream“ zu „brachyury“ bei den Vertebraten existieren, deren Protagonisten neben weiteren T-box Genen (z.B. Eomes, VegT [84,110], Tbx6 oder Tbx16 [111]) vor allem die Wnt/ß-catenin-, TGF-ß (BMP/Nodal/Activin)- und FGF-„pathways“ so-wie diverse HOX Gene (z.B. Cdx2, Pax3) als auch andere Transkriptionsfaktoren sind (siehe Abbildung1, S.22). Diese spielen insgesamt eine fundamentale Rolle für die rostro-caudale Strukturierung in der Etablierung der AP-Körperachse durch die Spezifikation des Mesoderms der Embryonen und zwar nicht nur innerhalb der Ver-tebraten, sondern im gesamten Reich der Metazoa [49].

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Abbildung1. Schematischer Überblick eines regulatorischen „brachyury“-Gennetzwerks bei den Vertebraten auf Grundlage der Spezies Maus, Zebrabärbling und Xenopus. Genfamilien mit involvierten Mitgliedern sind in rot, „pathways“ in grün ausgefüllten Kästen dargestellt. Umrandete Kästen sind Signaltransduktoren, welche in vivo in der Zellmembran lokalisiert sind. Nominell sind die Mitglieder zu den Gen-familien im Kapitel 2.2.2. Funktion und Regulation innerhalb der Vertebraten benannt und beschrieben.

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