Patienten mit permanentem Vorhofflimmern ohne schwere Symptome können mittels einer weniger strikten frequenzregulierenden Behandlung (Ziel-Herzfrequenz
< 110/min in Ruhe) behandelt werden. Eine strikte Frequenzregulierung (Ruhe- Herzfrequenz < 80/min und kontrollierter Anstieg der Frequenz bei mäßiger Belastung) ist nur bei Patienten notwendig, die symptomatisch bleiben (Abb. 8).
Abbildung 8: Optimaler Grad der Frequenzregulierung
Ruhe-Herzfrequenz < 110/min
keine oder wenig Symptome
weniger strikte Frequenz- regulierung akzeptieren
Symptome strengere Einstellung der Herzfrequenz
Belastungstest wenn die Herzfrequenz unter Belastung deutlich ansteigt
24-Stunden- Langzeit-EKG zur Prüfung der Sicherheit
Abbildung 9: Frequenzregulierende Behandlung: Auswahl der Medikamente nach Lebensstil und Grunderkrankung
COPD = chronisch-obstruktive Lungenerkrankung
* Bei COPD können niedrige Dosen ß1-selektiver Betablocker eingesetzt werden, wenn mit nicht-Dihy-dropyridin-Kalziumantagonisten und Digoxin keine adäquate Frequenzregulierung erreicht wird.
Auch Amiodaron wird zur Frequenzregulierung bei Patienten benutzt, die auf Herzglykoside, Betablocker oder nicht-Dihydropyridin-Kalziumantagonisten nicht ansprechen.
Vorhofflimmern
geruhsamer,
belastungs-armer Lebensstil aktive Teilnahme
am Leben
Begleiterkrankungen
keine oder Hypertonie
Betablocker Diltiazem Verapamil Digitalis Betablocker
Diltiazem Verapamil Digitalis
COPD
Diltiazem Verapamil
Digitalis ß1-selektive Betablocker*
Herzinsuffizienz
Betablocker Digitalis
35 Tabelle 8: Medikamente zur Frequenzregulierung
i.v. Verabreichung übliche orale Erhaltungsdosis Betablocker
Metoprolol CR/XL 2,5-5,0 mg als Bolus über
2 Minuten; bis zu 3× 100-200 mg 1× täglich (ER*)
Bisoprolol nicht verfügbar 2,5-10,0 mg 1× täglich
Atenolol nicht verfügbar 25-100 mg 1× täglich
Esmolol 50-200 µg/kg/min nicht verfügbar
Propranolol 0,15 mg/kg über 1 Minute 10-40 mg 3× täglich
Carvedilol nicht verfügbar 3,125-25 mg 2× täglich
Kalziumantagonisten (Nicht-Dihydropyridin-Typ)
Verapamil 0,0375-0,15 mg/kg über 2 Minuten 40 mg 2× täglich bis 360 mg (ER*) 1× täglich (1)
Diltiazem nicht verfügbar 60 mg 3× täglich bis 360 mg (ER*)
1× täglich Digitalisglykoside
Digoxin 0,5-1,0 mg 0,125-0,5 mg 1× täglich
Digitoxin 0,4-0,6 mg 0,05-0,1 mg 1× täglich
Andere
Amiodaron 5 mg/kg in 1 Stunde, dann 50 mg/h 100-200 mg 1× täglich
Dronedaron† nicht verfügbar 400 mg 2× täglich
*ER = extended release-Formulierung; † = nur bei Patienten mit nicht-permanentem Vorhofflimmern (1) Höhere Dosierungen können in Einzelfällen sinnvoll sein und werden in Deutschland seit
langem angewandt.
Empfehlungen für die akute Frequenzregulierung
Empfehlung
Empf.-grad Evidenz-grad In der Akutsituation wird die intravenöse Gabe von Betablockern oder Nicht-
Dihydropyridin-Kalziumantagonisten bei Patienten ohne Präexzitation empfohlen, um die Kammerfrequenz bei Vorhofflimmern zu verlangsamen – mit entsprechender Vorsicht bei Patienten mit Hypotension oder Herzinsuffizienz.
I A
In der Akutsituation wird die intravenöse Gabe von Digitalis oder Amiodaron bei Patienten mit begleitender Herzinsuffizienz oder Hypotension empfohlen, um die Kammerfrequenz bei Vorhofflimmern zu verlangsamen.
I B
Bei Präexzitation sind die bevorzugten Medikamente Klasse I-Antiarrhythmika
oder Amiodaron. I C
Bei präexzitiertem Vorhofflimmern sind Betablocker,
Nicht-Dihydropyridin-Kalziumantagonisten, Digoxin und Adenosin kontraindiziert. III C
Empfehlungen für die chronische Frequenzregulierung
Empfehlung
Empf.-grad Evidenz-grad Eine medikamentöse Frequenzregulierung (Betablocker,
Nicht-Dihydropyridin-Kalziumantagonisten, Digitalis oder Kombinationen dieser Medikamente) wird empfohlen bei Patienten mit paroxysmalem, persistierendem und permanentem Vorhofflimmern. Die Auswahl der Medikation sollte individualisiert und die Dosierung so angepasst werden, dass Bradykardien vermieden werden.
I B
Bei Patienten mit Belastungs-assoziierten Vorhofflimmer-Symptomen sollte die adäquate Frequenzregulierung während Belastung überprüft und die Therapie so adjustiert werden, dass eine physiologische chronotrope Antwort erzielt und eine Bradykardie vermieden wird.
I C
Bei Patienten mit präexzitiert übergeleitetem Vorhofflimmern oder mit Präexzitation und früherem Vorhofflimmern sind die für die Frequenzregulierung bevorzugten Medikamente Propafenon und Amiodaron.
I C
37
AV-Knotenablation
Die AV-Knotenablation ist ein sehr effektives Verfahren zur Frequenzregulierung. Die Methode ist palliativ und sollte nur bei Patienten Anwendung finden, bei denen eine rhythmuserhaltende Behandlung nicht indiziert ist und Behandlungsversuche mit Medikamenten zur Frequenzregulierung nicht ausreichend effektiv waren. Deshalb ist die AV-Knotenablation ein zwar wirksames, aber selten indiziertes Therapieverfahren.
Empfehlungen für die chronische Frequenzregulierung (Fortsetzung)
Empfehlung
Empf.-grad Evidenz-grad Es sollte erwogen werden, eine Frequenzregulierung mit Dronedaron bei
nicht-permanentem Vorhofflimmern durchzuführen, außer bei Patienten mit Herzinsuffizienz im Stadium NYHA III/IV oder bei instabiler Herzinsuffizienz (1).
IIa B
Digoxin sollte erwogen werden zur Frequenzregulierung bei Patienten mit
Herzinsuffizienz und linksventrikulärer Dysfunktion und bei inaktiven Patienten. IIa C Eine Frequenzregulierung kann mittels Amiodaron erreicht werden, wenn
andere Maßnahmen ineffektiv oder kontraindiziert sind.
IIb C
Digitalis sollte bei Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern nicht als alleiniges Medikament zur Frequenzregulierung verwendet werden.
III B
Behandlungsempfehlungen zur AV-Knotenablation bei Vorhofflimmern
Empfehlung
Empf.-grad Evidenz-grad Eine Ablation des AV-Knotens sollte zur frequenzregulierenden Behandlung von
Vorhofflimmern bei Patienten mit nicht ausreichend effektiver medikamentöser Frequenzregulierung erwogen werden, bei denen eine medikamentös-anti-arrhythmische Behandlung nicht indiziert oder nicht effektiv ist und die keine Indikation zur Katheterablation oder chirurgischen Ablation aufweisen.
IIa B
Eine Ablation des AV-Knotens sollte zur frequenzregulierenden Behandlung von Vorhofflimmern bei Patienten mit permanentem Vorhofflimmern und einer Indikation zur biventrikulären Stimulation (NYHA ≥ III, LVEF ≤ 35% und QRS ≥ 130 ms) erwogen werden.
IIa B
(1) Aufgrund des vorzeitigen Abbruchs der PALLAS-Studie und weiterer neuer Daten hat die European Medicines Agency im September 2011 empfohlen, die Anwendung von Dronedaron auf Patienten ohne Herzinsuffizienz zu beschränken, solange diese im Sinusrhythmus sind.
Bei Vorhofflimmer-Rezidiven sollte ein Absetzen von Dronedaron erwogen werden.
Behandlungsempfehlungen zur AV-Knotenablation bei Vorhofflimmern (Forts.)
Empfehlung
Empf.-grad Evidenz-grad Eine Ablation des AV-Knotens sollte zur frequenzregulierenden Behandlung von
Vorhofflimmern bei Patienten mit unzureichender biventrikulärer Stimulation erwogen werden, bei denen Amiodaron nicht effektiv oder kontraindiziert ist.
IIa C
Bei Patienten mit jeglicher Art von Vorhofflimmern und hochgradig einge-schränkter linksventrikulärer Funktion (EF ≤ 35%) und schwerer Herzinsuffizienz (NYHA III / IV) sollte nach der AV-Knotenablation eine biventrikuläre Stimulation erwogen werden.
IIa C
Eine Ablation des AV-Knotens kann zur frequenzregulierenden Behandlung von Vorhofflimmern bei Patienten mit Tachykardiomyopathie bei nicht ausreichend effektiver medikamentöser Frequenzregulierung erwogen werden, wenn diese keine Indikation zur Vorhofflimmer-Ablation aufweisen.
IIb C
Eine Ablation des AV-Knotens kann erwogen werden zur frequenzregulierenden Behandlung von Vorhofflimmern bei Patienten mit permanentem Vorhof-flimmern, geplanter biventrikulärer Stimulation (NYHA I / II, LVEF ≤ 35%) ohne ausreichende oder mit nicht tolerierter medikamentöser Frequenzregulierung erwogen werden.
IIb C
Eine Ablation des AV-Knotens sollte nicht durchgeführt werden zur frequenz-regulierenden Behandlung von Vorhofflimmern bei Patienten ohne Versuch der medikamentös antiarrhythmischen oder frequenzregulierenden Behandlung und ohne Prüfung der Indikation zur Ablation.
III C
Behandlungsempfehlungen zur Schrittmacherimplantation nach AV-Knotenablation
Empfehlung
Empf.-grad Evidenz-grad Bei Patienten mit jeglicher Art von Vorhofflimmern, mittelgradig eingeschränk-
ter linksventrikulärer Funktion (EF ≤ 45%) und moderater Herzinsuffizienz (NYHA II) kann nach AV-Knotenablation die Implantation eines Schrittmachers erwogen werden.
IIb C
EF = Ejektionsfraktion; LVEF = linksventrikuläre Ejektionsfraktion
39