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Die als ,,freimaurerisch gekennzeichneten Themen und Motive“ gehen zum großen Teil auf alte Traditionen (AT, NT, Mystik, Kabbala) zurück und zählen ״zum Gemeingut

Im Dokument Freimaurertum bei Puškin (Seite 64-67)

der europäischen Literatur des Mittelalters und der Neuzeit“. Nach LAUER (1979) ist daher eine Isolierung der ״Freimaurerdichtung“ für den Gesamtbereich der Literatur in

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den europäischen Kulturzonen und somit auch in Rußland kaum möglich. Außere Kennzeichnungen der Freimaurerdichtung als ״Weltbürgertum, Toleranz und aktive Menschenliebe, häufig mit mysteriösem Einschlag“, nehmen sich zu allgemein aus, als daß sie allein für die Literatur der Freimaurerei stehen könnten.23* Noch schwieriger ist es, wenn eine kuläsch-logeninteme Funktion des Werkes als gesichert ausgeschlossen wer- den kann, historisch aber gesichert ist, daß der Dichter aktives Mitglied des Bundes war und der Text eine entsprechende Thematik enthält.

Unbezweifelbare Gebrauchstexte der Logen können somit allein zur Freimaurerlitera- tur gezählt werden. Das gilt vor allem für Lieder, Hymnen, Kettenlieder und ״Sprüche, Geleit- und Wandersprüche, Tafellieder, Trauergesänge, Leitsprüche (Prologe),

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die nach LAUER (1979) aufs engste mit der Geselligkeit und den Ritualen der Logen ver-bunden sind. Zu den genuin poetischen Gattungen des Prosabereichs einer Freimaurer-dichtung gehört die Rede, das erbauliche Traktat und die allegorische Erzählung. Die Identifizierung von Liedern und Spruchtexten nach ihrer kultischen Funktion sind für Lauer nicht so problematisch wie ihre Einstufung nach ideologischen Gesichtspunkten.

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LAUER, R.: Russische Freimaurerdichtung im 18. Jahrhundert, in: BÁLAZS, E. НУ(...): Befar- derer der Aufklärung in Osteuropa (1979), 271-91.

257 LAUER (1979), 272.

** WILPERT (1979), 284; LAUER (1979), 272.

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LENNHOFF/POSNER (1932), 365.

*° LAUER (1979), 272.

» \Mit der Verbreitung der freimaurerischen Liedsammlungen 1□ Westeuropa erschienen bereits aucfc in Rußland freimaurerische Sammelbände. Siebzig russische Freimaurer!ieder, datiert auf die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, sind aus sieben Sammelbänden zusammengetragen bei: POZDNEEV, A. V.:Markus Wolf - 9783954790715

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______KAP. IV Freimaurerisches Ideengut Aspekte der Freimaurerdichtung (13.) 65 Das gelte für andere europäische Kulturzonen wie auch für Rußland, da auch doit das ganze theologische Spektrum der Freimaurer (vom rationalistischen Deismus über die christliche Lehrart des Schwedischen Systems bis zur Theosophie der Rosenkreuzer) re- zipiert worden sei.*2

Mit LAUER (1979) wären die von POZDEEV (1962) nach thematischen Gesichts- punkten vorgestellten russischen Freimaurer-Liedtexte des 18. Jahrhunderts den freimau- rerisehen Tugenden und Bildvorstellungen der verkörperten wie nichtverkörperten frei- maurerischen Symbolik zuzuordnen. Es ist BAEHRS (1976) Ansicht, daß die Vorstel- lung von der Wiederherstellung des Goldenen Zeitalters in der Loge zu den Gnindposi- tionen einer ״Freimaurerideologie“ gehört2“ habe und nur ein Indiz für Freimaurerdich- tung sein kann. Die Schwierigkeit bestehe nämlich darin, daß das lückenlos freimau- rerisch interpretierte Textvokabular sich ebensogut auch auf andere Lebenssituationen be- ziehen lasse. Eine thematische Eingrenzung vor allem der russischen ״Freimaurerdich- tung“ (Lyrik) sei nicht möglich.“5

Auch eine für die deutsche Freimaurerlyrik des 18. Jahrhunderts unternommene Un- tersuchung kommt zu dem Ergebnis, daß der Wortschatz der Freimaurer in keiner Weise originär sei. Zwar sei im Bereich des ״Mauems am Tempel der Menschheit“ - faßbar in den Termini des ״rohen“ und ״rauhen“ Steines des Lehrlings, der zum ״behauenen“ oder

Rannye masońskie pesili, in: Scando-Slavica 8 (1962), 32ff.

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LAUER (1979), 273-75. Als die wichtigsten literarischen Konzentrationspunkte der Freimaurer- dichtung in Rußland (des 18. Jahrhunderts) sieht Lauer in dem Cheraskov-Kreis, die Journale Novikovs im Zeitraum 1777-1785, das Freimaurermagazin «Magazin svobodno-kamenščiče&kij » (1784) und die von Pozdneev beschriebenen handschriftlichen Liedsammlungen.

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BAEHR, S. L.: The Masonic Component in Eighteenth-Century Russian Literature. A Collection of Essays, in: CROSS, A. G.: Russian Literature in the Age of Catherine the Great, Oxford 1976, 121- 39, hier 123. BAEHR, S. L.: Freemasonry in Russian Literature: Eighteenth Century, in: The Modem Encyclopedia of Russian and Soviet Literatures 8 (1987), 28*36. Baehr favorisiert für die Literatur des 18. Jahrhunderts die freimaureri sehen Komponenten: Die Wiederholung der Inschrift des Orakels von Delphi: ״ Erkenne Dich selbst“ («ГѵшѲі oeavtóv»X der rituelle Tod mit symbolischer Wiedergeburt so- wie die symbolische Reise gen Osten. Als Reaktion auf den starken fieimaurerischen Einfluß glaubt Baehr eine antimaurerische und sogar eine anti-antimaiaerische Bewegung im russischen 18. Jahrhundert ausmachen zu können. (29-35)

LAUER (1979), 276/9. Diese seien vor allem die Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, Armenhilfe, Schutz der Unglücklichen, Bescheidenheit und Verachtung der Eitelkeit, Brüderlichkeit und Gleichheit (POZDNEEV (1962), 40). Ebenso seien die ״spezifischen Bilder und Symbole**, die aus dem methodi- sehen Teil bekannt sind, verzeichnet: Dreifaches Licht, dreimaliges Klopfen und Schießen, die sieben Stufen, Dreieck und Richtblei, die Kette der geflochtenen Hände oder Herzen, Salomos Tempel, der Thron der Wahrheit, das Auseinanderziehen des Vorhanges (als Entdeckung des Geheimnisses), Sonnen- strahl und Licht aus dem Osten, Erhellen und Verdunkeln, das Überschreiten der Schwelle u.s.w. (siehe Kap. II, 3/4)

* 5 LAUER (1979), 276Л9.

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ANTONI, О.: Der Wortschatz der deutschen Freimaurer-Lyrik des 18. Jahrhunderts in seiner gei- stesgeschichtlichen Bedeutung, München (Diss.) 1968,459. Markus Wolf - 9783954790715

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66 KAP. IV Freimaurerisches Ideengut Aspekte der Freimaurerdichtung (13.)

״kubischen“ des Gesellen geformt werden soll - eine Eigenleistung der Freimaurer zu er- kennen; dennoch sei gerade dieses Wortfeld in der allgemeinen Sprachgeschichte ohne Nachwirkung geblieben. Auch könne die Metaphorik des ״Stirb-und-Werde-Gedankens“

und der ״Wortschatz des aufklärerischen Erziehungs- und Bildungsideals“ eine Freimau-rerlyrik im Rahmen des 18. Jahrhunderts nicht zureichend charakterisieren.

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Dennoch gelten für LAUER (1979) bestimmte Antithesen, die sich aus dem dualistischen Denken * der Freimaurer ableiten lassen, als ein ״unmittelbar motiviertes Verfahren“ der unter- suchten Freimaurerlyrik. Folgende stereotype Gegensatzpaare finden sich darin in signi- fikanter Häufigkeit: Licht-Finsternis, Freiheit-Gefangenschaft, Hölle-Paradies, Gift-Süße, Leben-Tod, Zar-Sklave, Bruder-Feind, Verstand-Seele, arm-reich, Geist-Körper, Geist- Fleisch, Vernunft-Natur, Stadt-Land, Freundschaft-Liebe, Glaube-Wissenschaft, gute Tat-Verbrechen u.a.

Ebenda, 459. Das gilt auch für die ״Logengedichte** Goethes, die zu den wenigen Werken emer

■icht nur unter Freimaurern bekannten Lyrik gehören. In den meisten Gedichtsammlungen und Überset•

zungen wurden sie unter dem Titel ..Loge“ zusammengefaßt. Vollständig verzeichnet sind seine Logen- gedichte bei: LENNHOFF/POSNER (1932), 365. 618/619.

** LAUER (1979), 288/291.

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КАР. ГУ Freimaurerisches Ideengut Literatur mit Geheimbund-Allusionen (14.) 67

14. Literatur mit Geheimbund-Allusionen

Angesichts der Schwierigkeiten, die sich aus der stilistisch nur unzureichend typisierba-

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