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Freges Beweis der extensionalen Definitheit der Sprache ©

Im Dokument Gottlob Frege (Seite 133-139)

7 Grundgesetze der Arithmetik

7.3 Freges Beweis der extensionalen Definitheit der Sprache ©

In § 31 f. G G A I will Frege zeigen, daß allen Termen der Sprache (5 durch die semantischen Festlegungen eine und nur eine Extension zugeordnet wird, wir sprechen in diesem Sinn von einer extensionalen Definitheit von (51 4. Anlaß dazu ist die Definitionslehre im § 3 3 : Frege gibt dort solche Bedingungen für Definitionen an, daß der definierte Ausdruck immer dann eine wohlbestimmte BedeutungF

1 4 Frege behauptet sogar, jedem Satz (d. h. jedem Wahrheitswertnamen) sei ein wohlbestimmter Sinn zugeordnet, denn für jeden Satz seien Wahr-heitsbedingungen festgelegt und der Sinn eines Satzes sei, daß diese Bedingungen erfüllt sind (vgl. G G A I , S. 50).

hat, wenn das für den definierenden Ausdruck gilt. So will er zeigen, d a ß auch die Grundausdrücke von (5, mit denen definiert wird, bedeutungsvoll sind. Daneben spielte aber wohl auch das Problem eine Rolle, das Frege selbst in den Wertverlaufsnamen sah: Sind diese Namen im Kontext seiner Logik, d. h. durch das Grundgesetz AV, ausreichend bestimmt?1 5 Hier sah er ein Problem, und so war auch seine erste Reaktion auf die Antinomien, den Beweis im § 31 anzuzweifeln (vgl. den Brief an B. Russell vom 22. 6.1902, N , S. 213).

Die Bedeutsamkeit dieses Beweises — oder besser: Beweis Versuches

— ergibt sich daraus, d a ß er die Grundlage für einen Nachweis der semantischen Widerspruchsfreiheit des Kalküls 05 auf dem üblichen Weg bilden würde. Aus der Widersprüchlichkeit dieses Kalküls und der Tatsache, d a ß alle beweisbaren Terme Namen des Wahren sind, ergibt sich daher umgekehrt schon, d a ß der Beweisversuch nicht korrekt sein kann.

Heute würde man einen solchen Beweis als Induktionsbeweis auf-bauen. D a die Terme von (5 induktiv nach ihrer Länge definiert werden, hätte man von einer Interpretation auszugehen, die den kürzesten Termen, den Konstanten, eindeutig Extensionen zuordnen und dann zu zeigen, d a ß komplexen Termen durch die einschlägigen semantischen Regeln eindeutig eine Extension zugeordnet wird, wenn das für alle kürzeren Terme der Fall ist. W i r haben jedoch schon gesehen, d a ß dieses Vorgehen im Fall der Klassenlogik versagt, weil hier semantische Regeln den Termen nicht immer Extensionen nur in Abhängigkeit von jenen kürzerer Terme zuordnen. So setzt man z. B. V (seXxA [x]) = V(A[s]). Dann ist aber z. B. für s = XxA[x] und A[x] = -n(xex) der Ausdruck A[s], d. h. —ises, länger als der Aus-druck sekxA [x], d. h. ses.

Frege geht nicht induktiv vor. Er gibt zunächst Kriterien dafür an, wann ein Term bedeutungsvoll ist:

„Ein Name einer Funktion erster Stufe mit einem Argument hat dann eine Bedeutung (bedeutet etwas, ist bedeutungsvoll), wenn der Eigenname, der

1 5 Schon in SB sagt Frege: „Von einer logisch vollkommenen Sprache (Begriffsschrift) ist zu verlangen, daß jeder Ausdruck, der aus schon eingeführten Zeichen in grammatisch richtiger Weise als Eigenname ge-bildet ist, auch in der Tat einen Gegenstand bezeichne, und daß kein Zeichen als Eigenname neu eingeführt werde, ohne daß ihm eine Bedeu-tung gesichert sei". (KS, S. 155.)

aus diesem Funktionsnamen dadurch entsteht, daß die Argumentstellen mit einem Eigennamen ausgefüllt werden, immer dann eine Bedeutung hat, wenn dieser eingesetzte Name etwas bedeutet. Ein Eigenname hat eine Bedeutung, wenn der Eigenname immer eine Bedeutung hat, der dadurch entsteht, daß jener die Argumentstellen eines bedeutungsvollen Namens einer Funktion erster Stufe mit einem Argument ausfüllt, und wenn der Name einer Funktion erster Stufe mit einem Argument immer eine Bedeutung hat, der dadurch entsteht, daß der zu prüfende Eigenname die ^-Argumentstellen eines be-deutungsvollen Namens einer Funktion erster Stufe mit zwei Argumenten ausfüllt, und wenn dasselbe auch für die ^-Argumentstellen gilt. Ein Name einer Funktion erster Stufe mit zwei Argumenten hat dann eine Bedeutung, wenn der Eigenname immer eine Bedeutung hat, der aus diesem Funktions-namen dadurch entsteht, d a ß die ^-Argumentstellen mit einem bedeutungs-vollen Eigennamen und d a ß auch die ^-Argumentstellen mit einem bedeu-tungsvollen Eigennamen ausgefüllt werden. Ein Name einer Funktion zweiter Stufe mit einem Argumente zweiter Art hat eine Bedeutung, wenn allgemein daraus, daß der Name einer Funktion erster Stufe mit einem Argument etwas bedeute, folgt, d a ß der durch seine Einsetzung in die Argumentstellen unserer Funktion zweiter Stufe entstehende Eigenname eine Bedeutung habe". ( G G A I , S. 45 f.)

Diese vier Kriterien sind natürlich zirkulär, wenn sie die einzigen Kriterien für BedeutungshaltigkeitF sind und man nicht z. B. von gewissen Namen ausgehen kann, die bereits nach anderen Kriterien als bedeutungsvoll ausgewiesen sind. Bei Frege sind diese Kriterien zunächst auch nur für die Erweiterung einer Menge von bedeutungsvollen,, Termen gedacht ( G G A I , S. 46). Danach kann man z. B. ein einstelliges Prädikat zu einer Sprache L hinzunehmen, wenn es für alle Namen von L erklärt ist, und man kann einen Namen zu L hinzunehmen, wenn die Prädikate für ihn erklärt sind.

Aus Freges Kriterien folgt, d a ß jeder aus bedeutungsvolle^ Termen nach einer der beiden folgenden Regeln gebildete Term bedeutungsvollF ist:

a) Einsetzung von Termen in andere für eine freie Variable der entsprechenden Kategorie.

b) Ersetzung eines Terms durch eine freie Variable der entsprechen-den Kategorie ( G G A I , 46 f.).

Das sind aber Freges syntaktische Regeln.

Freges Beweis läuft nun so:

1) Die Namen von Wahrheitswerten seien bedeutungsvoll.

2) Die Ausdrücke — — i ^ , £ = x^ haben, angewendet auf Wahrheitswertnamen nach den von Frege angegebenen Wahr-heitsbedingungen eine wohlbestimmte BedeutungF. (xa bezeich-net für Wahrheitswertnamen a dasselbe wie a.)

3) Die Ausdrücke A x A [ x ] haben, in Anwendung auf Funktions-ausdrücke, die sich nach (2) bilden lassen, eine BedeutungF. Frege m u ß hier die Festsetzung verwenden, d a ß A x A [x] wahr ist genau dann, wenn A [a] für alle Einsetzungen bedeutungsvolle^ Namen a wahr ist1 6. Das ist hier zunächst unproblematisch, da der Ob-jektbereich vorläufig nur aus der Menge {w, f} besteht, und es

Namen für diese beiden Objekte gibt.

4) Ebenso für Mx (A [x]).

5) M i t coxA[x] werden nun neue Eigennamen eingeführt. Frege argumentiert so: coxA[x] = a)xB[x] bedeutetF dasselbe wie

A x ( A [ x ] = B[x]). Diese Ausdrücke sind aber bereits nach (3) als bedeutungsvoll erkannt, wo A[£] und B[^] nach (2), (3) gebildet sind. Wegen w = cox( — x ) , / = cox(x=~i A y ( y = y)) haben alle Sätze der Gestalt s = t diese F o r m . Sie sind also alle bedeutungsvoll. N u n gilt — x = ( x = ( x = x)), also ist auch

— coxF(x) immer bedeutungsvoll. U n d ~ns, s=>t sind immer bedeutungsvoll^ wenn das für — s, — t gilt. Also sind nach dem Kriterium für Eigennamen die Ausdrücke (oxA[x] immer bedeutungsvoll^ wenn das für A[£] gilt. Daher darf man den Kreis der bedeutungsvollen*. Ausdrücke um die der Gestalt coxA [x] erweitern, und auch die Funktionsausdrücke coxF (x) sind bedeutungsvoll, wo F eine freie Variable der Kategorie (0) ist.

6) xs bedeutetF nach der semantischen Festlegung s, wenn s kein Name für den Wertverlauf einer Funktion x = t ist, sonst t. Ist also s bedeutungsvoll, so auch xs. Auch der Funktionsausdruck xa ist also bedeutungsvollF, wo a eine freie Gegenstandsvariable ist.

Frege meint, damit sei gezeigt, d a ß alle logischen Grundzeichen eine BedeutungF haben und alle mit ihnen rechtmäßig zusammengesetzten Terme von CD. Zur Kritik ist aber folgendes zu bemerken:

1 6 Vgl. dazu die Bemerkungen in 3.3.

Z u (1): Jeder Name hat als Name einen Bezug (von sinnvollen aber bedeutungslosem Namen können wir hier absehen). Vorausset-zung kann also nicht sein, d a ß jeder Ausdruck, der einen Wahrheits-wert bezeichnet, ein bedeutungsvolle^ Name ist. Frege m u ß also von zwei einfachen objektsprachlichen Namen, z. B. von Konstanten w und / , für die Wahrheitswerte ausgehen.

Z u (5): Nach (1) kann man dann nicht die Wahrheit der Sätze w = cox( —x) u n d / = cox(x=—i A y ( y = y)) postulieren wie in D7 und D8. Möglich wäre allein die zusätzliche Festlegung, d a ß die Sätze coxA[x] = vv und coxA[x]=/ falsch sind. Das Hauptproblem von (5) besteht aber darin, d a ß die BedeutungF von A x ( G x = Fx) nach (3) von der BedeutungF von G(coxG(x)), G(coxF(x)), F (coxG (x)) und F (coxF (x)) abhängt. Die Erweiterung der Sprache um die Wertverlaufsterme stellt also die BedeutungF der in (2) und (3) behandelten Funktionsausdrücke wieder in Frage. Setzen wir z . B . G ( x ) — x = coxF(x), so hängt die BedeutungF von coxG(x) = coxF(x) ab von der BedeutungF von A x ( G x = Fx), diese aber von jener von G (coxG (x)) = F (ooxGx), also von der BedeutungF von G (coxG (x)), d. h. von jener von coxG (x) = coxF (x). Solche mög-lichen Zirkularitäten machen Freges Beweis ungültig. D a ß dabei sogar Widersprüche auftreten können, zeigt der Fall: G ( x ) — Vf(x = coyf(y) A —if(x)). Es ist dann

G((oxG(x)) = Vf((oxG(x) = coyf(y) A "if(coxG(x)))

= coxG (x) = coyG (y) A —iG(coxG(x))

= ~n G (coxG (x)).

Ein Beweis der semantischen Definitheit müßte wie gesagt induktiv geführt werden und das gelingt in der Wertverlaufslogik ebensowenig wie in der Klassenlogik.

Freges Argumentation weist auf sein Kontextprinzip in den G L A zurück (vgl. dazu 5.2). Dort hatte sich ihm das Problem der Einfüh-rung abstrakter Gegenstände gestellt, und sein Gedanke war: Die Rede von abstrakten Objekten der Art K ist gerechtfertigt, wenn es gelingt, kohärente Wahrheitsbedingungen für Sätze mit K-Termen anzugeben. Eine konsistente (und hinreichend detaillierte) Sprache mit K-Termen legitimiert es also, diesen Termen einen Bezug zuzu-sprechen, insbesondere dann, wenn sich diese Sprache in die normale (ohne K-Terme) integrieren läßt und sich für gewisse Zwecke als

nützlich erweist1 7. Die Idee, die Annahme von Wertverläufen oder Klassen dadurch zu rechtfertigen, d a ß sich eine kohärente Sprache über sie angeben läßt, wäre auch sicher stichhaltig, wenn diese Sprache tatsächlich konsistent wäre. Die Konsistenz ist das Problem der Rede über Klassen und Wertverläufe, nicht die Schwierigkeit, die Frege sah, d a ß nicht alle Begriffe oder Funktionen für diese Objekte erklärt sind, d a ß also z . B . „Julius Caesar = (ÖX(X4=X)"

nach dem Grundgesetz V nicht erklärt ist.

1 7 Das ist ein ähnlicher Gedanke wie jener, mit dem man heute oft eine realistische Deutung theoretischer Terme rechtfertigt: Sie erweisen sich über die Theorien, in denen sie vorkommen, als nützlich für die Syste-matisierung, Erklärung und Prognose von Beobachtungsaussagen und zwar auch in Fällen, zu deren Systematisierung sie nicht eingeführt worden sind. Das läßt sich am besten mit der Annahme verstehen, daß ihnen tatsächlich etwas Reales entspricht.

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