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4 MATERIAL UND METHODEN

4.2 Konstruktion und Aufbau des Fragebogens

4.2.1 Fragebogenkonstruktion

Es war die Aufgabe des Projekts, zur Identifizierung derjenigen psychischen, sozialen und medizinischen Bedingungen, die den Verlauf und das Ergebnis der Schwangerschaft sa-luto- oder pathogenetisch beeinflussen können, beizutragen.

Für die schriftliche Befragung bedurfte es dazu einer Auswahl der zu integrierenden medizinischen und psychosozialen Risiko- respektive Ressourcenkonfigurationen. Sie wurde aus zwei unterschiedlichen Perspektiven getroffen. Zum einen wurden Literatur-recherchen in Soziologie, Psychologie und Gynäkologie und Geburtshilfe durchgeführt und die Ergebnisse mit den eigenen Voruntersuchungen zusammengeführt. Zum zweiten wurden aus Standardisierungs- und Auswertungsgründen (Gewichtung und Hochrechnung) zugängliche Erhebungsinstrumente geprüft und, wenn möglich, die Kategorien bis hin zu den einzelnen Formulierungen und Ausprägungen übernommen.

Die Aufnahme medizinischer Parameter in unserem Fragebogen erfolgte im Wesent-lichen aus zwei Gründen. Zum einen ist der Einfluss bestimmter präexistenter Erkrankun-gen (wie z.B. Diabetes und Hypertonus) als Risikofaktor in der Literatur häufig beschrie-ben worden (ARIAS 1994, DUDENHAUSEN/ SCHNEIDER 1994, SALING et al. 1995, KÜNZEL 1995). Zum anderen fanden eigene Studien (KLOSS/ WELLNITZ 1991) Hin-weise dazu, dass Frauen, die außerhalb der Schwangerschaft auf Konflikte mit Beschwer-den reagieren, auch in der Schwangerschaft bei Problemen zum Somatisieren neigen.

Dementsprechend wurden vor allem solche Erkrankungen/Beschwerden erfragt, die ent-weder ein höheres medizinisches Risiko für die Schwangerschaft darstellen, oder für deren Genese eine starke psychosomatische Beteiligung belegt ist (BRÄUTIGAM/ CHRISTIAN 1986, RICHTER/ STAUBER 1990).

Zahlreiche Studien haben bestätigt, dass eine geburtshilfliche Anamnese von Fehl-, Früh- und Totgeburten das Risiko von nachfolgenden Schwangerschaftsverlusten, Frühge-burtlichkeit sowie „small for gestational age children (SGA)“ und ein niedriges Geburts-gewicht erhöht (EKWO et al. 1993, KEIRSE et al. 1978).

Unter psychischen und psychosozialen Faktoren, deren Einfluss auf Schwangerschaft und Geburt untersucht wurden, spielen Ängste als Stressoren eine besondere Rolle. Einige Autoren haben darauf hingewiesen, dass vermehrte Ängste in der Gravidität

Komplikatio-1968). Dagegen fanden andere Studien keine (BECK et al. 1980, BURSTEIN et al. 1974) bzw. nur schwache derartige Beziehungen (PERKIN et al. 1993).

Es gibt eine Reihe von Studien, welche für differente Soziallagen ein unterschiedlich hohes Risiko für das Auftreten bestimmter Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen sowie für ein negatives Geburtsergebnis belegen (TEICHMANN/ BREULL 1989). Wei-tere Untersuchungen fanden zudem für einzelne komplikationsrelevante Verhaltensweisen in der Schwangerschaft einen Zusammenhang zum Erwerbsstatus der Schwangeren.

Zur Erfassung sozialer und gesundheitlicher Ungleichheiten wurde ein klassisches Schichtkonstrukt, bestehend aus der schulischen Bildung, der beruflichen Qualifikation, dem Einkommen und dem Erwerbsstatus gewählt. Zur Fixierung herkunftsfamilialer und partnerschafts(in)homogener sozialer Ungleichheiten wurden die Frauen darüber hinaus gebeten, die schulische und berufliche Bildung der Eltern und des Partners anzugeben. Die gesundheitliche Relevanz unterschiedlicher Soziallagen vermittelt sich nicht nur über kor-respondierende sozialisationsbedingte Differenzen im Umgang mit Schwangerschaft und Geburt, sondern auch über das unterschiedliche Ausmaß, in welchem die einzelnen Ein-kommens- bzw. (Erwerbs)-Status-Gruppen von sozialen Belastungen und Problemen be-troffen sind. Angesichts der großen Bedeutung der wirtschaftlichen und sozialen Um-bruchprozesse in den neuen Bundesländern, welche auf der individuellen Ebene in Form drohender Arbeitslosigkeit, beruflicher Desintegration oder als Zwang zu beruflicher Neuorientierung zum Untersuchungszeitpunkt besonders deutlich erfahrbar werden, fan-den Fragen zur Betroffenheit durch berufliche Diskontinuitätserfahrungen sowie zur perzi-pierten längerfristigen Arbeitspatzsicherheit Aufnahme in den Fragebogen.

Auf die besondere Bedeutung von Geborgenheit und Stabilität in der Partnerschaft in der Zeit der Schwangerschaft wird in der Literatur vielfach hingewiesen (BUDDEBERG 1987). Schwerwiegende Konflikte und emotionelle Spannungen bis hin zu Trennungen können deshalb sehr gravierende Folgen für den Schwangerschaftsverlauf haben. Vor allem psychosomatische Beschwerden, Schwangerschaftskomplikationen, wie vorzeitige Wehentätigkeit und erhöhte Geburtsängste werden in diesem Zusammenhang angeführt.

Frauen mit Partnerschaftsproblemen oder ohne feste Partnerbeziehung zeigen dazu häufig auch eine negativere Einstellung zur Schwangerschaft (HANTSCHE et al. 1992, WEISSBACH-RIEGER/ DONATH 1991). Eigene Studien (KLOSS/ WELLNITZ 1991, REUTER 1998) lieferten ebenfalls Belege für einen Zusammenhang zwischen gestörten Partnerbeziehungen und Schwangerschaftskomplikationen, wie z.B. Gestose (bzw. SIH) und drohender Frühgeburt.

Auf den Einfluss der individuellen Lebensgeschichte, insbesondere der Erfahrungen in der Kindheit, auf die Einstellung zur Schwangerschaft und Geburt wurde von verschiede-nen Autoren hingewiesen (BUDDEBERG 1987, TEICHMANN 1987, WIMMER-PUCHINGER 1992). Negative Erinnerungen können frühere Konflikte wieder aktualisie-ren und damit die Auseinandersetzung mit der neuen Lebenssituation „Schwangerschaft“

erschweren (LÄPPLE/ LUKESCH 1988). Im Ergebnis dieser Studien konnten u. a. Kon-flikte in der Herkunftsfamilie, Abhängigkeitsprobleme, spezifische elterliche Beziehungs-muster und eine defiziente Eltern-Kind-Beziehung als Risiken für den Schwangerschafts-verlauf herausgestellt werden. Darüber hinaus wird auch die Rolle der aktuellen Beziehung zu beiden Elternteilen für das Schwangerschaftserleben betont.

Gerade in der Schwangerschaft besteht ein deutlicher gesellschaftlicher Erwartungs-druck an die Frauen, ihr Gesundheitsverhalten positiv auszurichten, was insbesondere für Risikoverhaltensweisen, wie Nikotinkonsum in mehreren Untersuchungen belegt wurde.

Andererseits gibt es eine Vielzahl von Arbeiten zum Zusammenhang zwischen eben diesen risikoreichen Verhaltensweisen und deren Einfluss auf das Geburtsergebnis. Mit dem im Fragebogen erfassten Gesundheitsverhalten wurden sowohl die positiven Veränderungen im Sinne von Ressourcen (Ernährung und sportliche Betätigung) als auch belastende Fak-toren als Risiken (Nikotin-, Alkohol- und Drogenkonsum) berücksichtigt.

Von den Erhebungsinstrumenten, die die Fragebogenkonstruktion wesentlich beein-flusst haben, sind hervorzuheben:

1. Biogramm „Schwangerschaft und Geburt 1990/91“

vom Zentrum für Epidemiologie und Gesundheitsforschung Berlin und Infratest Gesundheitsforschung München

Schwerpunkte: Kindheit und Jugend, Arbeitsplatzsicherheit, berufliche Gesundheitsbelastungen, Gesundheitsverhalten (Ernährung, Alkohol- und Rauchgewohnheiten), Partnerschaft

2. Leben 91

Institut für Soziologie und Sozialpolitik, Empirisch-Methodische Arbeitsgruppe, Berlin Schwerpunkt: Brüche in der Berufsbiographie

3. Sozialgynäkologischer Anamnesebogen „Partnerschaftskonflikte und psychosomatische gynäkologische Erkrankungen“ Abteilung „Soziale Gynäkologie“, Frauenkli-nik der Medizinischen Fakultät (Charité) der Humboldt-Universität Berlin

Schwerpunkte: Partnerschaft (Zufriedenheit, Status, Harmonie, Probleme)

4. ZUMA - Standarddemographie

Schwerpunkt: Sozialstatus, vor allem Schul- und Berufsabschluss, Erwerbsstatus 5. Partnerschaftsfragebogen (PFB) von K. HAHLWEG (1996)

Schwerpunkt: Partnerschaft (Streitverhalten, Kommunikation, Zärtlichkeit)

6. - Berliner Verfahren zur Neurosendiagnostik (BVND) von K.-D. HÄNSGEN (1985) Schwerpunkt: Persönlichkeit

- Trierer Persönlichkeitsfragebogen (TPF) von P. BECKER (1988) Schwerpunkt: Persönlichkeit

- Das Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI) von J. FAHRENBERG, R. HAMPEL und H. SELG (1985)

Schwerpunkt: Persönlichkeit

- Deutsche Personality Research Form (PRF) von H. STUMPF, A. ANGLEITNER, T.

WIECK, D.N. JACKSON und H. BELOCH-TILL (1984) Schwerpunkt: Persönlichkeit

- IPC-Fragebogen zu Kontrollüberzeugungen (IPC) von G. KRAMPEN (1981) Schwerpunkt: Persönlichkeit

- Beschwerdenerfassungsbogen (BEB) von E. KASIELKE und K.D. HÄNSGEN (1985) Schwerpunkt: Persönlichkeit

- Stressverarbeitungsfragebogen (SVF) von W. JANKE, G. ERDMANN und W.

KALLUS (1985)

Schwerpunkt: Stressverarbeitung

Die Fragebogenkonstruktion erfolgte auf der Basis der beschriebenen fachgebietsbezo-genen Literaturrecherchen und 3 eifachgebietsbezo-genen vorangeganfachgebietsbezo-genen Studien mit insgesamt über 1000 Schwangerschaftsverläufen.

Die erste Fassung des Fragebogens wurde im Rahmen eines Pilot-Testes an einer anfal-lenden Stichprobe von 50 Schwangeren erprobt. Untersuchungsorte waren die Schwange-renberatungsstelle der Charité und ausgewählte Praxen niedergelassener Gynäkologen in verschieden Bezirken Ost-Berlins.

Dieser Pre-Test hatte einerseits das Ziel, den Fragebogen hinsichtlich Ansprechbarkeit und Formulierungsklarheit zu überprüfen, andererseits sollten erste Erfahrungen in der praktischen Durchführbarkeit gesammelt werden.

Zeitgleich mit der Erprobung wurden 16 ExpertInnen verschiedener Fachrichtungen (Me-dizin, Psychosomatik, Soziologie, Psychologie, Statistik) zur Begutachtung herangezogen.

Die Diskussion der ExpertInnenhinweise und der Pre-Test Ergebnisse führte zum einen zu einer Erweiterung der Befragung um noch nicht ausreichend berücksichtigte Komplexe (z.B. Persönlichkeitsentwicklung), zum anderen zu Veränderungen in der Antwortform (verstärkte Aufnahme offenere Antwortkategorien), der Antwortskalierung - in Richtung eines überwiegend einheitlichen Antwortmodells - und der Abfolge der Themenkomplexe im Fragebogen. Für die Variablen zu Zufriedenheiten wurden sechsstufige Likertskalen mit Antwortmöglichkeiten zwischen „sehr unzufrieden“ und „sehr zufrieden“ gewählt, für die schwangerschafts- und geburtsbezogenen Einstellungen und Ängste sowie die Persön-lichkeitsvariablen Items in Aussageform, zu denen die Probandinnen auf einer ebenfalls sechsstufigen Likertskala den Grad ihrer Zustimmung oder Ablehnung zwischen „trifft ganz genau zu“ und „trifft überhaupt nicht zu“ angeben konnten. Auch für die übrigen Va-riablen wurde nach Möglichkeit eine sechsstufige Skalierung verwendet.