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Diese Fallstudie untersuchte den mit dem Systemwechsel von der Plan- zur Marktwirtschaft ausgelösten Strukturwandel im Lausitzer Braunkohlerevier im Zeitraum 1990-2015. Ziel war es, die strukturpolitischen Interventionen in der Lausitz zu analysieren, ihre ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen aufzuzeigen sowie ihre Wirkungen zu beschreiben und – so weit wie möglich – zu bewerten.

Der durch den Systemwechsel ausgelöste Strukturwandel in der Lausitz war vor allem geprägt durch eine starke Deindustrialisierung, da die bestehenden (Industrie-)Unternehmen unter Marktbedingungen nicht länger wettbewerbsfähig waren. Hiervon war auch die Lausitzer Braunkohlewirtschaft in starkem Maße betroffen. Die Zahl der Beschäftigten schrumpfte von 80.000 Personen zum Ende der DDR auf weniger als 8.000 Personen Mitte der 1990er Jahre.

Zahlreiche Tagebau- und Kraftwerksstandorte wurden geschlossen und für einen großen Teil der Beschäftigten fanden sich in der Lausitz keine Wiederbeschäftigungsmöglichkeiten, da auch andere Branchen im Zuge des Transformationsprozesses stark schrumpften und gleichzeitig der Aufbau neuer Unternehmen und Wirtschaftszweige nur stockend in Gang kam.

Die strukturellen Umbrüche in der Lausitz unterscheiden sich insoweit nur wenig von jenen in anderen Teilen der ostdeutschen Bundesländer. Dies erklärt, weshalb die Wirtschaftspolitik des Bundes und der beteiligten Länder im Laufe der Zeit zwar eine Vielzahl unterschiedlicher strukturpolitischer Interventionen in den ostdeutschen Bundesländern gestartet hat, diese sich jedoch auf den Wirtschaftsraum „Ostdeutschland“ insgesamt bezogen und nur wenig Rücksicht auf die Besonderheiten des Lausitzer Bergbaureviers nahmen. Dies unterscheidet den

Strukturwandel in der Lausitz maßgeblich vom Strukturwandel im Ruhrgebiet, der sich nicht nur in deutlich geringerem Tempo vollzog, sondern in weit stärkerem Maße auch durch regionsspezifische strukturpolitische Interventionen, z. B. Anpassungshilfen des Landes Nordrhein-Westfalen, gestaltet wurde.

Die Strukturpolitik in der Lausitz wird insgesamt als nur mäßig erfolgreich bewertet. Die Politik des „Aufbau Ost“ (1990-1998) kann zwar im Rückblick zumindest aus ökonomischer Sicht als erfolgreich bezeichnet werden. Allerdings haben sich neue Strukturmuster vor allem an solchen Standorten herausgebildet, die eine hinreichende Attraktivität für externe Investorinnen und Investoren aufwiesen. Die Strukturpolitik war insoweit eher begleitend („nachsorgend“), nicht (struktur-)gestaltend ausgerichtet. Die Lausitz gehörte – von wenigen lokalen Ausnahmen abgesehen – nicht zu den für Investoren attraktiven Regionen, so dass die Region auch heute noch als strukturschwach gilt: Die Arbeitslosigkeit ist höher als in den übrigen ostdeutschen Bundesländern, die Wertschöpfung pro Kopf außerhalb der Braunkohlewirtschaft deutlich niedriger, und auch die Abwanderung jüngerer und gut qualifizierter Bevölkerungsschichten ist weiterhin erheblich. Insoweit stellt die Entwicklung der Lausitz seit 1991 ein Beispiel für eine

„passive Sanierung“ dar, die anderen Regionen nicht unbedingt als Vorbild dienen sollte.

Auch wenn es (von einzelnen Ansiedlungsvorhaben abgesehen) eine „lausitzspezifische“ Politik weder vonseiten des Bundes noch vonseiten der beteiligten Länder (Brandenburg und Sachsen) gegeben hat, hat die Lausitz von den für alle ostdeutschen Bundesländer umgesetzten

Politikmaßnahmen in erheblichem Maße profitiert. Wie die Analysen dieser Fallstudie zeigen, war die Politik vor allem in den frühen 1990er Jahren darauf bedacht, die negativen

Auswirkungen des transformationsbedingten Strukturumbruchs auf den Arbeitsmarkt abzufedern. Hierzu dienten verschiedene, recht allgemein ausgerichtete

Investitionsförderprogramme des Bundes und der Länder. Zudem wurde diese Zielsetzung durch die Auflage breit angelegter arbeitsmarktpolitischer Programme zur Schaffung öffentlich geförderter Beschäftigungsverhältnisse und durch die Reduktion des Arbeitskräftepotentials durch Frühverrentungsprogramme unterstützt. Erst gegen Ende der 1990er Jahre wurde diese

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„nachsorgende“ Strukturpolitik durch eine stärker auf die Unterstützung struktureller Anpassungsprozesse ausgerichtete (und damit vorausschauende) Strukturpolitik ersetzt, die sich vor allem auf die Innovationsförderung stützte und bis heute fortgeführt wird. Zu diesem Politikwechsel trug u. a. auch bei, dass sich die bis dahin verfolgten Maßnahmen in vielen Fällen als wenig hilfreich erwiesen hatten. In der Lausitz waren die stärker wachstumsorientierten Politikansätze aufgrund der spezifischen Unternehmensstruktur, der fehlenden Diversifizierung der Wirtschaftsstrukturen, der abgelegenen Lage und der dadurch bedingten Standortdefizite allerdings nur wenig hilfreich.

Ähnliche Paradigmen prägten auch die Landespolitik. Vor allem vonseiten der

brandenburgischen Wirtschaftspolitik wurde der Erhalt von Arbeitsplätzen in den Vordergrund gerückt. Soweit es zu einer eher vorausschauenden Strukturpolitik kam, folgte diese für lange Zeit tradierten Vorstellungen einer zentral gelenkten Planbarkeit regionaler

Wirtschaftsstrukturen. Gleichzeitig ergaben sich starke Tendenzen zur Konzentration der Förderung auf bestimmte, als „entwicklungsfähig“ angesehene Standorte und Branchen. Ziel war es, bestehende Branchenschwerpunkte nach Möglichkeit auszubauen („Stärken stärken“), nicht aber, neue Branchen zu entwickeln. Die Möglichkeiten, durch geeignete strukturpolitische Maßnahmen auf eine stärkere Diversifizierung bestehender Monostrukturen hinzuwirken – was gerade für die bergbaulich geprägte Lausitz von enormer Bedeutung gewesen wäre –, wurde auf diese Weise vertan. Vielmehr wurde die Zukunft der Lausitz bis vor wenigen Jahren vor allem als

„Energieregion“ gesehen, die auch den Fortbestand der Braunkohlewirtschaft einschloss. Den Fortbestand der Braunkohleverstromung nicht in Frage zu stellen, bedeutete für die Lausitz eine Vernachlässigung des Aufbaus alternativer Wirtschaftsstrukturen. Sachsen setzte von Beginn an eher auf eine marktlich getriebene Modernisierungsstrategie, was aufgrund bestehender

Standortvorteile vor allem die sächsischen Metropolen begünstigte. Eine enge Abstimmung der Politiken von Brandenburg und Sachsen war zumindest im Untersuchungsraum nicht

erkennbar.

Legt man die vom Projektkonsortium entwickelten Wirkungsdimensionen zugrunde, so lassen sich die strukturpolitischen Interventionen in der Lausitz vor allem den Wirkungsdimensionen

„Ökonomie“ und (zumindest bis zum Ende der 1990er Jahre) „Soziales“ zuordnen. Die

Dimension „Ökologie“ spielte am ehesten bei den notwendigen Renaturierungsmaßnahmen in den von der Stilllegung des Braunkohletagebaus betroffenen Gebieten bzw. bei der Sanierung altindustrieller Flächen eine Rolle. Hierbei handelte es sich aber nicht um strukturpolitische Interventionen im engeren Sinne. Zudem hat sich die ökologische Situation schon allein durch die Schließung vieler Betriebe während des Übergangs zur Marktwirtschaft verbessert, so dass zusätzliche Maßnahmen auch aus diesem Grund nur geringe Aufmerksamkeit erhielten. Die

„regionale Identität“ spielte als Wirkungsdimension in den strukturpolitischen Programmen überhaupt keine Rolle und wurde daher in gängigen Evaluationsuntersuchungen auch nicht näher betrachtet. Aus Sicht der Autoren liegt hierin ein Manko, da die Akzeptanz

strukturpolitischer Eingriffe auch davon abhängig ist, wie stark sie regionalökonomische Spezifika berücksichtigen und damit auch auf identitätsstiftende Belange Rücksicht nehmen.

Die starke Betonung ökonomischer und sozialer Problemlagen in den verschiedenen Phasen des Transformationsprozesses spiegelt sich auch in den gesellschaftlichen Diskursen in den

ostdeutschen Bundesländern und in der Lausitz wider: Während in den 1990er Jahren vor allem die Arbeitsmarktsituation im Vordergrund der öffentlichen Diskussion stand, fächerte sich das Themenspektrum seit Beginn der 2000er Jahre deutlich auf und konzentrierte sich zunehmend auf eher „wachstumsorientierte“ Ziele. Erst in jüngerer Zeit gewinnen auch umweltpolitische und eher auf die Bewahrung regionaler Identitäten gerichtete Aspekte verstärkt an Resonanz;

im Untersuchungszeitraum (bis 2015) spielten diese hingegen keine herausgehobene Rolle.

117 Der Begriff „Strukturwandel“ wird in den Diskursen bis 2015 vor allem mit dem wirtschaftlichen Kollaps nach dem Systemwechsel in Verbindung gebracht und ist daher meistens negativ

konnotiert. Einige Umweltgruppen und lokale Initiativen, die einen Stopp der Tagebauerweiterungen fordern, verwenden den Begriff jedoch bereits positiv und zukunftsgerichtet.

Der Prozess des Strukturwandels in der Lausitz ist keineswegs abgeschlossen, sondern schreitet kontinuierlich voran. Er wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Die Globalisierung der Wirtschaft und die Digitalisierung sind zwei wichtige Treiber mit starkem Einfluss auf die Wirtschaft und Lebensweisen der Region. Der Beschluss, dass die Kohleverstromung in ganz Deutschland bis 2038 beendet werden soll, wird weitere Herausforderungen für die

Kohleregionen und speziell für die Lausitz mit sich bringen.

Die Arbeit an der Fallstudie offenbarte, dass bei der Entwicklung strukturpolitischer Interventionen ein komplexes Gefüge aus ökonomischen, sozialen, ökologischen und auch kulturellen Wirkungen mitgedacht und ins Zielsystem integriert werden muss – und dass wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse darüber, wie sich verschiedene Interventionen auf andere als ökonomische Zielsetzungen ausgewirkt haben und weiterhin auswirken, fehlen.

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