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Faust hat nämlich Schwierigkeiten mit dem, was man Charakter nennt […] Ein Engländer würde es gar nicht verstehen, wenn einer ihn aufforderte, zugleich

Im Dokument Hofmannsthal 12/2004 (Seite 154-157)

konservativ und revolutionär zu sein, oder würde das für den Ausweg eines völlig Isolierten und von der Nation Geschiedenen halten oder für die Ausrede eines, der sich nicht entscheiden kann und durch zu viel Phantasie in eben jene obgenannten Schwierigkeiten geraten ist. Und dennoch wird jeder Engländer beides in sich vereinigt haben oder nebeneinander fi nden: das Konservative und das Andere, doch nicht im Geist oder in der Idee, sondern in der Seele oder in dem, was ich hier so nenne. Durch welches hindurch die Wellen der Vergangenheit in die Zukunft schlagen.«

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626 Leopold Andrian: Die metaphysische Ständeordnung des Alls. Rationale Grundlagen eines christlichen Weltbilds. (Bruchstück); in: Neue Deutsche Beiträge. Zweite Folge. Drittes Heft (August 1927), S. 55–88. Andrian hatte das Werk im November 1926 abgeschlossen und der Bremer Presse angeboten; die aber lehnt ab. Statt dessen publiziert Hofmannsthal die beiden ersten Abschnitte dieser »höchst merkwürdigen metaphysischen (religiös-philo-sophischen) Arbeit« in seiner Zeitschrift, obwohl er das »Product« als »vom litterarischen Standpunkt äußerst enttäuschend« empfi ndet. »Es steht eigentlich, als eine subjective ka-tholische Apologetik, außerhalb des Litterarischen, und ist stellenweise stilistisch nicht sehr glücklich« (BW Wiegand, S. 156, 158: 1. und 22. 11. 1926). Die Studie wird vollständig 1930 in München erscheinen.

627 Schon im folgenden Jahr wird er dieses Lob einschränken, wenn er Theophil Spoerri am 5. März 1932 wissen läßt: »Unlängst las ich wieder Hofmannsthals auch von mir gerühmte Rede über die Literatur als geistiger Raum. Das verliert. Da ist alles mit dem Vergrößerungs-glas u. ohne Humor, irgendwelchen, gesehen. Auf die Dauer verträgt man so etwas ganz u.

gar nicht.«

628 Thomas Hardy | von Rudolf Kassner; in: Corona. Zweites Jahr. Drittes Heft. November

Abb. 7: Rudolf Kassner an Hugo von Hofmannsthal, Wien, 27. Oktober 1927 (FDH)

Schon in den Lautschiner Wochen des Juli und August 1927 hatte Kassner, wie Prinzessin Bassiano am 5. August erfährt, »whilst I was having long walks in the woods here«, seine neue Studie »Narciss or a dialogue about measure«

entworfen. Er treibt sie in den folgenden Monaten mit Nachdruck voran; am 22. Dezember kann er sie der Prinzessin als »vollendet« melden und sechs Tage später Fürstin Bismarck gegenüber als »mein geistigstes Buch« charakterisieren, als »ein Zusammenfassen des Ganzen wie noch in keinem vorher«. Abermals eine Woche danach, am 4. Januar 1928, kündigt er Anton Kippenberg »in ca 3 Wochen« das Manuskript an: »Ich sage nicht mehr darüber als dass es meinen Gedanken, wie ich ihn vom ersten Werk, vornehmlich aber von der Melancholia an denke u. wie ihn kein Mensch, aber auch wirklich keiner vor mir gedacht hat

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zusammenfasst und noch einmal u. entscheidend denkt.«

Neben diesem Gespräch solle der Band die »in den letzen Jahren erschienenen Essays über Sterne, Gogol, Rilke, Pascal etc.« enthalten; dabei sei »der Untertitel des Gesprächs (Mythos u. Einbildungskraft) für alle dem Gespräch folgenden Essays bindend, weshalb auch nothwendig sein wird, ihn auf das Titelblatt zu setzen.«

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1931, S. 323–340; jetzt: KW VI, S. 337–357, Zitat S. 345 f. Auch in späteren Jahren wird sich Kassner gegen den Begriff stellen; so 1956 im Nachwort zur dritten Aufl age von »Zahl und Gesicht«: »Ich stoße mich seit je an dem, was von Hugo von Hofmannsthal konservative Revolution genannt worden ist und seitdem in den Köpfen der Menschen zu spuken nicht aufhört. Warum kann es so etwas in einer Welt mit Schicksal, was auch soviel bedeutet wie:

mit dem Vermögen sich zu steigern, nicht geben? Konservative Revolution ist durchaus ein Komplex, entspringt einem solchen, läßt keine Eigenschaften (im Sinn einer geformten Welt […]) zu. […] Konservative Revolution bedeutet Vermittlung, soll nicht mehr sein. […]

Konservative Revolution kommt aus einer Flucht. Alle Flüchtigen haben Komplexe statt Art oder Eigenschaften« (KW III, S. 368 f.; vgl. ferner KW VIII, S. 199, mit Anm. S. 692 f.;

KW IX, S. 516 f.). Daß der Begriff, wie auch Kassner anzunehmen scheint, erst durch Hof-mannsthals »programmatische Verwendung« in der Münchner Rede »virulent« geworden sei und in den »politischen Sprachgebrauch« Eingang gefunden habe (so Armin Mohler, Die konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Ein Handbuch. 2. Aufl . Darmstadt 1972, S. 10; gefolgt von Hermann Rudolph, Kulturkritik und konservative Revolution. Zum kulturell-politischen Denken Hofmannsthals und seinem problemgeschichtlichen Kontext.

Tübingen 1971), bedarf der Revision; der Begriff, bereits im 19. Jahrhundert bezeugt, gewinnt seit Anfang der zwanziger Jahre an Bedeutung; als einer der ersten in Deutschland wendet ihn – mit Bezug auf Nietzsche – Thomas Mann 1921 an (Thomas Mann, Zum Geleit = Russische Anthologie: Gesammelte Werke in zwölf Bänden. Bd. X: Reden und Aufsätze 2.

Frankfurt a. M. 1960, S. 590–603, bes. S. 598), zu weiteren Vorläufern und Parallelen u. a. bei Ernst Troeltsch, Arthur Möller van den Bruck, Karl Anton Rohan oder Paul Ludwig Lands-berg vgl. neben Mohler, a. a. O., Oswalt von Nostitz, Zur Interpretation von Hofmannsthals Münchner Rede (Anm. 617); Roland Haltmeier (Anm. 612), S. 302 – 307.

629 Kassner an Anton Kippenberg, 1. 2. 1928.

Ehe er die Satzvorlage am 1. Februar 1928 dem Verlag übermittelt, hatte ihn kurz zuvor – »unlängst« heißt es am gleichen 1. Februar an Marguerite di Bassiano – Hofmannsthal besucht,

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und beide hatten an dem letzten Heft der »Neuen Deutschen Beiträge«, das Kassner eingestandenermaßen »diesmal nicht mag«, »vorbeigeredet – was uns zuweilen passiert«. Wenn die Prinzessin weiter liest, daß Max Mell, »the sweet ceature«, Erfolg mit einem Stück habe, so gilt die Bemerkung der »recht guten und mit sehr großem und echtem Beifall«

bedachten Uraufführung des »Nachfolge Christi-Spiels« am Burgtheater, welche

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