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4.2 Diskussion der Befunde

4.2.1 Einflussfaktoren „Alter“, „Geschlecht“ und „Bildung“

4.2.3.2 Familiäre Form der Schizophrenie

Die Ätiologie der Veränderungen im Hippocampus schizophrener Patienten ist nach wie vor nicht vollständig geklärt. Der Einfluss einer medikamentösen Therapie (Cahn et al. 2002, Lieberman et al. 2001) wird ebenso wie die Anfälligkeit des Hippocampus gegenüber Umwelteinflüssen (McDonald et al. 2006) oder die Bedeutung genetischer Faktoren (Cardno et al. 1999) diskutiert. Um der Fragestellung nach einem genetischen Einfluss nachzugehen, ist es sinnvoll, Angaben zur Familienanamnese zu berücksichtigen.

In dieser Arbeit wurde untersucht, inwiefern das Vorkommen einer schizophrenen Erkrankung in der Familie mit einer hippokampalen Volumendiskrepanz einhergeht.

Hintergrund dieser Fragestellung ist die Überlegung, ob es sich bei der familiären Form der Schizophrenie möglicherweise um eine Untergruppe der Erkrankung handelt, die sich durch andere hirnstrukturelle Veränderungen auszeichnet. Ein ausgeprägteres hippokampales Volumendefizit in dieser Subgruppe würde die Vermutung einer erblichen Genese nahe legen.

Andere Einflussfaktoren auf das Hippocampusvolumen, wie etwa Umwelteinflüsse oder eine medikamentöse Therapie, ließen sich vor diesem Ergebnis als nachrangig einschätzen. Die vorliegende Untersuchung zeigte jedoch keinen signifikanten Effekt der familiären Häufung einer Schizophrenie auf die Hippocampusvolumina. Damit konnten die Schlussfolgerungen von Schulze et al. (2003) sowie Matsumoto et al. (2001) bestätigt werden, die ebenfalls keinen signifikanten Einfluss dieses Faktors nachwiesen.

McDonald et al. (2006) lieferten hingegen Hinweise auf einen möglichen Einfluss der familiären Belastung. So konnten die Autoren bei schizophrenen Patienten aus mehrfach betroffenen Familien eine bilaterale Hippocampusreduktion feststellen, während Patienten mit einer nicht-familiären Form der Erkrankung lediglich ein signifikantes Volumendefizit des rechten Hippocampus zeigten.

Zur weiteren Untersuchung eines genetischen Einflusses auf das Hippocampusvolumen wurde eine Reihe von Studien durchgeführt, die neben schizophrenen Patienten auch deren nicht erkrankte Angehörige miteinbezogen. Diese Untersuchungen gingen der Frage nach, ob die Veränderungen bestimmter Hirnstrukturen eher als Voraussetzung oder als Folge der

Schizophrenie aufzufassen sind. Weder Schulze et al. (2003) noch McDonald et al. (2006) konnten bei den psychiatrisch gesunden Angehörigen hippokampale Volumendefizite feststellen. Dagegen wiesen Seidman et al. (2002) einen signifikant reduzierten linken Hippocampus speziell bei den Angehörigen aus mehrfach betroffenen Familien nach. Die Autoren formulierten daher die Hypothese, ein reduzierter linker Hippocampus stelle möglicherweise einen Indikator der Vulnerabilität für eine Schizophrenie dar. Gegen diese Hypothese spricht jedoch der Befund von Pantelis et al. (2003), die in einer Longitudinal-MRT-Studie das Auftreten hirnstruktureller Veränderungen bei Hochrisikopatienten erst zum Zeitpunkt der klinischen Manifestation einer schizophrenen Psychose beobachteten, nicht aber davor. Auch Velakoulis et al. (2006) konnten Volumenveränderungen des medialen Temporallappens erst im Laufe der Erkrankung feststellen.

In einer Metaanalyse fassten Boos et al. (2007) die uneinheitlichen Angaben zu dieser Fragestellung zusammen. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass auch bei nicht erkrankten Angehörigen verschiedene hirnstrukturelle Abweichungen zu finden seien und schätzten die erbliche Komponente der Schizophrenieerkrankung auf etwa 80%. Zwar betraf die deutlichste hirnstrukturelle Abweichung der Angehörigen den Hippocampus, da die Schizophreniepatienten jedoch noch ausgeprägtere Volumendefizite zeigten als ihre gesunden Verwandten, schlussfolgerten die Autoren, dass hippokampale Veränderungen nur teilweise der Manifestation einer Schizophrenie vorausgingen, während sie sich zum anderen Teil erst im Verlauf der Erkrankung einstellten. Es bleibt zurzeit jedoch weiterhin unklar, zu welchem Zeitpunkt des Erkrankungsverlaufs das hippokampale Volumendefizit auftritt und ob es als Marker für das erbliche Erkrankungsrisiko bei gesunden Angehörigen aufgefasst werden kann.

4.2.3.3 Neuropsychologische Tests

Die Hippocampi der beiden Hemisphären unterscheiden sich sowohl in anatomischer als auch in funktioneller Hinsicht. So nimmt der rechte Hippocampus eine entscheidende Rolle in der räumlichen Orientierung ein, während der Hippocampus der linken Hemisphäre einen wichtigen Bestandteil des verbalen Gedächtnisses darstellt (Harrison 2004, De Toledo-Morrell et al. 2000).

De Toledo-Morrell et al. (2000) fanden bei an Morbus Alzheimer erkrankten Patienten einen signifikant positiven Zusammenhang zwischen dem linken Hippocampusvolumen und der

Leistung des verbalen Gedächtnisses. Eine ähnliche Beobachtung konnte in der vorliegenden Studie für die Patienten der Diagnosegruppe „Schizophrenie“ gemacht werden. In der neuropsychologischen Untersuchung erbrachten die Probanden der Diagnosegruppe

„Schizophrenie“ eine schlechtere verbale Lernleistung als die Kontrollgruppe. Dieses Ergebnis erwies sich als hochsignifikant und bestätigt die Beobachtung von Wobrock et al.

(2008), die ebenfalls eine signifikant schlechtere Leistung der Schizophreniepatienten im VLMT feststellten.

Für die Diagnosegruppe „Schizophrenie“ konnte in der vorliegenden Studie neben einer schwächeren Lernleistung und einem Volumendefizit des linken Hippocampus ferner eine hochsignifikant positive Korrelation zwischen den Variablen „Lernleistung“ und „linkes Hippocampusvolumen“ nachgewiesen werden. Dieser Befund unterstützt die Hypothese einer Beteiligung des linken Hippocampus an den Abläufen des verbalen Gedächtnisses.

Der Befund einer signifikanten Korrelation zeigte sich nur für die Gruppe der Schizophreniepatienten, nicht aber für die gesunden Kontrollprobanden und stimmt damit mit den Ergebnissen von De Toledo-Morrell et al. (2000) überein. Die Beobachtung eines Zusammenhangs zwischen verbaler Gedächtnisleistung und dem linken Hippocampusvolumen ausschließlich im Rahmen einer Schizophrenie kann als Hinweis auf eine Beteiligung der Hippocampusformation an der Pathogenese der Schizophrenie gedeutet werden. Allerdings konnten sowohl Gur et al. (2000) als auch Seidman et al. (2002) einen signifikanten Zusammenhang zwischen Gedächtnisleistung und Hippocampusvolumen sowohl bei Schizophreniepatienten als auch bei gesunden Kontrollprobanden feststellen.

Ein Defizit im verbalen Gedächtnis schizophrener Patienten ist ein häufig beschriebenes neuropsychologisches Phänomen. Es lässt sich mit der Tatsache vereinbaren, dass das linke Hippocampusvolumen schizophrener Patienten in der Regel stärker betroffen ist, als das Volumen der Gegenseite (Boos et al. 2007, Geuze et al. 2005 b, Goldberg et al. 1994), was durch die vorliegende Arbeit bestätigt werden konnte. Dieser Befund könnte somit als pathologisches Korrelat für die Schizophrenie-assoziierten Defizite im sprachlichen Gedächtnis interpretiert werden.

4.2.3.4 Krankheitsverlauf

Widersprüchliche Hypothesen bezüglich des Auftretens hippokampaler Volumendefizite im Verlauf einer Schizophrenie (Velakoulis et al. 2006, Seidman et al. 2002), lassen

Korrelationsuntersuchungen der Hippocampusvolumina mit dem Krankheitsverlauf als sinnvoll erscheinen. Obwohl Velakoulis et al. (2006) eine Diskrepanz zwischen den hippokampalen Volumina bei schizophrener Erstmanifestation einerseits und chronischer Erkrankung andererseits feststellten (siehe oben), konnten sie keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Volumendefizite und der Dauer der Erkrankung nachweisen. Ähnliche Korrelationsuntersuchungen wurden auch für die vorliegende Arbeit durchgeführt. Es konnte dabei weder für die Psychosedauer noch für die Dauer des Prodromalstadiums ein signifikanter Einfluss auf die Hippocampusvolumina nachgewiesen werden. Diese Befunde stimmen mit der Metaanalyse von Nelson et al. (1998) sowie mit den Ergebnissen von McDonald et al. (2006) überein, die ebenfalls keine wesentliche Auswirkung der Erkrankungsdauer auf den Hippocampus beschrieben. Lediglich Matsumoto et al. (2001) berichteten von einer negativen Korrelation der Erkrankungsdauer mit dem Volumen des linken Hippocampus.

Ein fehlender Zusammenhang zwischen dem Ausmaß des Volumendefizits und der Symptomdauer spricht gegen die Theorie eines kontinuierlichen neurodegenerativen Prozesses als Folge der Erkrankung. Um dieser Frage weiter nachzugehen sind Untersuchungen auf zellulärer Ebene sowie Longitudinalstudien notwendig.

Die PANSS (Positiv- und Negativ-Syndrom-Skala; Kay et al. 1987) dient der Beurteilung des Schweregrades einer schizophrenen Erkrankung. Unter anderem können durch dieses diagnostische Instrument die Merkmale der Positiv- und der Negativsymptomatik quantifiziert werden. Im Rahmen der vorliegenden Studie zeigte sich, dass ein geringeres rechtes Hippocampusvolumen mit einer stärkeren Ausprägung der Negativsymptomatik einherging.

Des Weiteren korrelierte das absolute linke Hippocampusvolumen negativ mit dem Punktwert für die Positivsymptomatik. Dagegen schienen weder der globale Schweregrad der Schizophrenie noch das Vorliegen des Positivsymptoms „Halluzinationen“ in einem quantitativen Zusammenhang mit den hippokampalen Volumina zu stehen.

Diese Beobachtungen lassen sich mit den Angaben von Whalley et al. (2007) vereinbaren, die eine Studie mit funktioneller Magnetresonanztomographie durchführten. Dabei zeigte sich eine Beteiligung des medialen Temporallappens an der Genese des Positivsymptoms

„Misstrauen / Verfolgungswahn“, während lediglich der laterale Temporalkortex eine Rolle in der Entstehung des Symptoms „Halluzinationen“ zu spielen schien. Eine andere Studie wies

eine signifikante Korrelation zwischen dem Punktwert für die Negativsymptomatik der PANSS und den bilateralen Hippocampusvolumina nach (Matsumoto et al. 2001). Dieser Befund stimmt teilweise mit den Ergebnissen der vorliegenden Studie überein.

Zusammenfassend lassen sich in der Literatur nur wenige Studien finden, die den Zusammenhang zwischen den Hippocampusvolumina und der Beurteilung schizophrener Symptome anhand der PANSS untersucht haben. Die Frage nach einer möglichen Assoziation zwischen hippokampalen Veränderungen und bestimmten Symptomen schizophrener Erkrankungen kann zu dem Verständnis der Erkrankung beitragen und sollte daher in künftigen Studien weiter untersucht werden.