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3. Fünf Fallbeispiele

Fallbeispiel 1: Das Englischreferat am Gymnasium

Der Vortrag zu einem selbst gewählten Thema im Englischunterricht ging dem Zehntkläss-ler flüssig von den Lippen. Die Lehrerin war erstaunt über die Qualität des Vortrages, denn er beinhaltete verschiedene Methoden: Musikeinspiel, Powerpoint-Präsentation und ein Kreuzworträtsel. Vorgestellt wurde die britische Band „Skrewdriver“ mit ihrem Sänger Ian Stuart Donaldson, die den Rechts-Rock seit den 80er Jahren geprägt hat und in der neo-nazistischen Szene weltweit verehrt wird.

Die folgenden Fallbeispiele illustrieren die breite Palette von rechtsextremen Vor-kommnissen an Schulen von der einfachen Provokation bis hin zur unverblümten Ideo- logievermittlung.

Dass die vorgestellte Band und ihr Sänger der Neonazi-Szene angehör(t)en, war am

Text-inhalt der Hörproben und der gezeigten Fotos offensichtlich. Der Lehrerin fiel es nicht auf. Nach Ende des Vortrages leitete sie die anschließende Diskussion lediglich mit den Worten ein: „Haben Sie noch Fragen?“

Nun wurde es einigen Schüler_innen mulmig. Dass da jemand Nazimusik unwiderspro-chen vorführen und für solche Positionen werben durfte, erstaunte sie. Ein Jugendlicher meldete sich schließlich und fragte den Vortragenden: „Du weißt schon, dass die Musik, die Du hier vorgestellt hast, Nazimusik ist und die Organisation, in der der Bandsänger aktiv war, in Deutschland verboten ist?“

Der Vorfall zog weite Kreise:

Aufgebrachte Eltern, denen ihre Kinder von dem beängsti-genden Englischreferat berich- tet hatten, fragten bei der Schulleitung nach, ob das Refe-rat und die Untätigkeit der Leh-rerin folgenlos bleiben könne.

Schulleitung und hinzugezo-gene Beratungslehrerin han-delten nach dem Vorfall regel-gerecht und meldeten den Fall an die Bildungsagentur.

Schulintern wurde der Schü-ler für seinen rechtsextremen Vortrag getadelt und die vom Vorfall betroffene Klasse durch die Beratungslehrerin aufge- klärt.

Eine weitergehende Auseinan-dersetzung fand nach unserer Kenntnis in diesem Fall jedoch nicht statt.

Kreuzworträtsel zur britschen Band „Skrewdriver“

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Fallbeispiel 2: Der Hakenkreuzteller

An einer außerbetrieblichen Ausbildungseinrichtung wurde im Rahmen eines extern angeleiteten Kunstprojektes getöpfert. Die Auszubildenden waren in der Gestaltung ihrer Objekte frei. Eine der Auszubildenden investierte eine Menge Zeit in die Dekoration eines Tellers: Mit viel Geduld wurde er mit Runen geschmückt. Das Zentrum bildete ein großes Hakenkreuz.

Die anwesenden Pädagog_innen griffen nicht ein. Erst viel später wurde dies in der Aus-bildungseinrichtung bekannt. Die Auszubildende wurde verwarnt, ein paar Tage von der Ausbildung ausgeschlossen und entschuldigte sich anschließend für ihr Verhalten. Der Fall wurde zu den Akten gelegt.

Trotz Beratung entschied sich die Ausbildungseinrichtung dazu, nichts weiter zu unter-nehmen. Ob der Vorfall mit den Machern des Kunstprojektes und den anderen Auszubil-denden thematisiert wurde, ist nicht bekannt.

Fallbeispiel 3: Schüler diskriminiert via WhatsApp

Ein Schüler eines sächsischen Gymnasiums mobbte zwei andere Schüler_innen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. Einer der beiden Schüler sah sich außer Stande, weiter in die Schule zu kommen.

Lange bleibt dies den Lehrkräften verborgen, da das Mobbing über Handynachrichten lief.

Als sie davon erfuhren, wurde mit dem mobbenden Schüler gesprochen, er erhielt eine Abmahnung. Mit den anderen Schüler_innen des Jahrgangs wurde die Situation ebenfalls thematisiert.

Mit den Schüler_innen der Klassenstufe wurden zeitnah zu den Geschehnissen Projekt-tage zu menschenverachtenden Einstellungen und Neonazismus durchgeführt. Seither werden in jedem Schuljahr Projekttage umgesetzt. Die diskriminierenden Einstellungen des einen Schülers haben sich nicht geändert, das Umfeld konnte allerdings gestärkt wer-den und die Betroffenen haben erfahren, dass sie nicht alleine sind.

Die Schule hat sich jetzt auf den Weg gemacht, Schule ohne Rassismus zu werden und möchte langfristig weitere Projekte gegen Diskriminierung umsetzen. Damit möchte sie den menschenverachtenden Aussagen und etwaigen Unterstützern des Schülers ein deutliches Zeichen entgegensetzen.

Fallbeispiel 4: Bürgerproteste gegen Moscheebau und Asylunterkunft färbt Schulklima

Im Herbst 2013 kam es in einer sächsischen Großstadt zu Protesten von Bürger_innen gegen den Bau einer Moschee. Die NPD war stark involviert und veranstaltete eine Kund-gebung vor dem Baugrundstück.

Die Debatten und Proteste gegen Asylunterkünfte sind in der Gegend prägend.

In der Oberschule vor Ort haben auch viele Schüler_innen Vorurteile gegen Asylsuchende und Muslime.

Mittlerweile fanden Workshops zu Flucht und Asyl statt. Diese Work-shops führten allerdings noch nicht zu einer wahrnehmbaren Verände-rung des Klimas an der Schule.

Fallbeispiel 5: Der Blick von außen

Eine große Schwester ist sehr besorgt: Ihre kleine Schwester berichtete fast täglich von rassistischen Vorfällen an ihrer Schule. Dort gäbe es eine offen agierende rassistische Gruppierung mit Schüler_innen überwiegend aus der 7. Klassenstufe. Schüler_innen, die ihnen widersprechen, wurden eingeschüchtert und bedroht. Das ging bis zu Mord-drohungen. Es hatten bereits körperliche Übergriffe stattgefunden, die auch angezeigt wurden. Zum Teil wurden Verfahren wegen Mangel an Beweisen eingestellt, oder es wur-den Sozialstunwur-den auferlegt. Bislang haben diese Maßnahmen keine spürbaren Verbesse-rungen für den Schulalltag gebracht.

Die große Schwester wandte sich, leider ohne dort Unterstützung zu finden, an die Schul-leitung. Die Antwort in diesem Zusammenhang: „Eine Schule darf sich politisch nicht äußern.“

Die große Schwester gibt nicht auf. Sie sammelt Angebote, die sie der Schule als Vor-schläge unterbreiten möchte, damit diese aktiv gegen den Rassismus vorgehen und die Schüler zum Thema sensibilisieren kann.

Nazis bei Protest