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8. Hypervaskularisationen in der Plazenta

8.1 Chorangiose

8.1.3 Expression von Wachstumsfaktoren bei Chorangiosen

Diffuse Chorangiose der 20. SSW

Der Fall einer minderwüchsigen fetalen Plazenta mit erhöhtem Gefäßgehalt, wechselnder Zottenbaumaufzweigung und stark erhöhter Proliferationsrate deutete auf eine bislang nie beschriebene Frühform einer Chorangiose hin und unterschied sich damit von allen bislang bekannten Formen von Hypervaskularisationen. Die Veränderung führte in der 20. SSW zum Tod des Feten.

Kasuistik:

26jährige IV. gravida, I. para. Intrauteriner Fruchttod, Ausstoßung der Frucht mit Cergem induziert. Vorausgegangen waren 6 Jahre zuvor die Spontangeburt eines gesunden Kindes, 3 Jahre zuvor eine Abruptio sowie ein Jahr zuvor ein Spontanabort in der 10. SSW. Weitere Angaben zu den Vorschwangerschaften lagen nicht vor. Bis zum Nachweis des intrauterinen Fruchttodes verlief die Schwangerschaft unauffällig. Zur Obduktion gelangte ein hypotropher weiblicher Fetus (145g, 19,5 cm SFL) der rechnerich 19 + 3 Schwangerschaftswoche. Die Obduktion ergab keine dysmorphen Stigmata oder Organfehlbildungen. Der Karyotyp lautete 46, XX, es fanden sich keine numerischen oder strukturellen Chromosomenanomalien.

Die Plazenta war hinsichtlich des Schwangerschaftsalters minderwüchsig (Gewicht 75g, Basalfläche 30qcm). Die Nabelschnur enthielt drei Gefäße. Fet und Plazenta waren ohne Entzündungszeichen.

Material und Methode:

Neben der Plazenta des Fallberichtes wurden vergleichend morphometrische Messungen an 20 ortholog gereiften Plazenten der 20. SSW sowie an 3 Plazenten der 25. SSW mit diagnostizierter Chorangiose Typ I durchgeführt.

Die Plazenten wurden in 5%igem Formalin fixiert und in Paraffin eingebettet. Folgende Färbungen wurden angefertigt: Hämatoxylin&Eosin, Trichromfärbung nach Masson-Goldner, Elastika van Giesson-Färbung. Immunhistochemische Untersuchungen wurden mit Antikörpern gegen das proliferationsassoziierte Zellzyklus-Antigen Ki-67 von Dianova (Verdünnung 1:40), dem Endothelmarker CD 31 von Dako (Verdünnung 1:100) sowie dem Antikörper gegen den Wachstumsfaktor VEGF von Dianova (Verdünnung 1:5) durchgeführt.

Die immunhistochemischen Untersuchungen wurden mit der APAAP-Technik an entparaffinisierten 4µm dicken Schnitten durchgeführt.

Vergleichend gemessen wurden in allen Plazenten die Zahl der im Blickfeld vollständig erfaßten Plazentazotten (unabhängig vom Zottentyp), die Zahl der (quer- und längsgetroffenen) Gefäße innerhalb der Zotten sowie die Zahl an zusätzlich markierten Endothelzellen in jeweils 20 Blickfeldern bei 250-facher Vergrößerung. Verwendet wurde das Leica Mikroskop „Leica DMRB“. Für jede Meßreihe wurden Mittelwerte und Standartabweichungen ermittelt.

Aus den Mittelwerten wurden zwei Vaskularisationsquotienten gebildet (siehe Tabelle 1). Der

die Zahl der zusätzlich mit CD 31 markierten Endothelzellen (ohne Lumenbildung) hinzugefügt. Die Summe wurde dividiert durch die Zottenzahl / Blickfeld (VQ 2).

Halbquantitativ wurde die Expression des Wachstumsfaktors innerhalb der Zotten bestimmt, als Maß galt die Intensität der Anfärbung mit dem Antikörper für VEGF.

Morphometrische Untersuchungsergebnisse:

Tabelle 1:

Plazenta des Fallberichtes Kontrollplazenten Chorangiose

schmale Zotten / plumpe Zotten n = 5 (20.SSW) n = 3 (25. SSW) (40-60µm) / (> 200µm) __________________________________________________________________________________________

Zottenzahl/ Blickfeld 19,7 +/- 4,2 / 8,4 +/- 3,4 13,4 +/- 2,2 3,7 +/- 2,5

Zahl der Gefäße/ Zotte Ø 12,6 +/- 5,1 / 58,6 +/- 8,3 34,4 +/- 5,2 102,1 +/-8,1 Endothelzellen/Blickfeld Ø 205,5 +/- 15,5 / 60,1 +/- 6,3 87,9 +/- 4,4 27,5 +/- 6,2

Vaskularisationsquotient 1 0,6 / 7,0 2,6 27,6 Vaskularisationsquotient 2 11,0 / 14,1 9,1 35,0

Proliferierende Endothelzellen +++ / + (+) (+) Numerische Werte für Zottenzahl/Blickfeld, Gefäße/Blickfeld und Endothelzellen/Blickfeld in Plazenten der mittleren Fetalperiode mit regulärer und gesteigerter Zottenvaskularisierung. Blickfelder bei 250 x Vergrößerung.

Mikroskopischer Befund:

Die Plazenta des Fallberichtes zeigte histologisch ein differierendes Bild. Einerseits fanden sich ungewöhnlich viele schmalkalibrige, verzweigte Zotten mit grobmaschigem Stroma und

hohem Gefäßgehalt (Abb. 5). Daneben fanden sich vergrößerte, plumpe Zotten mit vielen Kapillaren mit wechselnd weiten Lumina (Abb. 6). Synzytiokapilläre Membranen zeigten sich an keiner Stelle. Erkennbar waren in allen Zottenabschnitten ungeordnete Ansammlungen proliferierender Endothelzellen (Abb. 7). Hingegen zeigten die Plazenten mit Chorangiose eine nur geringe Zottenzahl, jedoch eine höhere Gefäßausstattung (Abb. 8). Die ortholog gereiften Vergleichsplazenten zeigten wenige isoliert liegende Endothelzellen und gleichförmig großen Kapillaren (Abb. 9). Die Expression des Wachstumsfaktors VEGF differierte zwischen den Untersuchungsgruppen nicht. Es zeigte sich eine vergleichbare Markierung sowohl der Endothelzellen und Fibroblasten des Stromas als auch der Trophoblastzellen (Abb.10).

Abbildung 5:

Verstärkte Zottenbaumaufzweigung in einer Plazenta der 20. SSW mit hoher Zahl an markierten Endothelzellen. Immunhistochemie, CD 31, 100 x Vergr.

Abbildung 6:

Gleiche Plazenta wie Abb.1. Zahlreiche Blickfelder mit plumpen Zotten und zahlreichen Gefäßen.

Immunhistochemie, CD 31, 100 x Vergr.

Abbildung 7:

Plazentazotten einer 20. SSW mit ungeordneten Gruppen proliferierender Endothelzellen im Zottenstroma. Oberflächlich proliferierende Trophoblastzellen. Ki-67, 200x Vergr.

Abbildung 8:

Plazenta der 25. SSW mit Chorangiose. Geringe Zottenzahl, hohe Gefäßausstattung.

Immunhistochemie, CD 31, 200 x Vergr.

Abbildung 9:

Ortholog gereifte Plazenta der 20. SSW. Immunhistochemie, CD31, 100 x Vergr.

Abbildung 10:

Expression des Wachstumsfaktors VEGF in einer Plazenta der 20. SSW mit altersentsprechend starker Zottenbaumaufzweigung (rechts und mitte). Markierung zahlreicher Endothelzellen (▲), Trophoblastzellen () und Fibroblastzellen (→) mittels VEGF, 200x Vergr.

Auswertung der Meßergebnisse und Diskussion:

Herdförmig zeigt ein Verzweigungsgrad der Zotten und eine Zottenzahl pro Blickfeld, die deutlich über der altersentsprechenden Norm liegt. Daneben zeigen sich in Blickfeldern hypervaskularisierte übergroße, plumpe Zotten, welche an eine Chorangiose erinnern, ohne jedoch deren Gefäßzahl zu erreichen (siehe Tabelle 1). Innerhalb der Blickfelder mit vorzeitiger Aufzweigung (schmale Zotten) findet sich nur etwa 1/3 der normalen Gefäßzahl.

Demgegenüber erkennt man ca. dreimal soviel CD 31 markierte Endothelzellen wie innerhalb der ortholog gereiften Plazenten.

Die Areale mit plumpen Zotten zeigen eine hohe Zahl an Gefäßen mit Lumenbildung. Diese Zahl ist etwa doppelt so hoch wie in ortholog gereiften Plazenten der 20. SSW, liegt jedoch unterhalb der Zahl bei Plazenten mit Chorangiose. Es zeigen sich in diesen Arealen deutlich weniger markierte Endothelzellen als in den vorzeitig aufgezweigten Zotten, jedoch mehr als bei der Chorangiose.

Diese Zahlen spiegeln sich in den ermittelten Vaskularisationsquotienten wieder. Bei Betrachtung der lumenbildenden Gefäße liegt der Normwert bei ortholog gereiften Plazenten der 20.SSW bei 2,6 Gefäßen pro Zotte. Die „normale„ Chorangiose zeigt hingegen im Durchschnitt 27,6 Gefäße pro Zotte. Im hier beschriebenen Fall fanden sich 0,6 Gefäße pro Zotte innerhalb der vorzeitig verzweigten Areale und 7,0 Gefäße pro Zotte innerhalb der Areale mit plumpen Zotten. Hier wird die Außergewöhnlichkeit der Veränderung und ihre Abweichung von der üblichen Klassifikation besonders deutlich.

Der halbquantitativ ermittelte Proliferationsgrad innerhalb der Zotten zeigt eine nur minimale Proliferation in den ortholog gereiften Plazenten und der Chorangiose, hingegen eine höhere Proliferation in der Plazenta des beschriebenen Falles, unabhängig von der vorhandenen Zottenbaumaufzweigung, wobei die vorzeitig verzweigten Anteile sowohl im Zottenstroma als auch im Chorionepithel Ki-67 positive Zellen in größerer Zahl darstellen.

Die dargestellte Plazenta stellt eine Form der Überschußbildung dar, wie sie bislang noch nie beschrieben wurde. Die in der gängigen Klassifikation von Vogel beschriebenen Chorangiosen stellen Veränderungen dar, in der eine gestörte Zottenaufzweigung kombiniert ist mit einem verstärkten Gefäßgehalt. Im vorliegenden Fall findet sich hingegen eine dem Gestationsalter entsprechende herdförmig überstürzte Zottenbaumaufzweigung mit wenigen lumenbildenden Gefäßen und einer hohen Zahl an Endothelzellen im Zottenstroma. In der Nachbarschaft finden sich chorangiöse Areale mit hoher Zahl an Endothelien.

Es besteht die Möglichkeit, daß es sich um die Frühform einer Chorangiose handeln könnte, mit verstärkerter Kapillarsprossenbildung innerhalb aller Zottenabschnitte mit hoher proliferativer Aktivität. Diese wäre erklärbar bei einer präplazentaren Hypoxie des Gewebes.

Die sich darstellende morphologisch vergleichbare Expression des Wachstumsfaktors VEGF in unauffälligen Plazenten und der beschriebenen Plazenta mit Hypervaskularisation (Abb. 7 und 8) scheint der gängigen Lehrmeinung zu widersprechen, soll doch eine Hypoxie ein starker Reiz einer VEGF-Expression sein, unter der es zu einer Endothelproliferation und zum Gefäßwachstum in der Plazenta mit folgender Hyperkapillarisierung der Zotten kommt (Bacon et.al. 1984, Hinrichsen 1990, Hölzl et.al. 1974). Doch sollten die Möglichkeiten in Betracht gezogen werden, daß eine bereits maximale Expression von VEGF in der Plazenta

Zudem wurden die von Kingdom durchgeführten Studien zur Einteilung der Hypoxien an Plazenten des III. Trimesters durchgeführt und sind deshalb möglicherweise nicht mit den hier untersuchten Plazenten des II. Trimesters vergleichbar.

Ob sich in dem hier beschriebenen Fallbericht zu einem späteren Zeitpunkt eine Chorangiose mit den oben beschriebenen Charakteristika ausgebildet hätte muß Spekulation bleiben, erscheint jedoch aufgrund der hohen Zahl an Endothelien in den stark verzweigten Zottenbaumabschnitten wahrscheinlich.

Studie der Expression von Wachstumsfaktoren an fetalen Todesfällen

Untersuchungsschwerpunkt dieser Studie war die Frage, ob Wachstumsfaktoren an der Bildung von Hypervakularisationen in der fetalen Plazenta beteiligt sind. Diese Untersuchung wurde bereits publiziert und wird auf den folgenden Seiten als Sonderdruck abgebildet.