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III. Den letzten Schritt der peroxisomalen -Oxidation stellt die thiolytische Spaltung des 3-Keto-Acyl-CoA durch Anlagerung eines weiteren Moleküls Coenzym A (CoA-SH)

1.5 Die Mittelketten-spezifische Acyl-CoA-Dehydrogenase

1.5.1 Expression und Assembly

Den Grundstein aller Arbeiten über die Mittelketten-spezifische Acyl-CoA-De-hydrogenase (MCAD) legten Erwin Haas und Otto Warburg im Jahr 1938 mit der

"Isolierung eines neuen gelben Ferments" [Haas, 1938], sowie der "Bemerkung über gelbe Fermente" [Warburg & Christian, 1938a]. Zahlreiche Arbeiten trugen seither wesentlich zum Verständnis von Struktur und Funktion des Enzyms bei, so daß MCAD inzwischen sowohl auf genetischer als auch auf biochemischer Ebene als außerordentlich gut charakterisiert gelten kann.

Matsubara und Mitarbeiter [Matsubara et al., 1986] konnten das für MCAD codierende Gen (ACADM) auf dem kurzen Arm des menschlichen Chromosoms 1 lokalisieren. Das 44 kb umfassende Gen setzt sich aus zwölf Exons zusammen, die durch elf Introns unterbrochen werden [Zhang et al., 1992]. Die MCAD-mRNA umfaßt eine 1263 bp codierende Region, sowie einen 738 bp langen, 3´-nicht-translatierten Bereich [Kelly et al., 1987]. Als Nucleus-codiertes Gen erfolgt die Expression der MCAD in Abhängigkeit des gewebespezifischen und energetischen Status der Zelle [Kelly et al., 1989; Carter et al., 1993] Die Hauptsyntheseorte sind vor allem Gewebe wie Herz, Leber, Niere und Skelettmuskel, deren Energiebedarf hauptsächlich aus dem Abbau aktivierter Fettsäuren gedeckt wird. Die Translation der MCAD erfolgt an freien cytoplasmatischen Polysomen zunächst als 421 aa umfassendes Vorläuferprotein, dessen 25 aminoterminale Reste die vergleichsweise basische Signalsequenz5 darstellen [Matsubara et al., 1987].

Der cytoplasmatischen Translation folgt der Import des Vorläuferproteins in die mitochondriale Matrix durch die Bindung des Vorläufers an die äußere

Mitochondrienmembran. Die Translokation in die mitochondriale Matrix selbst ist von einer elektrischen Potentialdifferenz ( ) abhängig und erfolgt unter Abspaltung der Signalsequenz auf der Matrixseite. Ebenso findet dort das Assembly der Monomere sowie die Oligomerisierung zum nativen, tetrameren Enzym statt [Ikeda et al., 1987]. Saijo und Mitarbeiter [1994] konnten zeigen, daß das intramitochondriale Assembly durch die sequentielle Bindung des Vorläuferenzyms an die mitochondrialen Hitzeschock-Proteine

5 Das 25 aa umfassende Signalpeptid enthält vier Arginin-Reste sowie einen Lysin-Rest. Gemäß der Eisenberg`schen Hydrophobizitätsskala (Eisenberg et al., 1984) besitzt es eine Konsensus-Hydrophobizität von -0,19 und entspricht somit der für mitochondriale Proteine

durchschnittlichen Hydrophobizität.

Hsp70 und Hsp60 erfolgt. Es findet zunächst eine ATP-abhängige, transiente Bindung des Vorläuferproteins an mitochondriales Hsp70 statt. Möglicherweise kann dies als (zusätzliche) treibende Kraft des Imports angesehen werden, da die Bildung des Hsp70-Protein-Komplexes nicht zwingend mit der Freisetzung des nativen, tetrameren Enzyms verbunden ist [Schatz, 1992]. Im darauffolgenden (schnellen) Schritt kommt es zur Übertragung des precursors auf mitochondriales Hsp60. Sehr wahrscheinlich stellt dieser Schritt der Bindung und anschließenden (ATP-abhängigen) Freisetzung des En-zyms aus dem Hsp60-MCAD-Komplex den korrekten Abschluß sowohl des Assembly, als auch der Oligomerisierung zum tetrameren Enzym dar [Saijo et al., 1994]. Damit folgt die Faltung zum nativen Enzym dem von Mannig-Krieg und Mitarbeitern vorgeschlagenen Mechanismus zur Faltung mitochondrialer Proteine [Mannig-Krieg et al., 1991].

1.5.2 Grundlagen molekularer Defekte der Mittelketten-spezifi-schen-Acyl-CoA-Dehydrogenase

Mit zunehmendem Wissen über die molekularen Grundlagen der mitochondrialen Oxidation von Fettsäuren wurden in den letzten ca. 20 Jahren eine beträchtliche Anzahl damit verbundener Stoffwechseldefekte aufgeklärt. Etwa der Hälfte aller am Abbau und Transport von Fettsäuren beteiligten Enzyme kann heute inzwischen ein genetischer Defekt zugeschrieben werden [Coates & Tanaka, 1992]. Kølvraa und Mitarbeiter [Kølvraa et al., 1982] erbrachten 1982 erstmals Hinweise auf das Vorhandensein eines Defektes der Mittelketten-spezifischen oder "generellen" Acyl-CoA-Dehydrogenase. Unabhängig davon konnten in der Folge von mehreren Arbeitsgruppen die Ursachen sowie die Folgen des zugrundeliegenden Defektes der MCAD-Defizienz analysiert und beschrieben werden [Ding et al., 1990; Gregersen et al., 1991; Kelly et al., 1990; Matsubara et al., 1990;

Yokota et al., 1990; Yokota et al., 1991]. Unter allen bisher bekannten Defekten nimmt die Häufigkeit der mittelkettigen Acyl-CoA-Dehydrogenase eine besondere Stellung ein.

Tabelle 1-1 gibt einen Überblick über bisher bekannte Defekte der MCAD.

Tabelle 1-1 Verteilung der 985A G Mutation, sowie weiterer varianter Allele aus 55 nichtverwandten MCAD-defizienten Patienten [nach Yokota et al., 1992].

A. Genotypen des MCAD-Locus

Von 55 untersuchten nicht-verwandten, MCAD-defizienten Patienten:

44 homozygot für 985A G

10 heterozygot für985A Gund anderer varianter Allele 1 Patient ohne985A GAustausch

B. Häufigkeit verschiedener Varianten der MCAD-Allele

1.985A G (Lys329 Glu) 2.799G A (Gly267 Arg) 3.1124T C (Ile375 Arg)

4. 13 -Base pair Wiederholung von999T 1011C (Vorzeitiges Stop-Codon nach Tyr-337) 5.730T C (Cys244 Arg)

6.447G A (Met149 Ile) 7. Transkriptionsfehler 8. Nicht identifiziert

Zahlenwerte, welche den entsprechenden Aminosäurepositionen zugeordnet sind, be-ziehen sich auf das Vorläuferprotein.

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Die molekulare Grundlage der schlechthin als MCAD-Defizienz beschriebenen Anomalie besteht im Austausch eines Adenin (A) gegen Guanin (G) an Nucleotidposition 985 (A985 G) des für MCAD codierenden cDNA-Stranges [Kølvraa et al., 1982]. Dies bewirkt auf Proteinebene den Austausch eines natürlich vorkommenden Lys-Restes gegen Glu an Position 304 des reifen, prozessierten Enzyms (MCAD-K304 E)6. Die Häufigkeit für das Vorhandensein des Allels 985G beträgt ca. 90 % aller bisher bekannten, varianten Allele [Yokota et al., 1991]. MCAD-Defizienz gilt als autosomal rezessiv vererbbar [Gregersen et al., 1991] und tritt mit einer Häufigkeit von bis zu 1 unter 10.000 Neugeburten auf7. Untersuchungen zur ethnischen Häufigkeitsverteilung ergaben

6 Unter Berücksichtigung der 25aa umfassenden Signalsequenz entspricht dies Aminosäureposition 329 des Vorläuferproteins.

7 Für das Auftreten der 985A G Mutation werden unterschiedliche Zahlenwerte genannt. Die Angaben schwanken hierbei zwischen 1:5.000 bis 1:25.000.

ausschließlich Träger kaukasischen Ursprungs. Möglicherweise kann dieses Phänomen mit der Hypothese eines sogenannten founder effect, dem Zurückführen einer

Punktmutation auf ein- und dieselbe Person, erklärt werden [Yokota et al., 1992].

Typischerweise tritt bei Patienten mit MCAD-Defizienz eine ausgeprägte Symptomatik lediglich in den ersten zwei bis drei Lebensjahren in Erscheinung. Der für das

Krankheitsbild der betroffenen Patienten manifestierte Phänotyp ist in Tabelle 1-2 dargestellt.

Tabelle 1-2 Klinische Merkmale der MCAD-Defizienz [nach Coates, 1992c]

- Auftreten der Krankheit innerhalb der ersten zwei Lebensjahre - Episodische, durch Fastenperioden verursachte Krankheitsanfälle - Lethargie, Erbrechen, hypoglycämisches Koma

- Hepatomegalie, Steatosis

- Reye-Syndrom-ähnliche Symptomatik

- Plötzlicher und (unerwarteter)8 Tod des Patienten (sudden infant death syndrome ) Laborbefunde:

- Hypoglycämie, Hypoketonämie

- Acidurie aufgrund erhöhter Werte mittelkettiger Dicarbonsäuren (C6-C10) - Leichte Acidose

- Erhöhte Transaminase-Werte im Blut, Hyperammonämie - Verminderte Carnitin-Werte in Plasma und Geweben

Verschiedene Untersuchungen zur Aufklärung der Auswirkungen des Nucleotid- bzw.

Aminosäureaustausches erbrachten auf Ebene der mRNA vergleichbar hohe

Transkriptionsraten sowie Stabilitätswerte für Wildtyp und Mutante [Whelan et al., 1993;

Jensen et al., 1992]. Ebenso scheint der Austausch des Nucleotides Adenin gegen Guanin die Translationseffizienz nicht zu beeinflussen [Ikeda et al., 1986]. Aus nahezu allen Versuchen, die zum Nachweis der mutanten Form des MCAD-Proteins in

Fibroblastenzellen betroffener Patienten dienten, ergaben sich jedoch Hinweise auf drastisch reduzierte Enzymkonzentrationen, bzw. meßbarer Aktivitäten varianter MCAD [Gregersen et al., 1991; Inagaki et al., 1990;Whelan et al., 1993; Jensen et al., 1992].

8 Aufgrund neuerer (postnataler) Diagnosemethoden zum Nachweis der mittelkettigen Acyl–CoA Variante (985A G) wird in diesem Zusammenhang nicht mehr vom "unerwarteten" Tod des Kindes gesprochen.

Aufgrund der Lokalisation der in diesem Kapitel beschriebenen Punktmutation, die sich in der Umkehr der Ladungsverhältnisse (Lys304 Glu) von positiv nach negativ manifestiert, wurden vor allem folgende Möglichkeiten für das Fehlen einer nachweisbaren Aktivität des Enzyms diskutiert:

1. eine gegenüber dem wt erhöhte proteolytische Susceptibilität.

2. ein inkorrektes Assembly der einzelnen Monomeren zu nativen tetrameren Enzym aufgrund hoher lokaler Ladungsdichten.