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4.2 Fallstudien

4.2.4 Experteneinschätzungen

Vergleich auf der Basis großer Ähnlichkeit der Fälle mit dem Ziel, in der Kontrolle ,kleiner‘ Differenzen die verursachende unabhängige(n) Variable(n) erkennen zu

können

Vergleich auf der Basis großer Unterschiedlichkeit der Fälle mit dem Ziel,

Ähnlichkeiten bzw. isolierbare Effekte zwischen zwei Variablen festzustellen (Most Similar Cases Design) (Most Different Cases Design)

Vergleich „vieler“ oder „mehrerer“ Nationen

↓ ↑

Vergleiche zwischen wenigen oder zwei Ländern (Comparables Cases Strategy- Binary Comparisons)

(ggf. Extremgruppenanalyse)

↓ ↑

Case studies“ – Singuläre Betrachtung einzelner Länder und Einordnung in einen (theoretischen) Gesamtkontext (ggf. Sonderfälle oder Beispielfälle herausarbeiten)

Bottom Up

Quelle: Eigene Zusammenstellung.

14 So würde es bei einer Untersuchung der Wirkung von sozialstrukturellen Cleavages auf das Wahlver-halten in europäischen Ländern höchst fahrlässig sein, nur protestantische Staaten zusätzlich aufzu-nehmen und keine katholisch oder orthodox geprägten Nationen zu berücksichtigen. Damit würde man eine inhaltlich ,schiefe‘ Untersuchungsanlage erzeugen, die möglicherweise Fehler (selection bias) produzieren kann.

Abbildung 4.2: Top-Down Strategie nach Lauth et al. (2009, S. 77)

4.2.4 Experteneinschätzungen

Im Gegensatz zum Experteninterview, das zu den (mikro-)qualitativen Verfahren zählt (vgl. Meuser/Nagel, 2009), liegt die Stärke der Experteneinschätzungen in ihrer quantitativen Erfassungen, die mithilfe von standardisierten Antwortvorgaben und Skalen erhoben werden (vgl. Benoit/Wiesehomeier, 2009). Ziel dieser Da-tenerhebungsmethode ist es einen möglichst objektiven und vergleichbaren Daten-bestand zu erhalten. Dabei beziehen sich Experteneinschätzungen auf Erkenntnisse aus der Befragung von anerkannten Experten, die in dem zu untersuchenden Feld aktiv sind.3 Damit stellt sich gleichzeitig die Frage wie der Begriff „Experte” definiert ist. NachMeuser/Nagel (1991, S. 443) „[wird] als Experte angesprochen, wer in irgendeiner Weise Verantwortung trägt für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung oder wer über privilegierten Zugang zu Informa-tionen über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse verfügt”. Dabei dienen die mithilfe der Experteneinschätzungen gewonnen Informationen als ein Bestandteil ei-nes aggregierten Index, der sich auch aus anderen Datenquellen speist. Damit wird zwar das mögliche Spektrum an Experten nicht eindeutig eingeschränkt, allerdings wird eine Eigenschaft der Experten deutlich. Ihre Ausgewiesenheit für spezifische Themen, die in direktem oder indirektem Zusammenhang mit der Forschungsfrage stehen.

Aufgrund der Angewiesenheit auf Experten ist die Experteneinschätzung mit ähnli-chen Problemen wie das Experteninterview behaftet (vgl.Lauth, 2004, S. 323f). So ist die Richtigkeit der Einschätzung durch die Experten von deren beruflicher und wissenschaftlicher Position abhängig. Wie ist sichergestellt, dass die Experten die

3Bekannte Beispiele für den Einsatz von Experteneinschätzungen sind derBertelsmann Trans-formation Indexund derFreedom House Index.

Methoden 70

vergleichbare Maßstäbe bei der Bewertung anlegen? Divergierende Maßstäbe würden zu einer nicht unerheblichen Verzerrung der gewonnen Daten führen. Ein Ausweg aus dieser Problematik bietet die Berücksichtigung mehrerer unabhängiger Experten-einschätzungen zu ein und demselben Sachverhalt (vgl. Benoit/Wiesehomeier, 2009, S. 503f). Im Zuge dieses Verfahrens wird davon ausgegangen, dass ein wahrer Parameter existiert und durch eine Mittelwertbildung der gewonnen Erkenntnisse dieser den wahren Wert besser trifft.

Trotz dieser Problematik bietet sich die Experteneinschätzung als günstiges und zeitsparendes Instrument zur Erhebung von sonst nicht beobachtbaren Themen an (Benoit/Wiesehomeier, 2009, S: 511). Zudem wird durch die standardisierte Erfassung die Inkorporationen der gewonnenen Daten in einen Indikator ermöglicht.

5.1 Hypothesen

Diese Arbeit geht von einem Sektorenmodell aus, sprich der Agrarsektor wird als Analyseeinheit gehandhabt. Folglich findet eine Betrachtung auf aggregierter Ebene statt, trotz der Tatsache, dass der Agrarsektor sich nach Alter, Land und Speziali-sierung weiter in verschiedene Untersektoren und damit variierende Interessen un-tergliedert. Das Gros der oben angeführten Modelle und Studien bewegt sich jedoch im Bereich der aggregierten Ebene. Dies entspricht dem wissenschaftlich Machba-ren und analysiert den Agrarsektor eines Landes als eine Einheit gegenüber andeMachba-ren Sektoren in einer Volkswirtschaft, beispielsweise dem Industrie- und Dienstleistungs-sektor.

Diese Arbeit geht dabei, wie bereits in der Einleitung genannt, zweierlei Fragen nach.

Erstens, warum kommt es zum Staatseingriff in den Agrarsektor? Unter Rückgriff der theoretischen Überlegungen des Kapitel 3 sowie den beiden Verortungen lässt sich die Frage zuspitzen: Welche internen Charakteritika müssen Interessengruppen des Agrarsektors erfüllen, damit sie in den Genuss von Subventionen und Protektion im Rahmen der nationalen Wirtschafts- und Handelspolitik kommen?

Zweitens, welche Auswirkung haben die durch erfolgreiche Interessenvermittlung be-einflussten agrarpolitischen Entscheidungen auf die Gesamtwohlfahrt der Gesell-schaft? Anders formuliert: welche Folgen haben staatliche Eingriffe – sowohl protek-tionistischer als auch diskriminierender Natur – in den Agrarsektors auf die Wohl-fahrt der Volkswirtschaft?

Während Kapitel 3.4 auf die zweite Frage theoretisch eingeht, werden in Kapitel 6.1 die empirischen Erkenntnisse hierzu dargelegt. An dieser Stelle soll nun aber die Entwicklung der Hypothesen zur ersten Fragestellung geleistet werden.

Unter Zuhilfenahme der Überlegungen von Olson, Becker und den Indikatoren der Mobilisierung vonAtkinson/Colemanbewegt sich diese Arbeit im Bereich der Studien, die den Erfolg von Interessengruppen in den internen Charakteristika der Interessengruppen suchen. Erfolg bedeutet Staatseingriffe im Sinne von Protektion und Diskriminierung im Agrarsektor zu den eigenen Gunsten beeinflussen zu können.

Hypothesen 72

Die Abschnitte 3.1.1.3 und 3.1.2.4 zeigten anhand zweier Trichter wo sich diese Arbeit positioniert und weshalb diese Verortung vorgenommen wird. Im Folgenden sind beide Trichter zu einem Analyseschema zusammengefügt, das nochmal den Argumentationsstrang illustriert.

Stimmenmaximierender Politiker Wohlfahrtmaximierender Politiker

Interessengruppen erklärt

UNABHÄNGIGE VARIABLE ABHÄNGIGE VARIABLEAusprägung

der Agrarpolitik

Abbildung 5.1: Beide Trichter im Überblick

Es gelingt nun anhand des theoretischen Hintergrunds Forschungshypothesen zu for-mulieren. Dabei dientMancur Olson als Ausgangspunkt der Hypothesenbildung.

Wie in Kapitel 3.2 gesehen, können kleine „distributional groups” das Trittbrettfahrer-Problem besser lösen als große Gruppen, sogenannte „encompassing groups”. Beson-ders gilt dies im Entstehungsstadium eines Sektors.

Erste Hypothese1 Je kleiner der Agrarsektor, desto besser kann er sich organisie-ren, das Trittbrettfahrer-Problem reduzieren und damit politische Entscheidungen zu seinen Gunsten beeinflussen.

Größe ist ein recht grobes Maß. Daher fügen Atkinson/Coleman (1989) interne Charakteristika hinzu. Sie gehen einen Schritt weiter als Olson, indem sie über Indikatoren bestimmen wie der Sektor intern beschaffen sein muss, damit er sich erfolgreich mobilisieren kann.

Zweite Hypothese2 Die Mobilisierung von Interessengruppen des Agrarsektors steigt mit

a) abnehmender Konkurrenz der organisierten Interessen im Agrarsektor.

b) zunehmender Konzentration der potenziellen Mitglieder des Agrarsektors unter dem Dach ihrer Organisation.

1Abgeleitet vonOlson(1982, S. 41).

2Abgeleitet vonAtkinson/Coleman(1989, S. 52).

c) zunehmender Fähigkeit politische und technische Informationen zu generieren.

d) zunehmender Fähigkeit intern bindende Entscheidungen zu treffen.3

Im Folgenden werden diese Hypothesen operationalisiert. Dank der somit messbaren Variablen ist es möglich die quantitative und qualitative Forschung zu tätigen. Die Ergebnisse des quantitativen Schritts befinden sich komprimiert in Kapitel 6.1. Die qualitative Untersuchung findet mittels der Fallstudien des Kapitels 7 statt. Der Po-licy Advice in Kapitel 8 sowie das Schlusskapitel fassen die Erkenntnisse zusammen.

3Die Hypothese 2c und verstärkt noch Hypothese 2d scheinen sich auf den ersten Blick auf Aktivitä-ten zu konzentrieren. Dem ist nicht so. Die Informationen an sich, die in 2c genannt werden, sowie die verbindlichen Entscheidungen an sich, die in 2d angesprochen werden, sind selbstverständli-che keine Charakteristika. Es geht in beiden Fällen jedoch ausdrücklich um die Fähigkeit zum einen Informationen zu generieren und zum anderen Entscheidungen bindend zu machen. Diese Fähigkeiten wiederum behandelt diese Arbeit als interne Charakteristika einer Interessengruppe.

Sie stehen damit im Einklang mit der Positionierung auf Seiten der Studien, die Charakteristika der Interessengruppe als dominante Variable zur Erklärung des Einflusses von Interessengruppen verwenden.

Operationalisierung 74