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I. Einleitung

I.7 Experimentelle Modelle zur Isolierung und Charakterisierung von

Neben den funktionellen und morphologischen Unterschieden zwischen BTICs, Vorläuferzellen und differenzierten Tumorzellen bleibt die Frage offen, ob sich diese Tumorzellpopulationen auch zytogenetisch unterscheiden und ob diese Unterschiede in Rezidivtumoren oder nach Strahlentherapie fortbestehen oder sich verändern. Um diese Frage beantworten zu können, spielt die Wahl des experimentellen Modells/

Materials eine wichtige Rolle. Im Rahmen von Forschungsarbeiten können GBM-Zellen, z. B. aus Primärkulturen oder aber aus standardisierten GBM-Zelllinien als experimentelles Modell/ Material verwendet werden (Lee J et al. 2006). Jede dieser Möglichkeiten hat Vor- und Nachteile (Lee J et al. 2006; Kondo 2006).

I.7.1 Tumorbiopsie

Die Tumorbiopsie nativ oder nach Formalinfixierung und Paraffineinbettung eignet sich zur phänotypischen und genotypischen Charakterisierung mittels konventioneller histologischer, immunhistologischer und molekulargenetischer Techniken. Der Vorteil der unmittelbaren und direkten Untersuchung des Tumormaterials ist die Möglichkeit, den Tumor in seiner ursprünglichsten Form zu untersuchen. Die paraffinierten Tumorblöcke sind des Weiteren unbegrenzt lagerbar und jederzeit wieder verfügbar.

Die Tumorbiopsie gehört zum bevorzugten Material in der histopathologischen Diagnostik. Zum Nachteil der Tumorbiopsie gehört, dass Untersuchungen nur zu einem Querschnitt in der Tumorentwicklung und nur sehr eingeschränkt funktionelle Längsschnittuntersuchungen möglich sind, da Verlaufsbiopsien oder Material aus Rezidivtumoren nach Therapie nur selten zur Verfügung stehen. Dieses Problem wird besonders in der multizentrischen TCGA-Studie (The Cancer Genome Atlas Research Network) deutlich, der größten Studie, die bisher zum GBM durchgeführt wurde. Bei einer Fallzahl von 206 GBM stand nur in 21 Fällen eine zweite Biopsie

nach den Therapiemaßnahmen zur Verfügung. Das heißt, dass lediglich in 10 % der Fälle eine Längsschnittuntersuchung von Tumoren möglich war (TCGA 2008).

I.7.2 Zellkultur

Tumorzellen können auch aus nativen Gewebeproben nach Herauslösung aus ihrem Gewebsverbund unter in-vitro-Bedingungen in Kulturflaschen mit speziellen Nährlösungen kultiviert werden. So sind die Tumorzellen in der Lage sich in vitro zu vermehren. Je nachdem über wie viele Generationen die Zellkulturen sich passagieren lassen, handelt es sich um Primärkulturen oder um immortalisierte Zelllinien (Schmitz 2009).

Die Zellkultur bietet die Möglichkeit unter experimentellen Bedingungen die weiteren Entwicklungen und Reaktionen der Tumorzellen, z.B. in Bezug auf Therapieverfahren zu untersuchen (Bao et al. 2006). Ebenfalls erlaubt die Zellkultur, durch Klonierung Subpopulationen mit unterschiedlichen Eigenschaften innerhalb eines heterogenen Tumors zu isolieren und zu untersuchen (Singh et al. 2004; Galli et al. 2004). Dieser Vorteil ist besonders für die Analyse von kleinen Subpopulationen innerhalb eines Tumors wichtig, wie z.B. den BTICs, deren Anteil in unterschiedlichen Studien auf zwischen 3 bis 5 % der Tumormasse geschätzt wird (Yuan et al. 2004). Mit Hilfe der Zellkultur besteht die Möglichkeit tumorigene Populationen zu isolieren und ihre Eigenschaften gezielt weiter zu untersuchen (Singh et al. 2004; Galli et al. 2004).

Deshalb sind Zellkulturen ein wichtiges experimentelles Modell zur Erforschung von GBM-Subpopulationen.

Des Weiteren können an Zellkulturen mögliche Therapien und ihre zellulären Auswirkungen getestet werden. Welche Relevanz die Erforschung dieses Bereiches hat verdeutlicht die TCGA-Studie. Dort zeigten sich nämlich zwischen erstdiagnostizierten GBM und den Rezidiven deutliche Unterschiede in Bezug auf genetische Mutationsraten (TCGA 2008). Ein Nachteil von kultivierten Zellen ist, dass unter Zellkulturbedingungen selbst Veränderungen induziert werden können (Li et al.

2008).

Primärkultur

Bei der Anzucht einer Primärkultur erfolgt die Kultivierung der Zellen wie oben beschrieben direkt aus einem OP-Präparat (Präve et al. 1994; Schmitz 2009). Bis zur ersten Subkultivierung (d. h. Kultivierung von Tochterzellen) wird die Kultur als

Primärkultur bezeichnet. Alle Nachfolgergenerationen sind Subkulturen (Schmitz 2009).

Kultivierungsinduzierte phänotypische oder genotypische Veränderungen sind aufgrund der kürzeren in-vitro-Kultivierungsdauer weniger häufig in Primärkulturen anzutreffen als in Zelllinien (Li et al. 2008). Allerdings haben Primärkulturen den Nachteil, dass sie sich nur zeitlich begrenzt in vitro halten lassen und aus einer Mischung unterschiedlicher Zellpopulationen bestehen (Präve et al. 1994). Eine eindeutige Isolierung und längerfristige Untersuchung bestimmter Zelltypen (BTICs, Non-BTICs, Gliazellen, endotheliale Zellen) ist nur schwer möglich.

Zelllinien

Zelllinien sind immortalisierte, klonal expandierte Zellpopulationen monoklonalen Ursprungs, die theoretisch unbegrenzt verfügbar, und unter in-vitro-Bedingungen länger standardisiert haltbar sind, als Primärkulturen und sich somit für Experimente, welche über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden, gut eignen (Präve et al.

1994). Alle Zelllinien sind aus anfänglichen Primärkulturen hervorgegangen (Schmitz 2009). Mit Hilfe spezieller, auf die Bedürfnisse der Tumorzellen angepasster Nährmedien erfolgt eine selektionierte Anzüchtung (Subkultivierung) von Zelllinien, die aufgrund ihrer Eigenschaften unbegrenzt kultivierbar sind. Zelllinien bieten die Möglichkeit Analysen an standardisierten, genetisch homogenen Zellpopulationen mit definierten Eigenschaften durchzuführen (Präve et al. 1994). Die unbegrenzte Verfügbarkeit und in-vitro-Kultivierung der Zelllinien sind für Analysen, welche sich über einen längeren Zeitraum erstrecken ebenfalls vorteilhaft.

Zelllinien als experimentelles Modell haben den Nachteil, dass sie sich unter längerer Passagezeit bei in-vitro-Kulturbedingungen in gewissen Eigenschaften verändern können. Zytogenetisch äußert sich das z.B. in komplexen Karyotypen, in denen tumortypspezifische zytogenetische Aberrationen vollends maskiert sein können. So waren einige genetische Aberrationen, wie z. B. Deletionen an Chromosomen 13 und 21 sowie eine Amplifikation an Chromosom 20, welche in Primärkulturen noch nachweisbar waren, nach Langzeitkultivierung nicht mehr identifizierbar (Li et al.

2008). Auch können neue Veränderungen auftreten, wie z.B. eine Amplifikation von Chromosom 5 oder eine Deletion von Chromosom 18, welche nur in Langzeit-Kulturen von GBM beobachtet worden sind, und eine in-vitro-Erscheinung sein sollen

(Li et al. 2008). Ein Großteil genetischer Aberrationen konnte jedoch sowohl in der Primärkultur wie auch in Zelllinien nachgewiesen werden (Li et al. 2008).

I.7.3 Serumhaltige Kulturbedingungen im Vergleich zu serumfreien Kulturbedingungen

Neben diesen allgemeinen Zellkulturaspekten, wird speziell bei GBM intensiv diskutiert, ob konventionelle, serumhaltige Kulturbedingungen für die Kultivierung von BTICs geeignet sind.

Bei der konventionellen Tumorzellkultivierung besteht das Nährmedium der Tumorzellen aus einem basischen Medium z.B. MEM, supplementiert mit fetalem Kälberserum (FCS). Das serumhaltige Medium ist unselektiv und für die Kultivierung von tumorigenen und auch nicht-tumorigenen Zellen geeignet. Im Gegensatz hierzu nutzt die serumfreie Kultivierung ein basisches Medium, z.B. Neurobasal, welches mit Wachstumsfaktoren wie bFGF und EGF supplementiert ist. Diese Wachstumsfaktoren sind für die Selbsterneuerung der NSCs, wie auch für die der BTICs notwendig. Es wurde gefunden, dass die Kulturbedingungen einen maßgeblichen Einfluss auf die Erhaltung von GBM-Zellen haben. Der von Lee J et al.

(2006) durchgeführte Vergleich von serumhaltigen und serumfreien Primärkulturen, welche beide aus derselben Tumorprobe generiert worden waren zeigte, dass eine Selektion von Tumorzellen mit charakteristischen BTIC-Eigenschaften nur unter serumfreien Bedingungen, nicht aber unter serumhaltigen Bedingungen möglich ist.

Über die gesamte Passagedauer zeigten die unter serumfreien Bedingungen kultivierten Tumorzellen eine konstante Repräsentation typischer GBM- Charakteristika sowie einen stabilen Karyotyp, mit diploidem Chromosomensatz und Deletionen an 10p und 9 und eine Trisomie 7 mit einer Amplifikation des EGFR-Gens.

Des Weiteren waren die serumfreien Primärkulturen (so genannte Neurosphärenkulturen= freischwimmende, rundliche Zellkonglomerate) in der Lage in Mäusen Tumoren zu erzeugen, welche phänotypisch und genotypisch dem Ausgangstumor entsprachen und die pathognomonischen Charakteristika für GBM (wie z. B. infiltratives Wachstum, Migration entlang der weißen Substanz) aufwiesen.

Dieses Tumorinduktionspotential, GBM-typischer Tumoren behielten die serumfreien Primärkulturen auch nach der ex-vivo-Explantation und erneuter serumfreier Kultivierung bei. Überführte man nun diese aus serumfreien Primärkulturen

stammenden Tumorzellen in serumhaltige Kulturbedingungen, zeigte sich eine Differenzierungsfähigkeit in multiple Zelltypen (glial, neuronal).

Im Gegensatz dazu wurde bei Lee J et al. (2006) in den serumhaltigen Primärkulturen eine heterogene Morphologie, eine mit der Passagenummer abnehmende Proliferationsrate sowie eine Expression von Oberflächenmarkern differenzierter, glialer und neuronaler Zellen beobachtete. Sie waren weder in der Lage in Mäusen Tumoren zu induzieren noch sich in andere Zellen zu differenzieren.

Außerdem wiesen diese Zellen einen instabilen Karyotyp mit einem triploiden oder tetraploiden Chromosomensatz auf. Weiter wurde bei Lee J et al. (2006) gezeigt, dass serumhaltige Primärkulturen in einer anschließenden Überführung in serumfreie Kulturbedingungen nicht in der Lage waren zu überleben und zu proliferieren (Lee J et al. 2006). Ähnliche Versuche wurden auch mit etablierten GBM-Zelllinien (U87, U251) durchgeführt (Galli et al 2004; Lee J et al. 2006). Die dabei verwendeten GBM-Zelllinien U87 und U251 zeigten ähnliche Eigenschaften wie die unter serumhaltigen Bedingungen kultivierte Primärkultur. Aufgrund dieser Ergebnisse wird generell angenommen, dass serumhaltige Kulturbedingungen zu einem Wandel innerhalb der Tumorzellpopulation (von BTICs zu differenzierten Tumorzellen) führen, welcher später durch serumfreie Kultivierung nicht rückgängig gemacht werden könne (Lee J et al. 2006). Daher wird die Relevanz experimenteller Modelle, welche konventionell etablierte GBM-Zelllinien verwenden in Frage gestellt (Galli et al 2004; Lee J et al. 2006). Einer der Hauptkritikpunkte ist, dass viele unter serumhaltigen Bedingungen etablierte GBM-Zelllinien entweder keine Tumorinduktionsfähigkeit besitzen oder Tumoren generieren, die kaum dem menschlichen GBM ähneln (Lee J et al. 2006; Li et al. 2008). Ein weiterer Kritikpunkt ist der Mangel an, mittels CGH nachgewiesenen, gliomcharakteristischen, chromosomalen Aberrationen (wie z. B. Amplifikationen an Chromosom 7, 20 und 21) in einigen unter serumhaltigen Bedingungen gehaltene GBM-Zelllinien, welche jedoch atypische genetische Veränderungen zeigen (Li et al. 2008).

In Gegensatz zu dieser weit verbreiteten Meinung, haben andere Studien gezeigt, dass stammzellähnliche GBM-Zellen sehr wohl auch aus konventionellen, unter serumhaltigen Bedingungen etablierten GBM-Zelllinien gewonnen werden können (Kondo et al. 2004) und sie in serumfreien Medien kultiviert werden können (Kondo et al. 2004; Phillips et al. 2006; Tso et al. 2006) und, dass Tumorzellen mit

Primärkulturen gewonnen wurden ihre stammzellähnlichen Eigenschaften auch nach dem Transfer in serumhaltige Kulturbedingungen beibehalten (deCarvalho et al.

2010). Der Grund für diese unterschiedlichen Beobachtungen, dass manche konventionellen Zelllinien ihre GBM-typischen, tumorstammzellähnlichen Eigenschaften behalten während andere Zelllinien sie unter konventionellen Kulturbedingungen verlieren bleibt unbekannt. Ein Problem ist, dass verschiedene Studien unterschiedliche Zelllinien verwendet haben oder, dass die in diversen Studien verwendeten individuellen Primärkulturen einen Vergleich der unterschiedlichen Studienergebnisse erschweren. Eine mögliche Erklärung für den, in einigen GBM-Zelllinien beobachteten fehlenden Nachweis an BTIC-Eigenschaften, könnte die Vermutung sein, dass es sich dabei um die individuellen Eigenschaften der jeweiligen Zelllinien handelt und kein generelles Phänomen aller Zelllinien darstellt.

Generell gilt jedoch die Fähigkeit zur Neurosphärenbildung unter serumfreien, stammzellähnlichen Bedingungen als ein Surrogatparameter für BTICs, und Vorläuferzellen (Potten 1997a, b; Yuan et al. 2004; Kondo et al. 2004; Panagiotakos und Tabar 2007; Azari et al. 2011).