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A. Teil I: Gegenstand und Organisation der Evaluierung

V. Methodisches Vorgehen

1. Evaluierungsstudie der Sachverständigen

IV. Methodisches Vorgehen

Während die Evaluierungsstudie der Sachverständigen den Hauptteil der Untersuchung ausmachte, kamen wei-tere ergänzende Methoden zum Einsatz. Sämtliche Methoden sollen hier kurz dargestellt werden:

1. Evaluierungsstudie der Sachverständigen

Bei der Evaluierungsstudie handelt es sich um eine reine Hellfelduntersuchung. Da Ziel der Studie nicht die Erforschung der tatsächlichen Verbreitung von Doping im Sport, sondern allein die Erfassung der Auswirkun-gen des AntiDopG auf die strafrechtliche Ahndung von Dopingverstößen war, spielte das Dunkelfeld keine entscheidende Rolle.

Es wurden folgende Methoden eingesetzt:

a) Auswertung von Verfahrensakten aa) Sample

Die Aktenauswertung beschränkte sich nach den Vorgaben der beteiligten Bundesministerien auf Strafverfah-ren zum Selbstdoping nach § 4 Abs. 1 i. V. m. § 3 AntiDopG. Ziel war eine Totalerhebung aller thematisch einschlägigen Akten von Ermittlungsverfahren aus nicht laufenden Verfahren seit Einführung der Strafbarkeit des Selbstdopings. Hierzu wurden zunächst von Seiten des BMJV die Justizministerien der Länder um Auskunft über einschlägige Verfahren in den verschiedenen Staatsanwaltschaften ihres Landes gebeten. Anschließend kontaktierten die Sachverständigen erneut sämtliche Landesjustizministerien sowie die gemeldeten Staatsan-waltschaften und stellten Antrag auf Akteneinsicht nach § 476 Strafprozessordnung (StPO). Alle Staatsanwalt-schaften stellten die bei ihnen vorhandenen Akten zur Verfügung. Nicht alle den Sachverständigen zur Verfü-gung gestellten Akten betrafen jedoch den Untersuchungsgegenstand; vielmehr wurden auch Akten zu Verfah-ren übermittelt, die ausschließlich wegen Verstößen gegen § 4 Abs. 1 i. V. m. § 2 AntiDopG geführt wurden.

Zur Verfügung gestellt wurden insgesamt 526 Akten. Davon hatten jedoch nur 103 Verfahren Selbstdoping zum Gegenstand. Erfasst wurden dabei sowohl Verfahren, die ausdrücklich nach den §§ 3, 4 AntiDopG geführt wur-den als auch Verfahren, bei wur-denen keine explizite Nennung des Tatbestandes erfolgte, im Rahmen der Ermitt-lungen allerdings erkennbar die Voraussetzungen des Selbstdopings geprüft wurden. Nur diese Verfahren gin-gen in die Auswertung ein. Die Akten verteilen sich wie folgt auf die verschiedenen Länder:

Land Zur Verfügung gestellt Einschlägig

Baden-Württemberg 35 35

Bayern 27 7

Berlin 9 0

Brandenburg 19 3

Bremen 5 1

Hamburg 1 1

Hessen 12 8

Mecklenburg-Vorpommern 21 4

Niedersachsen 39 7

Nordrhein-Westfalen 248 29

Rheinland-Pfalz 7 1

Saarland 1 1

Sachsen 71 0

Sachsen-Anhalt 5 2

Schleswig-Holstein 12 1

Thüringen 14 3

Gesamt 526 103

bb) Kodierung quantitativ und qualitativ

Die Einsichtnahme in die Akten erfolgte teilweise in den Räumen der Staatsanwaltschaften, teilweise wurden die Akten an die Universitäten Augsburg oder Leipzig versendet. Für die Kodierung der Akten wurde – in Abstimmung mit den beteiligten Bundesministerien – ein qualitativer Kodierbogen (in Excel) entwickelt, der 32 Kategorien zu Phänomen, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren sowie den aufgeworfenen Rechts- und Be-weisfragen enthielt. Die Festlegung der Kategorien folgte den zuvor erarbeiteten Forschungsfragen, zu denen detaillierte Unterfragen formuliert wurden. Um durch die getroffenen Vorannahmen keine für die Evaluation relevanten Aspekte auszuklammern, wurde eine offene Kategorie („Sonstige Besonderheiten“) aufgenommen.

Für die quantitative Auswertung wurde ein Codebuch angelegt, in dem numerisch zu erfassende Daten – etwa die Häufigkeit der betroffenen Sportarten oder die Form des Verfahrensabschlusses – festgehalten wurden.

Um eine größtmögliche Übereinstimmung in der Kodierung zu gewährleisten, wurden die ersten Verfahrens-akten von den Sachverständigen gemeinsam kodiert. Anschließend wurden die Analyseergebnisse mit Blick auf etwaige Abweichungen verglichen. Auf diese Weise konnten frühzeitig Unterschiede in der Kodierung offen-gelegt und Divergenzen behoben werden. Erst nachdem eine Kodierübereinstimmung von über 90 Prozent er-reicht wurde, erfolgte eine selbstständige Übertragung der Akten in den Analysebogen.23

cc) Auswertung

Die Erkenntnisse der qualitativen Aktenanalyse wurden in eine gemeinsame Excel-Tabelle übertragen. Die Ta-belle konnte anschließend vertikal und horizontal ausgewertet werden. Die vertikale Betrachtung ermöglichte eine verfahrensübergreifende Analyse bestimmter Merkmale und Kategorien; die horizontale Lesart zeichnete das vollständige Bild eines konkreten Verfahrens.

Die Auswertung der quantitativen Daten erfolgte mittels des Statistikprogrammes IBM SPSS Statistics v. 26.

Zunächst wurden die Ergebnisse der qualitativen Datenerhebung entsprechend der Vorgaben aus dem Codebuch in einer separaten Excel-Tabelle kodiert. Der Datensatz wurde anschließend in SPSS importiert und auf seine Vollständigkeit verifiziert. Die Kodierung der Informationen erfolgte weitestgehend in einer nominalen Skalie-rung. Mehrfachnennungen waren in Einzelfällen möglich (z. B. im Rahmen der angewendeten Zwangsmaßnah-men). Für die Bestimmung von Zeitabständen (z. B. der Dauer des Ermittlungsverfahrens) wurde eine metrische Skalierung gewählt.

Nach der Datenaufbereitung wurde der vollständige Datensatz (n=103) mittels deskriptiver Statistik verdichtet, um Messzahlen sowie Tabellen und Grafiken zu den oben benannten Forschungsfragen zu liefern.24 Da die vorliegenden Ergebnisse auf einer Vollerhebung aller in Deutschland durchgeführten Ermittlungsverfahren we-gen des Anfangsverdachts auf Selbstdoping beruhen, ist – vorbehaltlich der Zusendung aller einschlägiwe-gen Ver-fahrensakten – eine Prognose durch induktive Statistik nicht erforderlich.

Die nominal skalierten Daten wurden auf ihre absolute sowie relative Häufigkeitsverteilung untersucht. Dabei wurden die Messzahlen im Hinblick auf ihre relative Häufigkeit sowohl gegen den gesamten Datensatz (n=103) als auch gegen die Anzahl aller einschlägigen Verfahren (n=variabel) gerechnet. Zur besseren Veranschauli-chung wurden die Messzahlen zusätzlich durch Kreis- oder Balkendiagramme visualisiert. Die metrisch ska-lierten Daten sind im Hinblick auf Mittel- sowie Minimal- und Maximalwert ausgewertet worden. Die Auswei-sung des Medians war aufgrund der geringen Schwankungen nicht erforderlich.

b) Experteninterviews

Die Durchführung von Experteninterviews diente zum einen der Evaluation von § 2 AntiDopG, da diese Vor-schrift nicht Gegenstand der Aktenuntersuchung war. Zum anderen konnten die Gespräche die Aktenauswer-tung zum Selbstdoping in wichtigen Punkten ergänzen: Erfahrungsgemäß sind Strafakten in ihrem Informati-onsgehalt lückenhaft und nehmen entscheidende Strategien und Hintergründe, wie Absprachen, faktische Hin-dernisse und Verteidigungsstrategien, nur unzureichend auf.

aa) Sample

Die konkrete Auswahl einzelner Interviewpersonen geschah größtenteils durch Anfrage bei den Behörden bzw.

Vereinigungen. Die Gefahr einer strategischen Selektion durch die auswählende Mittelsperson25erschien hier gering, da sich die Benennung der Experten weitgehend aus den Verantwortungsbereichen innerhalb der jewei-ligen Institution ergab. Tatsächlich ist in keinem Fall der Verdacht einer strategischen Auswahl entstanden.

Nach dem Eindruck der Sachverständigen haben die Mittelspersonen jene Experten benannt, die in ihrem Zu-ständigkeitsbereich über die größte Erfahrung mit der Doping-Bekämpfung verfügten.

Interviews wurden mit folgenden Expertinnen und Experten26 geführt:

 1 Vertreter der NADA

 1 Vertreter Zollfahndungsamt Frankfurt a.M.

 1 Vertreter Hauptzollamt Frankfurt a.M.

 1 Vertreter Zollkriminalamt

 1 Vertreter Bundeskriminalamt (BKA)

 1 Vertreter Athleten Deutschland e. V.

 1 Vertreter Athletenvertretung beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB)

 1 Vertreter DOSB

 2 Staatsanwälte Staatsanwaltschaft Frankfurt a.M.

 2 Staatsanwälte Schwerpunktstaatsanwaltschaft Zweibrücken

 2 Staatsanwälte Schwerpunktstaatsanwaltschaft Freiburg

 1 Staatsanwalt Schwerpunktstaatsanwaltschaft München27

 1 Richter AG Zweibrücken28

 1 Richter LG München

bb) Design der Interviewleitfäden

Um Antworten auf alle relevanten Forschungsfragen zu erhalten, wurden die Interviews durch Gesprächsleitfä-den strukturiert, die die Sachverständigen in Abstimmung mit Gesprächsleitfä-den beteiligten Bundesministerien erarbeitet ha-ben. Für jede zu befragende Gruppe wurden eigene Leitfäden entwickelt, die auf den jeweils konkreten Erfah-rungsbereich der Interviewperson zugeschnitten waren, für eine bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse jedoch im Kern dieselben Fragen enthielten.

In den Experteninterviews war eine stärkere Steuerungs- und Strukturierungsfunktion unschädlich, da weniger die subjektiven Relevanzsysteme der Befragten als vielmehr fachspezifische Fragestellungen im Vordergrund standen.29Die Orientierung an einem Leitfaden gewährleistete eine Vergleichbarkeit der Interviews im Rahmen der späteren Analyse.30Um trotz des vergleichsweise hohen Strukturierungsniveaus dem qualitativen Prinzip der Offenheit Rechnung zu tragen,31enthielt der Leitfaden zunächst thematisch fokussierte, aber narrativ offene Erzählaufforderungen, die durch mögliche detailliertere Nachfragen ergänzt werden konnten.32

Beispielfragen:

Beispiel für eine offene Fragestellung: „Welche Ermittlungs- und Zwangsmaßnahmen set-zen Sie für die Aufklärung von Doping-Fällen ein und mit welchem Erfolg?“

Beispiel für eine mögliche Nachfrage: „Hat die Zulässigkeit der TKÜ Ihre Ermittlungs-möglichkeiten verbessert?“

Die Übersetzung der allgemeinen Forschungsfragen in konkrete und für die Experten nachvollziehbare Inter-viewfragen33erfolgte im Wege des vonHelfferich entwickelten methodisierten „SPSS“-Verfahrens.34 Der Leit-faden für die Interviews mit den Experten enthielt verschiedene modulare Inhaltsbereiche zu Phänomen und Verfolgung von Doping.35 Ein exemplarischer Leitfaden ist als Anlage beigefügt (siehe E.).

cc) Art der Durchführung und Auswertung der Interviews

Die Interviews wurden zum größten Teil telefonisch, zum kleineren Teil in persönlicher Anwesenheit geführt und mit Zustimmung der Interviewten aufgezeichnet. Die Aufnahmen der im Schnitt etwa 30 bis 40 Minuten dauernden Gespräche wurden anschließend für die Auswertung transkribiert. Die Auswertung der Interviews

erfolgte rein qualitativ und nach denselben Grundsätzen wie die Analyse der Akten. Die Leitfäden wurden in Kategorien übersetzt und die Antworten in eine gemeinsame Excel-Tabelle übertragen.