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Durch chronische Mittelohrentzündungen oder Otosklerose kann es zu Zerstörung oder Funktionsverlust der Gehörknöchelchenkette kommen. Um diese zu rekonstruieren, besteht daher in der Humanchirurgie weiterhin ein großer Bedarf an alloplastischen Materialien, die sowohl stabile Schallleitungseigenschaften als auch eine angepasste Bioaktivität aufweisen sollen. In der vorliegenden Studie wurden Prothesen aus Bioverit®, beschichtet mit einer nanostrukturierten Oberfläche, und Prothesen aus Chitosan-Hydroxylapatit-Komposit eingesetzt. Als Kontrolle dienten hierbei Prothesen aus unbeschichtetem Bioverit®.

Glaskeramiken, wie Bioverit® wurden bereits erfolgreich in der rekonstruktiven Mittelohrchirurgie eingesetzt [4]. In den letzten Jahren hat es vermehrt Untersuchungen zur Biokompatibilität von Nanostrukturen gegeben. Als nanostrukturiert ist dabei eine Oberflächenstruktur mit einem Größenbereich unter 100 nm definiert [7]. In diesem Größenbereich konnte ein verbessertes Zellwachstum und eine verbesserte Materialstabilität festgestellt werden [8,9].

Knochen besteht aus organischen und anorganischen Komponenten. In Nachahmung einer solchen Zusammensetzung wurden daher bei der zweiten Prothese Chitosan als organische Komponente und Hydroxylapatit als anorganische Komponente gewählt. Prothesen aus reinem Hydroxylapatit werden bereits in der Mittelohrchirurgie eingesetzt und weisen ebenfalls eine gute Biokompatibilität auf [12]. Chitosan wird aus Schalentieren gewonnen.

Die Biokompatibilität und der osteokonduktive Charakter von Chitosan-Hydroxylapatit-Kompositen wurde in Studien vielfach belegt [15-21]. Das Ziel dieser Studie war es daher, sowohl den Einfluss nanostrukturierter Oberflächen als auch das Verhalten von organisch-anorganischen Chitosan-Hydroxylapatit-Kompositen im speziellen Einsatzbereich des Mittelohres zu untersuchen.

In Rahmen der tierexperimentellen Studie erfolgte bei 40 Kaninchen im Alter von circa 6 Monaten eine einseitige Implantation. Bei den Prothesen handelt es sich um TORPs (total ossicular replacement prostheses), eine Prothesenform, bei der die gesamte Gehörknöchelchenkette ersetzt wird. Die nanostrukturierten Bioverit®-Prothesen setzen sich aus einem circa 2 mm langen massiven Schaft und einer runden Kopfplatte mit einem

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Durchmesser von circa 1,7 mm zusammen. Die nanostrukturierte Beschichtung besteht aus Siliciumdioxid, welches in einem „Dip-Coating-Verfahren“ auf die Bioverit®-Prothese aufgetragen wird. Die Chitosan-Hydroxylapatit-Prothesen bestehen aus einem ca. 1,3 mm dicken Zylinder der individuell gekürzt werden kann. Die zur Implantation erforderliche Narkose erfolgte nach Intubation mittels einer Isofluran-Inhalation. Bei der Operationstechnik handelt es sich um eine Tympanoplastik Typ 3 nach WULLSTEIN. Der Eingriff wurde ausschließlich am rechten Ohr durchgeführt. Das linke Ohr diente als Kontrolle. Die Sichtkontrolle während der Operation erfolgte durch ein Lasermikroskop. Nach Eröffnung des Gehörgangs wurden die Gehörknöchelchen mit einer Laserstärke von 40MJ bis auf die Stapesfußplatte entfernt. Die Prothese wurde mit dem Schaft auf der Stapesfußplatte und dem Kopf auf der Trommelfellebene eingestellt. Die Implantate wurden für 28 Tage, 84 Tage oder 300 Tage belassen. Nach Euthanasie der Tiere wurden die Felsenbeine entnommen und die Paukenhöhlen eröffnet. Die Präparate wurden in Glutaraldehyd fixiert, dehydriert, getrocknet und in Epoxid eingebettet. Zur histologischen Untersuchung wurden die Präparate in einem Mikroschleifverfahren geschliffen, poliert und anschließend angefärbt. Die Untersuchung erfolgte mittels Auflichtmikroskopie und externer Lichtquelle bis zu einer 320fachen Vergrößerung. Die Präparate wurden in mindestens fünf Schnittebenen durchgemustert.

Dabei wurden Mukosabildung, Bindegewebsbildung, Ossifikation, Stabilität und Oberflächenbeschaffenheit graduell bewertet und verglichen. Die Aufzeichnung und Bearbeitung der Befunde erfolgte mit einer digitalen Kamera und einem speziellen Bildverarbeitungsprogramm (Analysis pro 3.2).

Nach 28 Tagen waren bis auf eine Ausnahme alle Chitosan-Hydroxylapatit-Prothesen disloziert. Dieses Phänomen konnte bis auf eine Ausnahme weder bei den nanostrukturiert beschichteten noch bei den unbeschichteten Bioverit®-Prothesen beobachtet werden.

Zusätzlich zeigte sich bei den Chitosan-Hydroxylapatit-Prothesen eine vermehrte Materialinstabilität. Weiterführende Untersuchungen ergaben, dass dieses Komposit sich bei vermehrtem Flüssigkeitskontakt, wie er intra operationem beispielsweise durch kleinere Exsudationen gegeben ist, ausdehnt und bei Trockenheit wieder zusammenzieht. In der mikroskopischen Untersuchung der Chitosan-Hydroxylapatit-Prothesen zeigte sich eine dicke, fibröse Kapsel. Zudem kam es zu einer vermehrten Granulationsgewebsbildung in der

Paukenhöhle. Sowohl um die unbeschichteten als auch um die nanostrukturierten Prothesen hatte sich zu großen Anteilen bereits nach 28 Tagen eine mit dem Mittelohrepithel vergleichbare und somit erwünschte Mukosaschicht gebildet. Verglichen mit den unbeschichteten Prothesen zeigten die nanostrukturierten Prothesen, bezogen auf die Oberfläche, einen geringgradig vermehrten Mukosaüberzug. Am Kopf- und Fußende der nanostrukturierten und unbeschichteten Bioverit®-Prothesen kam es zu einer vermehrten Bildung von faserreichem Bindegewebe. Diese führte zu einer erhöhten Stabilität der Fixation der Prothesen. Unabhängig vom Implantationszeitraum zeigte sich in diesen Bereichen auch eine geringe Ossifikationsneigung. Eine überschießende [3] oder komplett fehlende [2]

Ossifikation konnte in der vorliegenden Studie nicht festgestellt werden. In diesem Zusammenhang sollte festgehalten werden, dass die menschlichen Ossikel post partum keine Ossifikationsfähigkeit mehr besitzen [23], was bei einer Übertragung dieser Ergebnisse auf eine humanmedizinische Applikation bedacht werden sollte.

Insgesamt hatte die Implantationsdauer keinen Einfluß auf die Epithelisierung und bindegewebige Fixation, da die oben genannten Ergebnisse bereits ab dem 28. Tag in Erscheinung traten und es zu keinen signifikanten Unterschieden zwischen den einzelnen Versuchzeiträumen kam.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sowohl unbeschichtetes als auch nanostrukturiertes Bioverit® eine gute Biokompatibilität aufweisen. Im direkten Vergleich zeigte die nanostrukturierte Prothese jedoch geringgradig bessere Ergebnisse. Bioverit® -Prothesen mit einem nanostrukturierten Siliciumdioxidüberzug sind daher als vielversprechend für den Einsatz als TORP in der humanmedizinischen Mittelohrchirurgie anzusehen.

Obwohl Chitosan-Hydroxylapatit-Komposite in der Literatur Erfolg versprechende Ergebnisse in verschiedensten Implantationsformen lieferten, sprechen die Befunde dieser Studie nicht für einen Einsatz als Gehörknöchelchenersatz. Weitere Untersuchungen bezüglich der Materialzusammensetzung, des Reinheitsgrades und der Formgebung sollten erfolgen, bevor eine abschließende Beurteilung dieses Materials zum Einsatz in der rekonstruktiven Mittelohrchirurgie durchgeführt werden kann.

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