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Feinkartierung von quantitativen Merkmalsgenorten (QTL) für Osteochondrose beim Hannoverschen Warmblutpferd

Karina Komm

Einleitung

Der Gesundheitsstatus des Pferdes, insbesondere der des Bewegungsapparates spielt in Zucht-, Sport- und Freizeitnutzung eine überaus große Rolle und bedingt die Leistungsfähigkeit, Nutzbarkeit und letzten Endes auch den Wert dieser Tiere zum großen Teil. In den letzten Jahren sind röntgenologische Untersuchungen beim Pferd nahezu alltäglich geworden. Der Komplex der Osteochondrose (OC) gehört dabei zu den regelmäßig diagnostizierten orthopädischen Erkrankungen. Die OC entwickelt sich bereits bei Fohlen in einem Alter von 5 bis 9 Monaten als Folge einer gestörten Differenzierung und Reifung der Knorpel- und Knochenzellen an dafür disponierten Gelenken. Die Knie-, Sprung- und Fesselgelenke sind bei den Equiden besonders häufig betroffen. Je nach Schweregrad sind röntgenologisch darstellbare Konturveränderungen oder Rauhigkeiten an den jeweiligen Gelenkflächen aufweisbar. Bei der Osteochondrosis dissecans (OCD) handelt es sich um eine spezielle Form der OC, bei der sich ein schalenförmiges Knochen- oder Knorpelfragment abgelöst hat, das entweder mit der Gelenkfläche verbunden bleibt oder aber als sogenannter „corpus liber“ oder „Gelenkchip“ frei im Gelenk schwimmt.

Je nach Schweregrad können OC und OCD mit klinischen Symptomen wie Gelenkschwellung, Lahmheit und Schmerz einhergehen und langfristig sogar zum frühzeitigen Verlust des Pferdes führen.

Bei der OC handelt es sich um eine multifaktorielle Erkrankung, bei deren Entstehung Genetik, Haltung, Fütterung, Wachstum und Management eine Bedeutung spielen. Von allen Faktoren spielt die genetische Prädisposition hierbei eine maßgebliche Rolle bei der Entstehung dieser komplexen Erkrankung. Mit

Prävalenzen bis zu 30% kommt die OC besonders häufig beim Vollblut, Warmblut, Trabern und beim Kaltblut vor.

In vorangegangenen Genomscan- und Feinkartierungsstudien wurden beim Hannoverschen Warmblut merkmalsbeeinflussende Genorte (Quantitative Trait Loci, QTL) für OC auf den Chromosomen 2, 4, 5, 16, 18 und 21 aufgedeckt. Durch eine Erhöhung der Markerdichte mit Hilfe neu entwickelter Mikrosatelliten und Single Nucleotide Polymorphisms (SNPs) wurden in dieser Dissertation bekannte QTL auf den Chromosomen 2 und 4 weiter eingegrenzt. Die genaue Lokalisation der signifikanten Genombereiche stellt eine wichtige Voraussetzung für die Suche nach potentiellen Kandidatengenen dar.

Desweiteren sollten die identifizierten QTL aus vorangegangenen Studien durch eine genomweite Assoziationsstudie mit SNPs verifiziert werden. Durch eine Erweiterung des Pferdematerials sollten in dieser Analyse außerdem neue QTL und somit neue potentielle Kandidatengene aufgedeckt werden.

Feinkartierung der Quantitative Trait Loci auf den Chromosomen 2 und 4 des Pferdes

Material und Methoden Pedigreematerial

Im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojektes in Zusammenarbeit mit dem Hannoveraner Zuchtverband wurden Röntgenuntersuchungen an insgesamt 629 Hannoveraner Fohlen und deren Müttern der Fessel-, Sprung- und Kniegelenke durchgeführt. Für den vorausgegangenen Genomscan wurden 14 väterliche Halbgeschwisterfamilien mit insgesamt 211 Pferden ausgewählt. Diese Gruppe setzte sich zusammen aus 104 Fohlen, 99 dazugehörige Mütter, sowie acht der 14 Hengste, für die Blutproben vorhanden waren. Der Phänotyp der Hengste war nicht bekannt. Die Größe der einzelnen Familien lag zwischen drei und 20 Nachkommen, wobei die durchschnittliche Nachkommenzahl 7,4 betrug. Das Verhältnis der Geschlechter war ausgewogen.

Um eine Entwicklung der röntgenologischen Befunde bei den Fohlen beurteilen zu können, wurden ca. 68% als Zweijährige nochmals geröntgt. Zum Zeitpunkt der ersten röntgenologischen Untersuchung lag das Durchschnittsalter der Fohlen bei 6,3 Monaten. Beim zweiten Röntgentermin waren die Pferde durchschnittlich 24,2 Monate alt. 403 Fohlen (64,1%) zeigten weder Veränderungen im Sinne einer OC noch einer OCD. 118 Fohlen (18,8%) waren OCD positiv, 108 Fohlen (17,2%) OC positiv. Insbesondere wurden solche Familien für den Genomscan verwendet, die eine hohe Frequenz von OC betroffener Halbgeschwister aufwiesen und in denen die gesamte Variationsbreite der OC-Befunde vertreten war. Es wurden nur Tiere als frei von OC beziehungsweise OCD eingestuft, die weder bei der ersten, noch bei der zweiten Untersuchung röntgenologische Befunde zeigten. Für die Feinkartierung von ECA2 und 4 wurde das identische Familienmaterial verwendet, das bereits für den vorangegangenen Genomscan eingesetzt wurde.

Identifizierung von Mikrosatelliten

Zur Identifizierung von bisher unveröffentlichten Mikrosatelliten wurden ECA2 und 4 nach allen Variationen von Nukleotidwiederholungen durchsucht. Für gefundene Mikrosatelliten innerhalb der zu untersuchenden QTL wurden mit Hilfe der Programme Repeat Masker und Primer3 Primer entwickelt. Der durchschnittliche Markerabstand sollte 1 Mb nicht überschreiten. Alle Mikrosatellitenmarker wurden über PCR und Polyacrylamidgelelektrophorese ausgewertet.

Identifizierung von SNPs (Single Nucleotide Polymorphisms)

Für die nicht-parametrische Kopplungs- und Assoziationsstudien wurden neben neuentwickelten Mikrosatelliten Einzelbasenaustausche (SNPs) zur Feinkartierung der identifizierten QTL auf den Pferdechromosomen (ECA) 2 und 4 typisiert. Zur Identifizierung von SNPs wurden positionelle Kandidatengene für Osteochondrose ausgewählt. Mit Hilfe equiner BAC-Randsequenzen und in Internetdatenbanken verfügbaren WGS und EST-Sequenzen wurden in den Kandidatengenen Primer ausgewählt. Die verwendeten Primer wurden mit Hilfe des Programms Primer3 nach Markierung repetitiver Bereiche mit dem Programm Repeat Masker entwickelt. Die

SNPs wurden an den DNA-Sequenzen von acht Hannoveraner Hengsten aus den Halbgeschwisterfamilien identifiziert. Die PCR-Produkte wurden auf einem Kapillarsequenziergerät (Megabace 1000) sequenziert und mit Hilfe der Sequencher 4.7 Software auf Polymorphismen untersucht.

Statistische Analyse

Eine nicht-parametrische Kopplungsanalyse wurde unter Verwendung der Software MERLIN (multipoint engine for rapid likelihood inference, Version 1.1.2) durchgeführt und basierte auf dem „identical-by-descent“ (IBD) Verfahren (Abecasis et al. 2002).

In dem sogenannten „Pairs“ Modus (paarweiser Vergleich mit gleichmäßiger Gewichtung der betroffenen Tiere) wurden Markerallele chromosomenweit zwischen Paaren von Geschwistern bzw. Verwandten auf Kosegregation mit der phänotypischen Ausprägung der Erkrankung getestet. Darauf folgend wurde die einer Normalverteilung folgende Teststatistik für den Anteil von IBD-Markerallelen (Zmean) und ein daraus abgeleiteter LOD-Score berechnet. Als signifikant für die Kosegregation eines Markerallels mit dem Phänotyp der OC gelten Irrtumswahrscheinlichkeiten (p) von 0,05 oder kleiner. Für die Merkmale OC, OCD, OC im Fesselgelenk, OCD im Fesselgelenk, OC im Sprunggelenk und OCD im Sprunggelenk wurden getrennte Berechnungen durchgeführt.

Außerdem wurden die Genotypen der Marker mit den Prozeduren ALLELE, CASECONTROL und HAPLOTYPE von SAS/Genetics, Version 9.2 ausgewertet.

Mittels X²-Tests zwischen Genotypen, Allelen, Allelvorkommen und OC, sowie zwischen Haplotypen und OC wurde geprüft, ob für diese Tiere eine signifikante Assoziation zwischen dem jeweiligen Phänotyp und dem Marker beziehungsweise Haplotyp besteht.

Ergebnisse für Chromosom 2

Im vorangegangenen Genomscan war ECA2 von 25 Mikrosatelliten abgedeckt. Zur Feinkartierung wurden zusätzlich zehn publizierte Mikrosatelliten, 27 neu entwickelte sowie 43 SNPs und eine Indel-Mutation im signifikanten Bereich genotypisiert. Durch die Erhöhung der Markerdichte konnte der Abstand von Mikrasatelliten und SNPs im

QTL auf unter 1 Mb reduziert werden. Für das Merkmal OC im Fessel-und/oder Sprunggelenk konnte der QTL zwischen 20.08 und 26.89 Mb sowie zwischen 27.56 und 30.94 Mb eingegrenzt werden. Der QTL für OCD in diesen Gelenken konnte zwischen 26.89 und 29.47 Mb lokalisiert werden. Der Fesselgelenks-QTL für OC wurde zwischen 15.65 und 30.94 Mb aufgedeckt. In dem Bereich von 21.15 bis 30.94 Mb erreichte dieser QTL sogar genomweite Signifikanz. Der QTL für Fesselgelenks-OCD konnte zwischen 21.15 und 30.94 Mb sowie bei 31.94 lokalisiert werden.

Chromosomweite Signifikanz wurde für das Merkmal Sprunggelenks-OC zwischen 26.89 und 30.94 Mb und zwischen 31.91 und 33.05 Mb erreicht. Desweiteren konnten signifikante Assoziationen zwischen einem SNP des NCDN-Genes und allen Merkmalen der OC, außer Sprunggelenks-OCD gefunden werden. NCDN ist ein negativer Regulator der Calcium/Calmodulin-abhängigen Proteinkinase-II-Phosphorylisation in Mäusen. Die Expression des NCDN-Genes konnte in verschiedenen Studien mit neuralen, Knochen- und Knorpelfunktionen in Verbindung gebracht werden. Für die Merkmale Sprunggelenks-OC und –OCD konnte ein assoziierter SNP des EXTL1-Genes gezeigt werden. Dieses für Exostosen bei Menschen verantwortliche Gen könnte im Komplex der Osteochondrose eine bedeutende Rolle als Kandidatengen spielen.

Ergebnisse für Chromosom 4

Auf ECA4 wurde die Markerdichte von 33 Mikrosatelliten aus dem Genomscan auf insgesamt 74 Mikrosatelliten sowie weitere 24 SNPs erhöht. Dadurch konnte der QTL für OC im Fessel-und/oder Sprunggelenk bestätigt und auf ein Interval von 4.92 und 39.76 Mb eingegrenzt werden. Zwischen 7.98 und 16.51 Mb wurde für dieses Merkmal sogar genomweite Signifikanz erreicht. Der QTL für Fesselgelenks-OC wurde zwischen 7.42 und 13.10 Mb sowie zwischen 56.15 und 59.84 Mb lokalisiert.

Desweiteren erbrachte die nicht-parametrischen Kopplungsanalyse einen QTL zwischen 3.62 und 6.24 Mb. Innerhalb des genomweit signifikanten QTL konnten drei signifikant assoziierte SNPs aufgedeckt werden. In der Nähe von 2 intergenischen SNPs konnten das GLI3-Gen sowie das RAMP3-Gen als potentielle Kandidatengene bestimmt werden. GLI3 ist ein Kandidatengen für Polydactylie. RAMP3 spielt bei

Menschen und Schweinen im Calcitonin- und somit im Knochenmetabolismus eine bedeutende Rolle.

Diskussion

Kopplungs- und Assoziationsanalysen sind die Grundlage für die gezielte Suche nach positionellen und funktionellen Kandidatengenen. Durch die Erhöhung der genomischen Marker in den signifikanten Bereichen auf ECA2 und 4 konnten zum Einen bisher identifizierte QTL bestätigt und darüber hinaus deren exakte Ausdehnung bestimmt werden.

Osteochondrose ist eine komplexe Erkrankung, an deren Entstehung sehr wahrscheinlich mehrere Gene beteiligt sind. Die Ergebnisse des Genomscans und der Feinkartierungen bestätigen durch die Identifizierung zahlreicher QTL die Annahme, dass es sich bei der OC um ein multigenetisches Merkmal handelt. Zur weiteren Aufklärung müssen Expressions- und Mutationsanalysen durchgeführt werden. Eine Erweiterung des Pferdematerials in folgenden Studien wäre ebenfalls notwendig, um bisherige Ergebnisse verifizieren zu können.

Genomweite Assoziationsanalyse für Osteochondrose mittels eines SNP-Chips

Material und Methoden Pedigreematerial

Es wurden aus dem erwähnten Gesamtmaterial 154 Hannoveraner Warmblutpferde ausgewählt, die von insgesamt 52 verschiedenen Hengsten abstammen. 90 Tiere waren von OC betroffen, 43 davon ausschließlich in der Fessel, 33 Tiere nur im Sprunggelenk und 14 sowohl in Fessel- als auch in Sprunggelenken. Zusätzlich dienten 64 Tiere als gesunde Kontrollen. Von diesen Pferden waren 86 Tiere männlich und 68 Tiere weiblich. 39 dieser Pferde wurden bereits im Genomscan und den Feinkartierungen eingesetzt.

Analyse der SNPs

Mit einem seit 2008 kommerziell erhältlichen SNP-Chip wurden 54.602 einzelne SNPs in einem Arbeitsschritt durch ein automatisiertes Verfahren auf einer Illumina-Plattform genotypisiert. Diese SNPs wurden mit der Software PLINK Version 1.05 auf Assoziation mit den einzelnen Merkmalen der OC getestet. Zur Untersuchung von genomweit signifikanten SNPs auf die Merkmalsausprägung wurde die multiple Varianzanalyse durchgeführt.

Ergebnisse

Von den 54.602 SNPs konnten SNPs mit einer minimalen Allelfrequenz (MAF) von über 1%, also 51.020 in die weitere Datenanalyse einfließen. Auf verschiedenen Chromosomen wurde eine große Anzahl assoziierter SNPs gefunden, unter anderem auf ECA2 und 4. In der folgenden Varianzanalyse wurden SNPs mit einer genomweiten Irrtumswahrscheinlichkeit von p ≥ 2.5 (-log10P) berücksichtigt. Es konnten 13 QTL auf 11 verschiedenen Chromosomen, darunter ECA2 und 4 aufgedeckt werden, die insgesamt eine phänotypische Varianz von 43.54% erklärten.

Der QTL auf Chromosom 2 wurde bei 17.55 Mb lokalisiert und erklärt allein eine phänotypische Varianz von 4.02%. Auf ECA4 wurden zwei QTL aufgedeckt. Der Erste bei 7.61 Mb erklärt eine phänotypische Varianz von 6.35%, und ein Weiterer

bei 39.26 Mb erklärt 3.02%. Außerdem konnten auf den Chromosomen 3, 5, 7, 16, 19, 20, 22, 26 und 29 neue QTL identifiziert und somit nach neuen potentiellen Kandidatengenen gesucht werden. Dazu wurden die Bereiche der neu identifizierten QTL nach Genen, die im Zusammenhang mit dem Komplex der Osteochondrose stehen könnten, durchsucht. Auf ECA2 und 4 konnten insgesamt elf funktionelle Kandidatengene aufgedeckt werden, die direkt oder indirekt am Knorpel- und Knochenstoffwechsel beteiligt sind.

Diskussion

Diese Studie ist die erste, die über die Untersuchung komplexer erblicher Erkrankungen beim Pferd mittels SNP-Microarray-Technologie berichtet. Mit dem neuerdings kommerziell erhältlichen SNP-Chip bietet sich nun auch für das Pferd eine einfache und kostengünstige Möglichkeit, genomweite Untersuchungen mit enorm hoher Auflösung durchzuführen. Allein durch diese enge Abdeckung des gesamten Pferdegenoms mit SNPs war es möglich, eine große Anzahl neuer QTL für Osteochondrose zu entdecken, was mit der Markerdichte des vorausgegangenen Genomscans nicht erzielt werden konnte. Außerdem wurden primär andere genomische Regionen identifiziert, was möglicherweise auf eine andere Zusammensetzung des Probandenmaterials zurückzuführen ist. Im Genomscan wurden 14 Familien typisiert, was annehmen lässt, dass die dadurch identifizierten QTL unter Umständen familiär bedingt sind. Nichtsdestotrotz konnten die QTL auf den Chromosomen 2 und 4 mittels multipler Varianzanalyse verifiziert und weiter eingegrenzt werden. Es ist nicht davon auszugehen, dass es sich bei der Vielzahl der assoziierten SNPs um kausale Mutationen handelt, da der Großteil der Marker lediglich intergenisch lokalisiert ist. Die Technologie des SNP-Chip erleichtert die Suche nach potentiellen Kandidatengenauswahl immens, da QTL auf eine begrenzte Ausdehnung reduziert werden können. Zur Verifizierung bisheriger Ergebnisse, sollte die genomweite Assoziationsanalyse an einer größeren Gruppe von Pferden und weiteren Rassen überprüft werden. Um den Schritt von assoziierten Markern zur Identifizierung kausaler Mutationen gehen zu können, sind weitere Untersuchungen

notwenig, möglicherweise ist dazu eine neue Generation des SNP-Chips mit noch höherer Auflösung hilfreich.

CHAPTER 9

Appendix