• Keine Ergebnisse gefunden

Erwägungsgründe zu einigen bedeutsamen Politikbereichen und Verfassungszielen der Union

Titel VII – Gemeinsame Regeln betreffend Wettbewerb, Steuerfragen

SEINE MAJESTÄT DER KÖNIG DER BELGIER, IHRE MAJESTÄT DIE KÖNIGIN VON DÄNEMARK, DER PRÄSIDENT DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND,

B. Grundstruktur und Kernaussagen der EUV-Präambel

II. Vierzehn Abschnitte oder Erwägungsgrunde zu den hinter der Gründung und der Fortentwicklung der EU stehenden Motiven, Erfahrungen, Wünschen

4. Erwägungsgründe zu einigen bedeutsamen Politikbereichen und Verfassungszielen der Union

In den anderen fünf Erwägungsgründen der EUV-Präambel werden schließlich einige 17 besonders bedeutsame Politikbereiche und Verfassungsziele der Union hervorgehoben.

Den Anfang markiert dabei der8. Erwägungsgrund, mit dem die EU-Mitgliedstaaten ihrer Entschlossenheit Ausdruck verleihen, die Stärkung und die Konvergenz ihrer Volkswirtschaften herbeizuführen, die auch den zentralen Gegenstand der Absätze 2–5 der AEUV-Präambel (s. Rn. 1) bilden, sowie eine Wirtschafts- und Währungsunion zu errichten, die im Einklang mit diesem Vertrag und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union eine einheitliche, stabile Währung einschließt und die in maß-geblicher Weise durch die Art. 119–144 AEUV ausgeformt wird. Diese von der Maas-trichter Ursprungsfassung dieses Erwägungsgrundes abweichende Einbeziehung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist auf den Lissabonner Reform-vertrag zurückzuführen und dem Umstand geschuldet, dass der EU-Vertrag und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union nach Art. 1 Abs. 3 Satz 1 EUV die gemeinsame Grundlage der Union bilden (s. Art. 1 EUV, Rn. 61 f.) und diese beiden Verträge nach Art. 1 Abs. 3 Satz 2 EUV rechtlich gleichrangig sind (s. Art. 1 EUV, Rn. 63 f.).

Der9. Erwägungsgrundreflektiert sodann den »festen Willen« der EU-Mitgliedstaa- 18 ten, im Rahmen der gemäß Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 Satz 1 EUV zu den fundamentalen Verfassungszielen der Union gehörenden Verwirklichung des Binnenmarkts41sowie der

39ABl. 2012, L 326/206; näher zu diesem Protokoll vgl. statt vielerBickenbach, EuR 2013, 523 (528 ff.);Pechstein, Die neue Subsidiaritätsklage: Die Interessen nationaler Parlamente in der Hand des EuGH, in:ders.(Hrsg.), Integrationsverantwortung, 2012 (Schriften des Frankfurter Instituts für das Recht der Europäischen Union, Bd. 2), S. 135 ff.

40Zur These, wonach das im 13. Erwägungsgrund der EUV-Präambel angesprochene Subsidiari-tätsprinzips im Vergleich zu dem in Art. 5 Abs. 3 EUV niedergelegten Subsidiaritätsprinzip eine grö-ßere Reichweite habe, vgl.Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, Präambel EUV, Rn. 4.

41Ausführlich zur Genese und zur Interpretation des unionsrechtlichen Binnenmarktbegriffes so-wie zu den normativen Kernbestandteilen des hier angesprochenen Binnenmarktkonzepts vgl.

Carsten Nowak

16

Stärkung des Zusammenhalts und des Umweltschutzes den wirtschaftlichen und so-zialen Fortschritt ihrer Völker unter Berücksichtigung des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung zu fördern und Politiken zu verfolgen, die gewährleisten, dass Fortschritte bei der wirtschaftlichen Integration mit parallelen Fortschritten auf anderen Gebieten einhergehen. Diese von der Maastrichter Ursprungsfassung dieses Erwägungsgrundes abweichende Bezugnahme auf den primär umweltpolitischen Grundsatz der nachhal-tigen Entwicklung, die sich in ähnlicher Weise auch in der Präambel der EU-Grund-rechtecharta finden lässt (s. Präambel GRC, Rn. 16), ist auf den Amsterdamer Vertrag zurückzuführen, der für eine insbesondere auch in der heute in Art. 11 AEUV nieder-gelegten (umweltrechtlichen) Querschnittsklausel sichtbar werdende Aufwertung des Umweltschutzes in der Unionsrechtsordnung gesorgt hat.42

Dem folgt der10. Erwägungsgrund, mit dem die EU-Mitgliedstaaten ihre Entschlos-19

senheit zum Ausdruck bringen, eine gemeinsame Unionsbürgerschaft für die Staatsan-gehörigen ihrer Länder einzuführen, die nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Unionsrichters dazu bestimmt ist, der grundlegende Status der Staatsangehörigen der EU-Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich des Unionsrechts zu sein, der es den-jenigen unten ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und unbeschadet der insoweit ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen.43Dieser auf die Einführung der Unionsbürgerschaft für die Staatsangehörigen aller EU-Mitgliedstaaten rekurrie-rende Erwägungsgrund, der bereits in der Maastrichter Ursprungsfassung der EUV-Präambel enthalten war und heute insbesondere durch Art. 9 EUV i. V. m. den Art. 20–25 AEUV sowie durch einige in der EU-Grundrechtecharta niedergelegte Uni-onsbürger-Grundrechte ausgeformt wird, ist durch die späteren Änderungsverträge

m. w. N.Nowak, EuR-Beih. 1/2009, 129; sowieBlanke, The Economic Constitution of the European Union, in:ders./Mangiameli (Hrsg.), The European Union after Lisbon – Constitutional Basis, Eco-nomic Order and External Action, 2012, S. 369 ff.;Griller, Wirtschaftsverfassung und Binnenmarkt, FS Rill, 2010, S. 1 ff.;Hatje, in: v. Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 801 ff.; Müller-Graff, EnzEuR, Bd. 1, § 9, Rn. 1 ff.

42Näher dazu sowie zu den Kernbestandteilen und einigen Grundfragen der durch den Lissabon-ner Reformvertrag nur geringfügig modifizierten Umweltverfassung der EU vgl. m. w. N.Nowak, Umweltschutz als grundlegendes Verfassungsziel und dauerhafte Querschnittsaufgabe der Europäi-schen Union, in:ders.(Hrsg.), Konsolidierung und Entwicklungsperspektiven des Europäischen Um-weltrechts, 2015, S. 25 ff.;ders., NuR 2015, 306 ff.

43Grdlg. EuGH, Urt. v. 20. 9. 2001, Rs. C–184/99 (Grzelczyk), Slg. 2001, I–6193, Rn. 31; u. a.

bestätigt in EuGH, Urt. v. 2. 3. 2010, Rs. C–135/08 (Rottmann), Slg. 2010, I–1449, Rn. 43; Urt. v.

8. 3. 2011, Rs. C–34/09 (Ruiz Zambrano), Slg. 2011, I–1177, Rn. 41; Urt. v. 11. 11. 2014, Rs. C–333/13 (Dano), ECLI:EU:C:2014:2358, Rn. 58. Ausführlich zur Entwicklung sowie zu den Zielen und Kom-ponenten des unionsrechtlichen Konzepts der Unionsbürgerschaft, die einem Prozess der permanen-ten Forpermanen-tentwicklung insbesondere durch den Unionsrichter unterliegt, vgl. jeweils m. w. N. die zahl-reichen Beiträge in Schroeder/Obwexer (Hrsg.), 20 Jahre Unionsbürgerschaft: Konzept, Inhalt und Weiterentwicklung des grundlegenden Status der Unionsbürger, EuR-Beih. 1/20015; sowieHilpold, EuR 2015, 133 ff.;Höfler, Die Unionsbürgerfreiheit: Ansprüche der Unionsbürger auf allgemeine Freizügigkeit und Gleichheit unter besonderer Berücksichtigung sozialer Rechte, 2009, S. 19 ff.; Hor-spool, The Concept of Citizenship in the European Union, in:ders./Mangiameli (Hrsg.), The European Union after Lisbon – Constitutional Basis, Economic Order and External Action, 2012, S. 279 ff.;

Kadelbach, in: v. Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 611 ff.;Kotalakidis, Von der nationalen Staatsangehörigkeit zur Unionsbürgerschaft – Die Person und das Gemeinwesen, 2000, S. 136 ff.;Schönberger, Unionsbürger: Europas föderales Bürgerrecht in vergleichender Sicht, 2005, S. 272 ff.; Skouris, in: Calliess/Kahl/Schmalenbach, S. 147 ff.; Thym, NJW 2015, 130 ff.; ders., E. L.Rev. 40 (2015), 249;Wollenschläger, EnzEuR, Bd. 1, § 8, Rn. 1 ff.;ders., NVwZ 2014, 1628.

Carsten Nowak

17 vom Amsterdam, Nizza und Lissabon vollkommen unangetastet geblieben. Durch den zweiten Absatz der Präambel der EU-Grundrechtecharta erschließt sich, dass die im 10.

Erwägungsgrund der EUV-Präambel angesprochene Einführung einer gemeinsamen Unionsbürgerschaft im Verbund mit dem im 12. Erwägungsgrund dieser Präambel an-gesprochenen Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (s.

Rn. 21) vor allem dazu bestimmt ist, den Menschen in den Mittelpunkt des Handelns der Union zu stellen.44

Der nachfolgende Erwägungsgrund der EUV-Präambel bringt zum einen die Ent- 20 schlossenheit der EU-Mitgliedstaaten zum Ausdruck, eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu verfolgen, die vor allem durch die Art. 23–41 EUV näher ausge-formt wird. Zum anderen verdeutlicht dieser11. Erwägungsgrund, dass zur Verfolgung einer Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik »nach Maßgabe des Artikels 42 auch die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik gehört, die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte, und so die Identität und Unabhängigkeit Europas zu stärken, um Frieden, Sicherheit und Fortschritt in Europa und in der Welt zu fördern«. Diese Formulierung stimmt weitgehend mit dem 10. Erwägungsgrund der EUV-Präambel in der Fassung des Amsterdamer Vertrags überein, der die Maastrichter Ursprungsfassung dieses Erwägungsgrundes damals insoweit veränderte, als er für eine Ersetzung des in dieser Ursprungsfassung einst enthaltenen und auf die Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik bezogenen Zusatzes »auf längere Sicht« durch das Wort »schrittweise« sorgte. Von dem 10. Erwägungsgrund der EUV-Präambel in der Fassung von Nizza, die wortgleich mit dem 10. Erwägungsgrund der EUV-Präambel in der Fassung des Amsterdamer Vertrags übereinstimmte, weicht der 11. Erwägungs-grund der EUV-Präambel in der Fassung des Lissabonner Reformvertrags nur insoweit ab, als dort nunmehr auf Art. 42 EUV Bezug genommen wird, bei dem es sich um die

»Nachfolger«-Bestimmung des im 10. Erwägungsgrund der EUV-Präambel in den Fas-sungen des Amsterdamer Vertrags und des Vertrags von Nizza angesprochenen Art. 17 EUV handelt.

Verschiedene Veränderungen hat im Laufe der vergangenen Jahre schließlich auch 21 der12. Erwägungsgrundder EUV-Präambel in der Fassung des Lissabonner Reform-vertrags erfahren. Dieser Erwägungsgrund ist aus dem 10. Erwägungsgrund der Maas-trichter Ursprungsfassung dieser Präambel hervorgegangen, in dem die Gründerstaaten der Union seinerzeit ihr Ziel bekräftigten, »die Freizügigkeit unter gleichzeitiger Ge-währleistung der Sicherheit ihrer Bürger durch die Einfügung von Bestimmungen über Justiz und Inneres in diesen Vertrag zu fördern«. Abweichend davon bringen die EU-Mitgliedstaaten im 12. Erwägungsgrund der EUV-Präambel in der Fassung des Lissa-bonner Reformvertrags nunmehr ihre Entschlossenheit zum Ausdruck, »die Freizügig-keit unter gleichzeitiger Gewährleistung der Sicherheit ihrer Bürger durch den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts nach Maßgabe der Bestimmun-gen dieses Vertrags und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu fördern«. Dieser 12. Erwägungsgrund, der insbesondere durch die in Art. 3 Abs. 2 EUV i. V. m. Art. 67–89 AEUV enthaltenen Regelungen über den maßgeblich auf den Am-sterdamer Vertrag zurückzuführenden und durch den Lissabonner Reformvertrag

par-44Instruktiv zu der in den vergangenen Jahren erfolgten Aufwertung der Stellung des Einzelnen im Anwendungsbereich des Unionsrechts vgl. m. w. N.Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwal-tungsrecht, 2014, S. 12 ff.; zur damit verbundenen Einordnung der Grundrechte als Basis des euro-päischen Integrationsprozesses vgl.Lenaerts, EuGRZ 2015, 353.

Carsten Nowak

18

tiell reformierten Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts45ausgeformt wird, entspricht nahezu wortgleich dem 11. Erwägungsgrund der EUV-Präambel in der Fas-sung des Vertrags von Nizza, der wiederum in wortgleicher Übereinstimmung mit dem 11. Erwägungsgrund der EUV-Präambel in der Fassung des Amsterdamer Vertrags und abweichend vom 12. Erwägungsgrund der EUV-Präambel in der Fassung des Lissabon-ner Reformvertrags nur den EU-Vertrag ansprach, während die letztgenannte Fassung sowohl auf den EU-Vertrag als auch auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Euro-päischen Union Bezug nimmt. Diese Veränderung ist dem Umstand geschuldet, dass die beiden vorgenannten Verträge nach Art. 1 Abs. 3 Satz 1 EUV die gemeinsame Grund-lage der Union bilden und nach Art. 1 Abs. 3 Satz 2 EUV rechtlich gleichrangig sind (s.

Art. 1 EUV, Rn. 61–64).