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Erste Erl¨auterungen zur Addition und Multiplikation komplexer Zahlen

Die beiden Definitionen (2.1) und (2.2) von Addition und Multiplikation zweier komplexer Zahlen erscheinen zun¨achst sehr willk¨urlich. Bevor wir im ¨ubern¨achsten Abschnitt 2.4 n¨aher ergr¨unden, weshalb die beiden Operationen gerade so definiert werden, wollen wir zuerst einfach je ein Beispiel anschauen, sodass wir hinreichend genau verstehen, was da wie gerechnet wird.

Die Addition (2.1) zweier komplexer Zahlenuund v erfolgt komponentenweise, d.h., diex-Komponente des Resultates ist die Summe derx-Komponenten von u undv. Analoges gilt f¨ur diey-Komponente:

xu+v =xu+xv und yu+v =yu+yv also eben: u+v= (xu+xv, yu+yv) Ein Beispiel:

u= (3,−1) und v= (1,2) ⇒ u+v= (3 + 1,−1 + 2) = (4,1)

Das ist nicht besonders schwierig. Dagegen wirkt die Vorschrift (2.2) f¨ur die Multiplikation wie eine von den Formeln, die man erfahrungsgem¨ass immer wieder vergisst:

xu·v =xuxv−yuyv und yu·v=xuyv+yuxv also eben: u·v= (xuxv−yuyv, xuyv+yuxv) Auch hierzu das Beispiel mit denselben komplexen Zahlen u und v:

u= (3,−1) und v= (1,2) ⇒ u·v= (3·1−(−1)·2,3·2 + (−1)·1) = (5,5)

Wir werden in sp¨ateren Abschnitten noch besser verstehen, was bei dieser Multiplikation “gespielt wird”.

2.3 z = x + yi – eine neue Schreibweise f¨ ur komplexe Zahlen

Anhand von Addition und Multiplikation kann ich nun drei spezielle Zahlen inC vorstellen:

Nullelement 0 = (0,0): Das Nullelement 0 einer Zahlenmenge soll jeweils diejenige Zahl sein, die jede andere Zahl unver¨andert l¨asst, wenn man sie zu dieser Zahl hinzuaddiert. Offensichtlich ¨ubernimmt in Cdie Zahl0 = (0,0) diese Rolle, denn mit (2.1) folgt:

u+ 0 = (xu, yu) + (0,0) = (xu+ 0, yu+ 0) = (xu, yu) =u

Einselement resp. reelle Einheit 1 = (1,0): Das Einselement1 einer Zahlenmenge soll jede andere Zahl unver¨andert lassen, wenn man sie mit dieser Zahl multipliziert. In C muss das Einselement die Zahl 1 = (1,0) sein, denn aus (2.2) ergibt sich:

u·1 = (xu, yu)·(1,0) = (xu·1−yu·0, xu·0 +yu·1) = (xu, yu) =u

Alle komplexen Zahlen der Form(x,0)sollen zusammen die Rolle der reellen ZahlenRspielen. Deshalb schreiben wir kurz x ∈ C statt (x,0) ∈ C und fassen auf diese Weise R als Teilmenge von C auf:

R ⊂ C. In diesem Sinne wird das Einselement 1 = (1,0) zur reellen Einheit, denn jede reelle Zahl x= (x,0) ist das x-fache dieser reellen Einheit: x=x·1 =x·(1,0) = (x,0).

Imagin¨are Einheit i= (0,1): Umgekehrt bezeichnet man nun die Zahli:= (0,1) alsimagin¨are Einheit.

Jede Zahl der Form(0, y) ist ein Vielfaches dieser imagin¨aren Einheit: yi=y·i=y·(0,1) = (0, y).

Wir sagen: Alle Zahlen der Form (0, y) =yi haben keinen reellen Anteil. Sie sind rein imagin¨arund bilden zusammen die Menge der imagin¨aren Zahlen I ={yi|y ∈ R}. Auch diese Menge fassen wir als Teilmenge von Cauf:I⊂C.

Jede beliebige komplexe Zahlz= (x, y)∈C kann nun alsLinearkombinationder reellen Einheit 1und der imagin¨aren Einheitigeschrieben werden:

z= (x, y) =x·(1,0) +y·(0,1) =x·1 +y·i

In dieser Notationsweise l¨asst man typischerweise die reelle Einheit 1weg. Wir halten fest:

Die Summenschreibweise f¨ur komplexe Zahlen

Jede komplexe Zahl z= (x, y)∈Cl¨asst sich schreiben in der Form:

z=x+yi (2.3)

Dabei ist i die imagin¨are Einheit. x ∈ R wird als Realteil Re(z), y ∈ R als Ima-gin¨arteilIm(z) von z bezeichnet.

2.4 Anforderungen an die Addition und die Multiplikation

Wir wollen anhand von ein paar ¨Uberlegungen nachvollziehen, weshalb Addition und Multiplikation f¨ur die komplexen Zahlen gerade gem¨ass (2.1) und (2.2) festgelegt wurden.

1. Wir m¨ochten mit den komplexen Zahlen so rechnen, wie wir uns das von den reellen Zahlen gewohnt sind. D.h., wir fordern, dass auch die komplexen einen K¨orper bilden, dass also gilt:

Die komplexen Zahlen bilden einen K¨orper!

Zusammen mit den Definitionen f¨ur die Addition(2.1)und die Multiplikation(2.2)bilden die komplexen Zahlen C=R2 einen K¨orper, d.h., sie erf¨ullen die neun K¨orperaxiome:

1. F¨ur alleu, v, w∈Cgilt: (u+v) +w=u+ (v+w) 2. F¨ur alleu, v ∈C gilt: u+v=v+u

3. Es gibt ein Element 0∈C, so dass f¨ur alleu∈Cgilt: u+ 0 =u 4. Zu jedem u∈Cgibt es ein −u∈Cmit: r+ (−r) = 0

5. F¨ur alleu, v, w∈Cgilt: (u·v)·w=u·(v·w) 6. F¨ur alleu, v ∈C gilt: u·v=v·u

7. Es gibt ein Element 1∈C,16= 0, so dass f¨ur alleu∈Cgilt: 1·u=u

8. Zu jedem u∈C, u6= 0, gibt es ein Element u1 ∈C, so dass gilt: u·u1 = 1 9. F¨ur alleu, v, w∈Cgilt: u·(v+w) =u·v+u·w

Die komponentenweise Addition (2.1) ist naheliegend und garantiert bereits die Erf¨ullung der Axiome 1. bis 4. Die Kommutativit¨at und die Assoziativit¨at der Addition in C werden so direkt auf dieselben Eigenschaften der Addition in Rzur¨uckgef¨uhrt. Wir haben schon gesehen, dass das Nullelement durch 0 = (0,0) gegeben ist. Weiter folgern wir f¨ur das Negative (−u) zu einer komplexen Zahlu = (x, y), dass(−u) = (−xu,−yu), denn so ist:

u+ (−u) =xu+yui+x(u)+y(u)i=xu+yui−xu−yui= 0

W¨ahrend sich diese komponentenweise Addition durch (2.1) quasi intuitiv aufdr¨angt, sieht das bei der Multiplikation etwas anders aus.

Warum definiert man f¨ur die Multiplikation nicht einfachu·v= (xu, yu)·(xv, yv) := (xu·xv, yu·yv), das w¨are doch am naheliegendsten? Auch diese Multiplikation w¨urde zusammen mit der Addition die weiteren K¨orperaxiome 5. bis 9. erf¨ullen. (Das Einselement w¨are so die komplexe Zahl 1 = (1,1).) Der Grund daf¨ur liegt in zwei weiteren Forderungen, die wir an die Multiplikation stellen wollen. . . 2. Die Multiplikation mit einer reellen Zahlk∈Rresp.(k,0) ∈Csoll gerade die “skalare Multiplikation”

im reellen Vektorraum R2 sein. Es soll also gelten:

k·(x, y) = (k,0)·(x, y) = (k! ·x, k·y)

Das erf¨ullt(xu, yu)·(xv, yv) = (xu·uv, yu·yv) bereits nicht mehr, denn es w¨are k·(x, y) = (k,0)·(x, y) = (k·x,0·y) = (kx,0) =kx

Es braucht also eine alternative Multiplikation, von der wir ausserdem noch etwas weiteres haben m¨ochten. . .

3. Historisch war das eigentliche Motiv f¨ur die Einf¨uhrung der komplexen Zahlen die Idee, dass die ima-gin¨aren Zahlenyi alsQuadratwurzeln der negativen reellen Zahlen dienen k¨onnen, d.h., ihre Quadrate sollen negative Zahlen sein! Das erreicht man durch die Forderung:

i2=−1 (2.4)

Wenn es ¨uberhaupt eine Multiplikation in C gibt, die diese Eigenschaft hat und zusammen mit der Addition distributiv ist, dann muss gelten:

u·v= (xu, yu)·(xv, yv) = (xu+yui)·(xv+yvi)

=xuxv+xuyvi+yuixv+yuiyvi

=xuxv+xuyvi+yuixv+yuyvi2

=xuxv+xuyvi+yuixv−yuyv

=xuxv−yuyv

| {z }

=xu·v

+ (xuyv+yuxv)

| {z }

=yu·v

i

gelten, und so ergibt sich die Formel (2.2) f¨ur die Multiplikation.

Wir ¨uberpr¨ufen noch rasch, dass so auch die skalare Multiplikation wie gew¨unscht funktioniert:

k·(x, y) = (k,0)·(x, y) = (k·x−0·y, k·y+ 0·x) = (k·x, k·y) X Zum Ende dieses Abschnittes wollen wir die bisherigen Erkenntnisse nochmals festhalten.

Bisherige Erkenntnisse zu komplexen Zahlen

• Eine komplexe Zahl z ∈ C ist ein geordnetes reelles Zahlenpaar z = (x, y) ∈ R2. Dabei bezeichnen wirx= Re(z) als Realteil undy= Im(z) als Imagin¨arteil vonz.

• Auf den komplexen Zahlen sind eine Addition (2.1) und eine Multiplikation (2.2) definiert, die diese Zahlenmenge zu einem K¨orper machen:

(2.1): u+v= (xu, yu) + (xv, yv) = (xu+xv, yu+yv)

(2.2): u·v= (xu, yu)·(xv, yv) = (xu·xv−yu·yv, xu·yv+yu·xv) Dabei sorgt (2.2) daf¨ur, dass f¨ur das Quadrat der komplexen Einheit i= (0,1) gilt:

(2.4): i2 =−1

• Zum Rechnen mit komplexen Zahlen empfiehlt sich anstelle vonz= (x, y) die Sum-menschreibweisez=x+yi. Sobald wir komplexe Zahlen in dieser Form aufschreiben, brauchen wir uns die komplizierte Multiplikationsvorschrift (2.2)nicht mehr zu mer-ken. Vielmehr arbeiten wir bei der Multiplikation zweier komplexer Zahlen nur noch distributiv und verwenden dabei, dassi2 =−1ist.

Anders gesagt: Mit komplexen Zahlen in der Form x+yi rechnet man “genau so”

wie mit reellen Zahlen. Man muss sich nur merken, dassi2=−1 ist.

Beispiel: Zum letzten Punkt im Kasten sei hier noch ein konkretes Beispiel angef¨ugt. Wir wollen die beiden komplexen Zahlen (3,−5) und (2,4) miteinander multiplizieren. Dazu notieren wir sie in der neuen Schreibweise und multiplizieren einfach distributiv aus:

(3,−5)·(2,4) = (3−5i)·(2 + 4i) = 6 + 12i−10i−20i2 = 6 + 2i+ 20 = 26 + 2i

Kapitel 3

Die Gauss’sche Zahlenebene

3.1 Komplexe Zahlen als Punkte in der Gauss’schen Zahlenebene

Jeder reellen Zahl entspricht ein Punkt auf dem reellen Zahlenstrahl (vgl. Abb. 1.1 auf Seite4). Die reellen Zahlen Rsind vollst¨andig, d.h., sie f¨ullen diesen Zahlenstrahl l¨uckenlos auf.

Jede komplexe Zahl kann als Punkt in einem zweidimensionalen, kartesischen Koordinatensystem, also in einer x-y-Ebene aufgefasst werden, die wir alskomplexe oder Gauss’sche Zahlenebene1 bezeichnen (vgl.

Abb. 3.1).

Da die reellen Zahlen R vollst¨andig sind und sich jede komplexe Zahl (x, y) als Summe z = x+yi mit x, y ∈ R schreiben l¨asst, sind auch die komplexen Zahlen C eine vollst¨andige Zahlenmenge. In der Gauss’schen Zahlenebene gibt es somit keine L¨ucken, also keinen Punkt, der nicht durch eine komplexe Zahl z abgedeckt w¨are.

Abbildung 3.1: Die Gauss’sche Zahlenebene: Jeder komplexen Zahl(x, y) =z=x+yientspricht ein Punkt mit den entsprechenden Koordinaten (x, y). Auf der horizontalen Achse sitzen die reellen, auf der vertikalen Achse die rein imagin¨aren Zahlen. Durch Spiegelung vonzan derx-Achse erh¨alt man die konjugiert komplexe Zahl z =x−yi. Der Betrag der komplexen Zahl |z| ist ihr Abstand zum Ursprung 0. Folglich haben die Zahl z und ihr Konjugiertes ¯zdenselben Betrag.

1Ein Miterfinder dieser Darstellung war der ber¨uhmte deutsche MathematikerCarl Friedrich Gauss(1777 – 1855).

3.2 Das Konjugierte z

einer komplexen Zahl

Daskomplex Konjugierte oder einfach dasKonjugierte z einer Zahlz∈Cerh¨alt man, indem man ihren Imagin¨arteil y durch sein Negatives, also −y ersetzt:

z=x+yi → z =x−yi daraus folgt: (z)=z

Anschaulich entspricht das komplex Konjugiertezin der komplexen Ebene einer Spiegelung des zuz geh¨oren-den Punktes an der reellen Achse (vgl. Abb.3.1).

3.3 Der Betrag |z| einer komplexen Zahl

• Betr¨age reeller Zahlen: Unter dem Betrag |a| einer reellen Zahl a verstehen wir ihren positiven Zahlenwert ohne Vorzeichen:

Auf dem reellen Zahlenstrahl (vgl. Abb. 1.1 auf Seite 4) kann man |a| als Abstand zum Nullpunkt 0 interpretieren – und Abst¨ande sind per Definition immer positiv.

H¨aufig wird dieser Betrag einer Zahl auchAbsolutbetrag genannt.2

• Betr¨age komplexer Zahlen: Auch bei komplexen Zahlen soll der Betrag |z| f¨ur den Abstand zum Nullpunkt 0stehen (vgl. Abb.3.1). Folgende Definition erf¨ullt diese Anforderung:

Absolutbetrag einer komplexen Zahl z

Der Absolutbetrag oder einfach der Betrag |z| einer komplexen Zahl z =x+yi ist der Abstand des zuz geh¨orenden Punktes zum Ursprung0 der Gaussch’schen Zahlenebene.

Rechnerisch ist der Betrag durch die (positive) Wurzel des Produktes aus dem konjugiert Komplexenz und z selber gegeben:

|z|:=√

z·z=p

x2+y2 (3.1)

Betrachten wir eine beliebige komplexe Zahlz=x+yi, so erhalten wir f¨ur ihren Betrag:

|z|=√

z·z=p

(x−yi)(x+yi) =p

x2+xyi−yix−y2i2 =p

x2+y2 Beachte, wie −i2 =−(−1) schliesslich ein positives Vorzeichen vony2 ergibt.

Der Ausdruck x2+y2 erkl¨art sich mittels des Satzes von Pythagoras fast von alleine. Die beiden Quadrate der Koordinaten (x, y) des zu z geh¨orenden Punktes ergeben zusammen das Quadrat des Abstandes zum Ursprung.

N.B.: Das komplex Konjugierte z hat wegen (z)=zdenselben Betrag wie z selber:

|z|=p

(z)·z =√

z·z=√

z·z=|z|

2Mit dieser Namensgebung wird klar, weshalb in manchen Rechenprogrammen der Betrag mit dem K¨urzelabs()aufgerufen werden kann. So z.B. auch inGeoGebra.

3.4 Die Addition komplexer Zahlen in der Gauss’schen Zahlenebene

Veranschaulichung in der Gauss’schen Zahlenebene (vgl. Abb. 3.2): Die Addition zweier komplexer Zahlen z1 und z2 erfolgt komponentenweise. In der komplexen entspricht sie folglich der Vektor-additionder beiden Ortsvektoren von 0nach z1 resp. z2.

Ort des negativen Elementes: Das Element −z entspricht in der Gauss’schen Zahlenebene einfach der Spiegelung von z am Ursprung0 (vgl. Abb. 3.2).

Abbildung 3.2: Die Addition zweier Zahlen entspricht einer Vektoraddition: Die Ortsvektoren von 0nach z1 und z2 werden aneinander geh¨angt. Das Negative−z1 entspricht der Spiegelung von z1 an 0.

3.5 Die Multiplikation komplexer Zahlen in der Gauss’schen Zahlenebene

Beispiel zur Multiplikation: Es seienz1= 1 + 2iund z2=−1 +i. F¨ur ihr Produkt ergibt sich:

z1z2= (1 + 2i)(−1 +i) =−1 +i−2i+ 2i2 =−1−i−2 =−3−i

Abb. 3.3 zeigt, wo sich dieses Resultat in der Gauss’schen Zahlenebene befindet. Tats¨achlich gibt es einen geometrischen Zusammenhang zwischenz1,z2 undz1z2. Den werden wir aber erst im Abschnitt 4.4aufdecken und dann auf dieses Beispiel zur¨uckschauen.

Abbildung 3.3: Im Moment ist noch unklar, welche geometrische Bedeutung die Multiplikation zweier kom-plexer Zahlenz1 und z2 hat. Die Aufl¨osung folgt im Abschnitt 4.

3.6 Division: Bruchrechnen mit komplexen Zahlen

Division komplexer Zahlen und “Identifikationstrick”: z1 =x1+y1isoll durchz2 =x2+y2i6= 0geteilt werden, wodurch die Zahl z3 =x3+y3ientsteht:

z1

z2 =z3 ⇔ z1 =z2·z3

Stimmt die Division links, so muss auch die Multiplikation rechts richtig sein und umgekehrt, sofern z2 6= 0 ist. Daraus erhalten wir folgenden Zusammenhang zwischen den Real- und Imagin¨arteilen der drei Zahlen: und x3y2+x2y3 ganz rechts mit x1 resp.y1 identifizieren. Es ergibt sich ein ohne Weiteres l¨osbares lineares Gleichungssystem mit den beiden Unbekanntenx3 und y3:

In der Fortsetzung l¨asst sich auch y3 bestimmen – das kannst du selber ¨uberpr¨ufen. Wir erhalten:

y3 = x2y1−x1y2 x22+y22

Dieser Weg ist wegen des Identifikationstricks zwar lehrreich, aber nicht besonders elegant. Es folgt nun eine zweite Berechnung von zz1

2, die ebenso neue Aufschl¨usse und Erkenntnisse mit sich bringt.

Erweiterungstrick: Die bessere Vorgehensweise f¨ur die Division zweier komplexer Zahlenz1 und z2 besteht in der Erweiterung des Bruchs zz1

2 mit dem konjugiert Komplexen des Nenners, also mitz2: z3 = z1

Das entspricht der L¨osung von vorhin. Der Trick der Erweiterung mitz2 macht den Nenner reell. Dort entsteht n¨amlich einfach das Betragsquadrat des Divisors: z2·z2 =|z2|2 =x22+y22.

Ein konkretes Beispiel: Mittels Erweiterungstrick berechne ich das Resultat der Division von z1 = 1 + 2i geteilt durch z2 =−1 +i(vgl. Abb. 3.4oben auf der n¨achsten Seite):

Wie schon bei der Multiplikation haben wir derzeit noch keine gute geometrische Interpretation f¨ur dieses Resultat. Das werden wir erst in Abschnitt4.4 besser verstehen.

Abbildung 3.4: Die Lage des Resultates einer Division zz1

2 verstehen wir aktuell noch nicht so recht, obwohl wir sie berechnen k¨onnen. Die Lage des multiplikativ Inversen z1 l¨asst sich aber gut nachvollziehen. Vgl.

dazu Abb.3.5.

Berechnung des multiplikativ inversen Elementes: Bereits der Bruch z|z1·z2

2|2 kann als Resultat der Division aufgefasst werden, einfach ohne Zerlegung in Real- und Imagin¨arteil. Setzen wirz1= 1 undz2 =z, so k¨onnen wir damit ermitteln, wie denn das multiplikativ inverse Element z1 = 1z zu einer komplexen Zahl zgegeben sein muss:

z1 = 1 z = 1

z·z z = z

|z|2 = 1

|z|· z

|z| = 1

|z|· z

|z| Zuletzt habe ich benutzt, dass|z|=|z|ist.

Die Faktorisierung in zwei Br¨uche am Ende dieser Rechnung hilft uns zu verstehen, wo z1 in der Gauss’schen Zahlenebene zu liegen kommt (vgl. Abb.3.5):

i. Im Bruch |zz| wird die Zahlz durch ihren eigenen Betrag geteilt. Das ergibt eine Zahl mit Betrag 1. |zz| liegt also auf dem Einheitskreis der komplexen Ebene, und zwar von 0 aus gesehen in Richtung vonz.

ii. Auf diese Zahl |zz| wird nun inz1= |1z|·|zz| der Faktor |1z| angewendet. Das bedeutet,z1 liegt von 0 aus gesehen in Richtung des komplex Konjugierten z und weist den Betrag |z1| = |1z| auf.

Ist|z|>1, so ist|z1|<1 et vice versa. In der komplexen Ebene liegt das multiplikativ inverse Element z1 innerhalb des Einheitskreises, wenn die Zahl z selber ausserhalb desselben liegt – und umgekehrt. Dies wird in Abb.3.5 explizit veranschaulicht.

Damit verstehen wir auch die Lage des multiplikativ Inversen vonz= 1 + 2i in Abb. 3.4oben:

z1 = z

|z|2 = 1−2i

12+ 22 = 1−2i 5 = 1

5(1−2i)

Abbildung 3.5: Das multiplikativ inverse Element z1 liegt von 0 aus gesehen in Richtung des konjugiert Komplexen z. Sein Betrag |z1|ist gleich dem Kehrwert von|z|.

3.7 Die imagin¨ are Einheit i und ihre Potenzen

Kurz wollen uns noch ¨uberlegen:

i0= 1 i1=i i2 =−1 i3 =i2·i=−i i4= 1 Ebenso:

i0= 1 i1 = 1 i = i

i2 =−i i2 = 1

i2 =−1 i3= 1 i3 = i

i4 =i i4= 1 i4 = 1 Ab der vierten Potenz von iwiederholen sich die Werte. Also merken wir uns:

i4n= 1 i4n+1 =i i4n+2 =−1 i4n+3=−i mit n∈Z

Abbildung 3.6: Die imagin¨are Einheit iund ihre Potenzen in der komplexen Ebene.

Kapitel 4

Komplexe Zahlen in Polarkoordinaten und Euler’sche Formel

4.1 Polarkoordinaten in der komplexen Ebene

Wir betrachten zun¨achst eine komplexe Zahlz1mit Betrag|z1|= 1. D.h., die Zahlz1 liegt in der Gauss’schen Ebene auf dem Einheitskreis rund um den Ursprung 0 (vgl. Abb. 4.1). Wegen der Definitionen von Sinus und Cosinus am Einheitskreis muss dann gerade gelten:

z1= cosϕ+ sinϕ·i (4.1)

Dabei ist ϕder von der reellen Achse aus im Gegenuhrzeigersinn gemessene Winkel. Wir wollen daf¨ur von Anfang an und ausschliesslich dasBogenmass verwenden.1

Abbildung 4.1: Zu jedem von der reellen Achse im Gegenuhrzeigersinn abgetragenen Winkel ϕgeh¨ort genau ein Punkt auf dem Einheitskreis resp. eben eine komplexe Zahlz1 mit Betrag|z1|= 1. Wegen den bekannten Definitionen von Sinus und Cosinus am Einheitskreis gilt:z1= cosϕ+ sinϕ·i.

1Zur Erinnerung: F¨ur die Umrechnung zwischen Bogenmass und Gradmass muss man sich merken, dass:π= 180b .

Jede komplexe Zahl auf dem Einheitskreis l¨asst sich also ganz anschaulich mit nur einem Winkel resp.

einer Winkelkoordinate ϕbeschreiben. Dabei gilt stets der “trigonometrische Satz des Pythagoras”:2

cos2ϕ+ sin2ϕ= 1 (4.2)

Multiplizieren wir nun unser z1 = cosϕ+ sinϕ·i mit einer reellen Zahl r ≥ 0, so erhalten wir eine neue komplexe Zahl z:

z=r·z1=r(cosϕ+ sinϕ·i) =rcosϕ

| {z }

=x

+rsinϕ

| {z }

=y

·i

z1 wird um den Faktor r vom Ursprung weggestreckt. Da |z1|= 1 war, hat z nun den Betrag |z|=r, also den Abstand r vom Ursprung, wovon man sich leicht ¨uberzeugen kann:

|z|=p

x2+y2= q

r2cos2ϕ+r2sin2ϕ= q

r2(cos2ϕ+ sin2ϕ) =√ r2 =r Abb. 4.2verdeutlicht den Zusammenhang zwischenz1 undz=r·z1.

Jede komplexe Zahl z = x+yi l¨asst sich also statt durch den Realteil x und den Imagin¨arteil y auch durch ein Paar(r, ϕ) aus einem Betragr und einer Winkelkoordinateϕbeschreiben.r undϕnennt man die Polarkoordinaten vonz.

Abbildung 4.2: Nimmt man den Ursprung0als Streckzentrum und streckt die auf dem Einheitskreis liegende Zahl z1 mit dem Faktor r, so resultiert die Zahlz=r·z1. Zu ihr geh¨ort nach wie vor die Winkelkoordinate ϕ, aber ihr Betrag ist nun|z|=r.

2Zur Kl¨arung:cos2ϕ(cosϕ)2 undsin2ϕ(sinϕ)2.

4.2 Umrechnung zwischen kartesischen und Polarkoordinaten

Polarkoordinaten → kartesische Koordinaten

Die kartesischen Koordinatenxund y lassen sich leicht durch die Polarkoordinaten r undϕausdr¨ucken, wie wir bereits gesehen haben:

x=rcosϕ und y=rsinϕ Kartesische Koordinaten → Polarkoordinaten

In die Gegenrichtung ergibt sich f¨ur den Betrag r sofort:

r =p

x2+y2

Und was ist mit der Winkelkoordinate ϕ? Zun¨achst stellen wir fest, dass zu einem bestimmten z beliebig viele korrekte Werte f¨urϕexistieren. Wenn wir n¨amlich einen zuzpassenden Winkelϕ0 um2π, also um eine ganze Umdrehung vergr¨ossern oder verkleinern, so schauen wir ja wieder in dieselbe Richtung. Alle Winkel der Form

ϕ=ϕ0+n·2π mit n∈Z geh¨oren also bei vorgegebenem r zur selben Zahlz.

Wenn wir aber effektiv mal die Winkelkoordinate zu einer komplexen Zahl anzugeben haben, dann soll ihr Wert m¨oglichst nahe bei0 liegen. Wir bevorzugen somit:

−π < ϕ≤π

Blicken wir kurz auf Abb.4.2. Dort besitzt die Zahlzden Realteilx=rcosϕund den Imagin¨arteily=rsinϕ.

Der Bruch yx ergibt geradetanϕ, denn im grossen rechtwinkligen Dreieck ist dies genau das Verh¨altnis der Gegenkathete von ϕzur Ankathete. Daraus folgern wir:

ϕ= arctany x

Allerdings kann dies noch nicht die letzte Wahrheit sein, denn so erg¨abe sich z.B. f¨ur z = 3 + 2i und z=−3−2iderselbe Winkelwert, weil:

2 3 = −2

−3

Wir m¨ussen eine Fallunterscheidung machen. Je nachdem, in welchem Quadranten der komplexen Ebene die Zahl z liegt, muss ϕ leicht anders berechnet werden. Wissend, dass der Arcustangens per Definition Winkelwerte −π2 < ϕ < π2 liefert (vgl. Abb.4.3), notieren wir:

1. Quadrant: x >0 und y >0 ⇒ ϕ= arctany x 2. Quadrant: x <0 und y >0 ⇒ ϕ= arctany

x+π 3. Quadrant: x <0 und y <0 ⇒ ϕ= arctany

x−π 4. Quadrant: x >0 und y <0 ⇒ ϕ= arctany

x

Auf diese Weise entstehen, wie weiter oben gefordert, die Winkelwerte mit m¨oglichst kleinem Betrag, also

−π < ϕ≤π.

Abbildung 4.3: Der Graph der Arcustangensfunktion.

Halten wir nochmals fest, was wir in den ersten beiden Abschnitten dieses Kapitel Neues gesehen haben:

Koordinaten komplexer Zahlen

Eine komplexe Zahlzwird einerseits durch ihre beiden kartesischen Koordinaten, d.h.

durch den Realteilxund den Imagin¨arteily, beschrieben. Damit notieren wirzentweder als geordnetes Paar oder in der Summenschreibweise:

z= (x, y) =x+yi

Andererseits geh¨oren neu zu jeder komplexen Zahl z 6= 0 zwei Polarkoordinaten r und ϕ. r = |z| ist der Betrag und ϕ die Winkelkoordinate von z. Auch mit den Winkelkoordinaten k¨onnen wirzentweder als Paar oder unter Verwendung von Cosinus und Sinus als Summe notieren:

z= (r, ϕ) =rcosϕ+rsinϕ·i=r·(cosϕ+ sinϕ·i) (4.3) F¨ur die Umrechnung von Polar- zu kartesischen Koordinaten gilt:

x=rcosϕ und y=rsinϕ (4.4)

Umgekehrt ergibt sich f¨ur die Umrechnung von kartesischen zu Polarkoordinaten:

r =p

x2+y2 und ϕ= arctany

x +kπ (4.5)

F¨ur z im 2. Quadranten der komplexen Ebene ist k = +1, f¨ur den 3. Quadranten ist k=−1 und f¨ur den 1. und 4. Quadranten istk= 0.

4.3 Euler’sche Formel und Euler-Darstellung komplexer Zahlen

Wir kommen nun zum eigentlichen Grund, weshalb sich das Rechnen mit komplexen Zahlen so dermassen durchgesetzt hat. Es ist eine Art mathematisches Wunder und heisst Euler’sche Formel. Dabei handelt es sich um eine Beziehung zwischen den fundamentalen Zahlenkonstantene,iundπsowie den Neutralelementen 0 und 1von Addition und Multiplikation:

e+ 1 = 0 (4.6)

Diese Gleichung wird von vielen Mathematikerinnen als etwas vom Fundamentalsten und Sch¨onsten ¨uber-haupt angesehen. . . Sie entspringt dem folgenden Zusammenhang:

Euler’sche Formel und Euler-Darstellung

F¨ur die Euler’sche Zahl e(≈2.718)und die beiden Winkelfunktionen Cosi-nus und SiCosi-nus gilt die Euler’sche Formel:

e= cosϕ+ sinϕ·i (4.7) e ist somit die praktische Kurzschreibweise f¨ur eine komplexe Zahl auf dem Einheitskreis der Gauss’schen Zahlenebene, denn genau daf¨ur steht cosϕ+ sinϕ·i ja. Mit (4.3) l¨asst sich nun jede komplexe Zahl z mit Polarkoordinaten r und ϕin der sogenannten Euler-Darstellung notieren:

z=r·e (4.8)

Damit darf man ganz normal rechnen. Insbesondere gelten f¨uredie ¨ubli-chen Potenzgesetze, was uns zahlreiche neue Rechenwege er¨offnet.

Die Euler’sche Formel ist gar nicht so schwierig zu beweisen. Allerdings braucht man dazu tiefere Kenntnisse aus anderen Bereichen der analytischen Mathematik, insbesondere sogenanntePotenzreihenentwicklungen von Funktionen. Wir verzichten an dieser Stelle auf diesen Beweis. Ich habe ihn im Anhang Aangef¨ugt.

Zun¨achst ein paar unmittelbare Konsequenzen aus der Euler’sche Formel (4.7) und der Euler-Darstellung (4.8):

• Das konjugiert Komplexe einer Zahl z l¨asst sich auch in der Euler-Darstellung rasch notieren:

z=r e ⇒ z =r e=r· cos(−ϕ) + sin(−ϕ)·i

Von der reellen Achse aus wird statt um ϕ im Gegenuhrzeigersinn eben um −ϕ im Uhrzeigersinn gedreht, um zuz zu gelangen.

• Da die Cosinus- und die Sinusfunktion2π-periodisch sind, gilt dies nun auch f¨ur die Exponentialfunktion e. Das bedeutet:

ei(ϕ±2π)=e f¨ur jede beliebige Winkelkoordinate ϕ

Das ist klar, denne= cosϕ+ sinϕ·isteht f¨ur die zur Winkelkoordinateϕgeh¨orende komplexe Zahl zauf dem Einheitskreis. Die Subtraktion oder Addition von2π erzeugt eine ganze Umdrehung im oder gegen den Uhrzeigersinn und f¨uhrt somit wieder auf dasselbe z.

• Besonders wichtig, da h¨aufig vorkommend, sind die speziellen Werte vone bei Vielfachen von π2: e0 = 1 eiπ2 =i e=−1 ei2 =−i ei2π = 1 etc.

Hierin steckt auch die “besonders sch¨one” Gleichung (4.6) von oben:

e =−1 ⇔ e+ 1 = 0

4.4 Das Verst¨ andnis der komplexen Multiplikation (und Division)

Im Abschnitt3.5 war das graphische Verst¨andnis f¨ur die Multiplikation zweier komplexer Zahlen noch nicht so richtig greifbar (vgl. Abb.3.3). Das Produkt zweier Zahlen liess sich zwar ohne Probleme berechnen, wie

Im Abschnitt3.5 war das graphische Verst¨andnis f¨ur die Multiplikation zweier komplexer Zahlen noch nicht so richtig greifbar (vgl. Abb.3.3). Das Produkt zweier Zahlen liess sich zwar ohne Probleme berechnen, wie