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1.5 ERP (Ereignis-korrelierte Potenziale)

1.5.1 Error-negativity (Ne)

Die error-related-negativity ist ein negatives ERP-Potenzial, welches etwa zeitgleich mit der Ausführung einer inkorrekten motorischen Reizantwort beginnt und ca. 80

ms nach Eingabe der Falschantwort bei Erwachsenen im fronto-zentralen Bereich (FCz) ihr Maximum erreicht (Falkenstein et al. 2000; Davies et al. 2004; Hoffmann und Falkenstein 2010; Hajcak 2012). Diese Hirnregion wird mit dem supplementären motorischen Areal assoziiert. Bei Kindern konnte ihre maximale Amplitude mehr posterior, an der Elektrode Cz gelegen, vorgefunden werden (Davies et al. 2004;

Torpey et al. 2012). MRT- und EEG-Studien fanden ihren Generierungsort in den Strukturen des anterioren cingulären Kortex, einem Teil des limbischen Systems (O'Connell et al. 2007; Santesso und Segalowitz 2008; Vocat et al. 2008; Hoffmann und Falkenstein 2010). Über die Ursache ihrer Entstehung sind sich die Wissenschaftler bislang jedoch noch uneinig. Einerseits wird vermutet, dass sie die direkte Fehlererkennung in Echtzeit repräsentiert und während der Eingabe einer Falschantwort entsteht (Falkenstein et al. 1990; Scheffers et al. 1996; Coles et al.

2001). Zudem konnte gezeigt werden, dass Ne sowohl bei wahrgenommenen Fehlern vorkommt als auch dann aufzuweisen ist, wenn sich ein Proband nicht seiner gegebenen Falschantwort bewusst ist (Nieuwenhuis et al. 2001; Alexander und Brown 2011). Ihre Amplitude variiert mit dem Bewusstsein über das eigene Fehlerverhalten (Scheffers und Coles 2000). Sie verkörpert eine kognitive Antwortkontrolle im Rahmen der Verhaltenskontrolle sowohl nach Richtig- als auch nach einer Falschantwort, welche bei Falschantworten mit der Fehlerdetektion kombiniert wird (error-detection-Hypothese) (Falkenstein et al. 2000; van Veen und Carter 2006; Carter und van Veen 2007). Eine andere Theorie besagt, dass sie ein kognitiver Abgleich (Matching) zwischen gegebener und geforderter Antwort ist und sie somit einen Prozess darstellt, statt nur die bloße (kategoriale) Erkennung, dass eine Antwort eventuell falsch gewesen ist (Mismatch-Hypothese) (Falkenstein et al.

2000; Coles et al. 2001; Botvinick et al. 2004; Carter und van Veen 2007). Auch ihre Verkörperung eines Vergleichsprozesses zweier gegebener Antworten, welche auch nach richtig beantworteten Trials auftreten kann, wird herangezogen (Vidal et al.

2000). Neuere Forschungsergebnisse lassen vermuten, dass Ne ein Signal des dopaminergen Systems ist, welches nach einer fehlerhaften Antwort das Ausbleiben einer internen Belohnung verkündet (Holroyd und Coles 2002). Die beiden Forscher untersuchten den Zusammenhang, indem sie Ne durch Manipulation dopaminerger

Transmitter veränderten. Kommt es zum Einsatz von Dopamin-Antagonisten, so kann eine verringerte Ne-Amplitude beobachtet werden (Bruijn et al. 2006), während Dopamin-Agonisten zu einer Amplitudenerhöhung führen (Bruijn et al.

2004). Auch Inzlicht und Al-Khindi (2012) beschrieben das Phänomen als emotionale Reaktion auf einen Fehler. Der Zusammenhang zwischen der Ne, dem dopaminergen System und dem ACC kann also folgendermaßen erklärt werden: Die Ne wird generiert, sobald es nach einem Fehler zur Übermittlung eines negativen reinforcement-learning-Signals des Dopamin-Systems zum ACC gekommen ist. Die dopaminerge Steuerung der Ne ist ein wichtiger Aspekt in Hinsicht auf entwicklungs-bedingte Unterschiede im Ausfall der Ne bei Kindern und Erwachsenen. Wurden Probanden instruiert, möglichst akkurat und gewissenhaft zu handeln, konnte eine Erhöhung der Ne-Amplitude beobachtet werden (Falkenstein et al. 2000; Gentsch et al. 2009). Unter Zeitdruck und auch bei erschwerten Aufgabenstellungen wurden hingegen verminderte Amplituden gemessen (Falkenstein et al. 1990; Gehring et al.

1993; Band und Kok 2000). Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass der Kontext, in dem eine Antwort gegeben wird und auch sein Schwierigkeitsgrad von Belang sind (Hogan et al. 2005). Man kann vermuten, dass Ne auch unabhängig von Fehlern nach einem Antwortwechsel (RC) vorzufinden ist, da diese Situation eine erhöhte Aufmerksamkeit erfordert. Die Richtungsänderung des Folgetrials im Eriksen Flanker Task hat demnach einen Einfluss auf das Verhalten und erfordert eine spontane Verhaltensänderung. Die Verarbeitung dieser Veränderung sollte in der Amplitude der Ne nachvollziehbar sein.

Die hohe Heterogenität der Befundlage der vergangenen Jahre erweckte das Interesse vieler Forscher. Ergebnisse verschiedener Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Ne erst mit der Entwicklung reift und ihre Amplitude ihr Maximum erst im jungen Erwachsenenalter erreicht (Segalowitz et al. 2003). Lambe et al. (2000) vermuteten bereits, dass die für die Generierung der Ne verantwortlichen Hirnareale einen Reifeprozess durchlaufen. Diese Entwicklungseinflüsse testeten Davies et al.

(2004), indem sie 124 Kinder und Jugendliche im Alter von 7 bis 18 Jahren und 27 Erwachsene im Alter von 19 bis 25 Jahren eine Eriksen Flanker-Aufgabe beantworten ließen, während ein EEG von ihnen geschrieben wurde. Die Stimuli bestanden aus

Buchstabenabfolgen, welche entweder kongruent (SSSSS; HHHHH) oder inkongruent (SSHSS; HHSHH) waren. Das Ergebnis zeigte eine signifikant größere Ausprägung der Ne bei den Erwachsenen im Vergleich zu den Kindern. Besonders innerhalb der Kinder-und Jugendgruppe konnte eine Zunahme ihrer Ne-Amplituden mit dem Alter beobachtet werden. Das fehlerbezogene positive Potenzial (Pe) fiel bei beiden Gruppen gleich aus. Außerdem zeigten die Erwachsenen generell schnellere Reaktionszeiten als ihre jüngere Kontrollgruppe und sie machten weniger Fehler. Die Ergebnisse weisen auf eine entwicklungsbedingte späte Ausbildung des ACCs und des dopaminergen Systems hin und implizieren, dass die dopaminerge Innervation pyramidaler Nervenzellen des PFC erst mit Beginn der Pubertät einsetzt. Neuere Forschungsergebnisse verschiedener Studien mit unterschiedlichen Flanker Tasks konnten diese Erkenntnisse unterstützen (Santesso et al. 2006; Wiersema et al.

2007; Ladouceur et al. 2007; Santesso und Segalowitz 2008; Torpey et al. 2012).

Ladouceur et al. (2007) konnten bei Kindern unter 12 Jahren keine Ne feststellen, weshalb man davon ausging, dass die für die Generierung der Ne verantwortlichen Hirnregionen erst nach diesem Altersbereich ausreifen. Entgegen diesen Befunden fanden Wiersema et al. (2007) auch bei 7-11-Jährigen eine gleichermaßen ausgeprägte Ne. Aktuellere Studien konnten den Altersbereich, in dem eine Ne vorzufinden ist, sogar auf 4-6 Jahre senken (Torpey et al. 2012; Grammer et al.

2014). Bis heute bleibt der genaue Zeitrahmen, in dem es zum ersten Erscheinen einer Ne kommt, unklar. Dennoch ist zu beachten, dass auch Forschungsergebnisse vorliegen, bei denen es zu keinen signifikanten Differenzen der Ne zwischen Kindern und Erwachsenen kam (Richardson et al. 2011), so dass ein altersunabhängiges Auftreten der Negativität nicht auszuschließen ist und weiter untersucht werden muss.