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6.3 Extraversion und konfrontative bzw. nicht-konfrontative Partizipation

7.1.2 Ergebnisinterpretation zu den Kontrollvariablen

Nachfolgend wird auf die Kontrollvariablen und ihren Erklärungsbeitrag eingegangen. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass diese Variablen teilweise nicht in den Ergebnistabellen auftauchen.

Dennoch wurden sie in der Analyse berücksichtigt und mit Hilfe des score type test daraufhin überprüft, ob sie jeweils für das Modell relevant sind. Ausgesucht wurden sie, wie von Schweinber-ger (2012) empfohlen wird, nach dem Vorwärtsmodellwahlverfahren und es wurden nur diejenigen in die Modelle aufgenommen, die durch den score type test als bedeutsam identiziert worden waren. Tabelle 7.3 fasst zusammen, welche der Kontrollvariablen, gezeigt in den Zeilen, einen Erklärungsbeitrag zu den jeweiligen abhängigen Variablen, dargestellt in den Spalten, leisten.

Ein Stern bedeutet, dass die Variable relevant ist.

Kontext: Der soziale Kontext ist im Gegensatz zu Freundschaftsnetzwerken strukturell gegeben.

Während beim Netzwerk individuell Entscheidungen getroen werden können, wer dazu gehört, kann der Akteur keinen Einuss auf die Zusammensetzung des Kontextes nehmen (Huckfeldt und Sprague, 1995, 11). Im Fall der Studierendenpopulation stellten die Einfüh-rungshöfe zu Beginn des Studiums einen Kontext dar. Diese Höfe eröneten Möglichkeiten, Leute kennen zu lernen, und gaben auch soziale Grenzen vor (vgl. Huckfeldt und Sprague, 1987, 1990; Hennig, 2008, 296). Graphische Darstellungen konnten zeigen, dass durch die Einführungsveranstaltungen für die Studienanfänger ein wichtiger Grundstein für die spä-teren Netzwerke gelegt wurde, denn Teilnehmer am selben Hof weisen eine strukturelle Ähnlichkeit auf, teilen also einen ähnlichen Freundeskreis. Diese Struktur löst sich über die Zeit etwas auf, aber die Grundstruktur ist auch nach drei Monaten noch erkennbar.

Werte: Politische Einstellungen und politisches Verhalten sind soziale Gröÿen, die sich über die Zeit bei einer Person verändern können. Grundlegende Werteorientierungen sind tiefer verwurzelt und weniger schnell veränderbar. Sie geben eine Grundrichtung für politische

7.1 Zusammenfassung

Tabelle 7.3: Übersicht über den Erklärungsbeitrag der Kontrollvariablen

Politische

Einstellung Politische

Partizipation Soziales Netzwerk

Kontext *

Werte *

Persönlichkeitsmerkmale * * *

Interessen Sozialisierung

Soziodemographie *

Outdegree/Dichte *

Reziprozität *

Matthäuseekt/Indegree *

Transitivität/Netzwerkschlieÿung *

Homophilie auf anderen Variablen *

Meinungen und politisches Handeln vor. Problem in dieser Arbeit war, dass aufgrund zeit-licher Restriktionen bei der Datenerhebung Werte nur unzureichend erhoben werden konn-ten. Als Proxy dienten dabei die Links-Rechts-Orientierung und die Einordnung auf dem Postmaterialismusindex. Insbesondere die Links-Rechts-Orientierung erwies sich als eine zuverlässige Gröÿe zur Erklärung von politischen Einstellungen. Damit kann bestätigt wer-den, dass Werte auf die Ausformung politischer Einstellungen Einuss nehmen (vgl. u.a.

Schoen, 2006).

Persönlichkeitsmerkmale: Psychologische Ansätze betonen die Bedeutung von Persönlichkeits-merkmalen bei jedweder Form von individuellem Handeln. Auf politikwissenschaftliche Fragestellungen werden diese Erkenntnisse erst in den letzten Jahren angewendet (vgl.

Gerber et al., 2011, 266). Allerdings konnte in der vorliegenden Arbeit kein Einuss von Persönlichkeitsmerkmalen auf politische Variablen nachgewiesen werden, wie auch die aus-führliche Diskussion zum Einuss von Extraversion auf politische Partizipation deutlich machte. Allerdings leisten Persönlichkeitseigenschaften stets einen Erklärungsbeitrag zum Netzwerkbildungsverhalten, wie auch schon Selfhout et al. (2010) zeigen konnten. Dabei war der Charakter bezüglich sozialer Neugierde und Verträglichkeit sowohl von Ego als auch von Alter für die Netzwerkbildung von Relevanz. Extraversion spielte auch manchmal eine Rolle, aber seltener als die beiden anderen Wesenszüge.

Interessen: Auch Studierende der Politik- und Verwaltungswissenschaften haben andere Ge-sprächsthemen als nur das tagespolitische Geschehen. Das zeigte sich auch daran, dass das Freundschaftsnetzwerk deutlich dichter ist als das politische Diskussionsnetzwerk. Der Groÿteil der zwischenmenschlichen Kommunikation ist generell von einfachen Themen wie dem Wetter oder der Frage, was es zum Essen gibt, geprägt (vgl. Baldassarri und Bearman, 2007, 808). Daher wurde vermutet, dass gleiche Interessen und Hobbies einen Einuss auf die Netzwerkbildung haben. Allerdings hatte diese Variable in keinem der Modelle einen

Eekt und wurde durch den score type test als nicht relevant identiziert, weshalb sie in keinem der Modelle auftaucht.

Sozialisierung: Es ist zu vermuten, dass Werte, Persönlichkeitsmerkmale und Interessen in der frühen Sozialisierung durch die Eltern geprägt werden (Hopf und Hopf, 1997). Allerdings konnte kein Einuss von Eigenschaften der Eltern, wie zum Beispiel deren Links-Rechts-Orientierung, auf die politischen Haltungen oder das politische Handeln der Studierenden nachgewiesen werden.

Soziodemographie: Diverse soziodemographische Gröÿen wie Alter, Geschlecht oder Bildung sind traditionelle Kontrollvariablen in der politischen Verhaltensforschung (vgl. u.a. La-ke und Huckfeldt, 1998; McClurg, 2003, 449). Soziodemographische Variablen haben auch einen Einuss auf die Netzwerkbildung. So zeigt Steglich et al. (2010), dass Männer bspw.

eine stärkere Tendenz als Frauen haben, Netzwerkbeziehungen einzugehen. Alter und Bil-dung sind Kontrollvariablen, die in der vorliegenden Population keine Rolle spielen, da hier nahezu keine Varianz vorliegt. Deshalb war nur Geschlecht als soziodemographische Variable von Interesse. Auf politische Einstellungen und Beteiligung hatte diese Variable zwar keinen Eekt, aber auf das Netzwerkverhalten. Männer hatten dabei, wie vermutet, eine stärkere Tendenz Verbindungen einzugehen als Frauen.

Outdegree / Dichte: Kontakte zu anderen Personen zu unterhalten, ist zeit- und somit kos-tenintensiv. Wenn eine Person schon viele Freunde genannt hat und mit diesen auch im Austausch steht, dann ist irgendwann eine Sättigungsgrenze erreicht und es besteht kein Interesse daran, weitere Beziehungen einzugehen (Snijders et al., 2010a, 10; Steglich et al., 2010). Schlieÿlich kann eine Person nicht mit allen anderen Personen im Netzwerk befreun-det sein. Dieser Zusammenhang wurde durch den Outdegreeeekt modelliert, der, wie zu erwarten war, auch in allen Modellen signikant negativ ist.

Reziprozität: Die Erwiderung einer Beziehung wird als Reziprozität bezeichnet. Sie ist ein Fun-dament des menschlichen Handelns und es ist davon auszugehen, dass sich dieses Prinzip auch in den Strukturen sozialer Netzwerkbildung wiederndet (Mercken et al., 2010; Sni-jders et al., 2010a; Steglich et al., 2010). In allen Modellen, kann dieses Grundprinzip nachgewiesen werden.

Matthäuseekt / Indegree: Der Matthäuseekt beschreibt das Phänomen, dass dem, der schon hat, gegeben wird (Merton, 1968). So wird auch angenommen, dass Menschen, die schon viele Freunde haben, noch mehr anziehen (Snijders et al., 2010a, 12). In der Netzwerkana-lyse kann dies über den Indegree, die Anzahl der eingehenden Beziehungen, erfasst werden.

Allerdings konnte der Indegree bei keinen der Analysen einen relevanten Erklärungsbeitrag zu den Netzwerkdynamiken liefern.

Transitivität / Netzwerkschlieÿung: Individuen sind bemüht Dissonanzen in ihrem sozialen Netzwerk zu vermeiden. Daher streben sie auch danach, Intransitivität in Freundschafts-beziehungen aufzuheben. Das heiÿt, der Freund meines Freundes wird auch mein Freund (Holland und Leinardt, 1976; Snijders et al., 2010a, 11). In gewisser Weise handelt es sich

7.1 Zusammenfassung hier um ein erweitertes Reziprozitätskonzept. In allen Analysen kann dieses Phänomen beobachtet werden.

Homophilie auf anderen Variablen: Homophilie kann auch hinsichtlich anderer Merkmale wie Einstellungen auftreten. Ein Beispiel ist die Geschlechtersegregation wie auch von Mercken et al. (2010, 9) gezeigt. In den Analysen konnte ebenfalls Geschlechterhomophilie als zu-verlässige Erklärungsvariable nachgewiesen werden. Auch Homophilie hinsichtlich mancher Persönlichkeitsvariablen konnte teilweise beobachtet werden. Der Selektionsmechanismus hat also Bestand und es kann bestätigt werden, dass birds of a feather ock together (McPherson et al., 2001).