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In zahlreichen Studien und Übersichtsarbeiten wurden auch Faktoren mit Auswirkungen auf den Erwerbsstatus untersucht. Zitiert werden soll zunächst eine Übersichtsarbeit mit Metaanalyse von Tsang und Kollegen aus dem Jahre 2010. Sie schlossen in ihre Arbeit 62 Studien ein, die zwischen 1998 und 2008 erschienen sind und in denen nach Prädiktoren für eine erfolgreiche berufliche und schulische Entwicklung bei Menschen, die an einer schizophrenen Psychose erkrankt sind, gesucht wurde. Zwei verschiedene Auswertungsstrategien (deskriptive Analyse der Ergebnisse aller 62 Studien vs. metaanalytische Betrachtung der Ergebnisse aus 21 Studien) führten zu ähnlichen Ergebnissen. Hierbei fanden sie eine überwältigende Evidenz für die Bedeutung kognitiver Fähigkeiten für den Erwerbsstatus. Daneben fanden sie einen nachweisbaren Einfluss für Bildung, Negativsymptome, soziale Unterstützung, soziale Fähigkeiten, (jüngeres) Alter, positive Arbeitsanamnese sowie professionell durchgeführte multiprofessionelle Rehabilitation. Dagegen erwiesen sich Positivsymptomatik, Suchtmittelkonsum, Geschlecht sowie die Häufigkeit und Dauer vorausgegangener stationärer Behandlung nicht als prädiktiv im statistischen Sinne.

Auch in älteren Arbeiten wird bereits auf zurückliegende erfolgreiche berufliche Erfahrung als ein relativ stabiler Prädiktor für den künftigen Erwerbsstatus verwiesen (z. B. Marwaha und Johnson 2004). Die Studienübersicht zeigt auch gewisse Zusammenhänge zwischen Arbeit und Symptomschwere, dem Ausmaß der sozialen Beeinträchtigungen, der Lebensqualität und dem Selbstwertgefühl. So gehe aus den betrachteten Studien hervor, dass ein gutes prämorbides (vor der Krankheit) soziales Funktionsniveau mit einer höheren Arbeitsrate assoziiert sei (Marwaha und Johnson 2004). Das konnte auch in der EQOLISE-Studie, einer europäischen Multicenter-Studie gezeigt werden. Patienten, die während eines Untersuchungszeitraumes von 18 Monaten in Arbeit waren, verfügten über ein höheres soziales Funktionsniveau als diejenigen ohne Arbeit. Zudem zeigten die Patienten in

41,0

23 Arbeit weniger ausgeprägte psychiatrische Symptome und eine höhere Lebensqualität (Burns et al. 2009).

Die zahlreichen Befunde gelten dennoch als widersprüchlich, was zum Großteil auf die große Varianz innerhalb der Studien hinsichtlich Studienteilnehmern, Interventionen, Erhebungsinstrumenten etc. zurückzuführen ist.

Demgegenüber ist ein Befund von Campbell et al. (2010) von besonderer Bedeutung. Sie führten eine Prädiktorenanalyse auf Basis eines großen Datensatzes von Teilnehmern einer definierten beruflichen Rehabilitationsmaßnahme (Supported Employment) durch und konnten aufzeigen, dass die personenbezogenen Prädiktoren durch Supported Employment – eine evidenzbasierte Form der beruflichen Rehabilitation ( Kap. 4) – in den Hintergrund treten. Es wurde hier deutlich, dass die Art der Maßnahme als Prädiktor wichtiger wird als die personenspezifischen Merkmale. Die personenseitigen Prädiktoren (1) der Arbeitsbiographie (operationalisiert über bezahlte Arbeit in den letzten fünf Jahren), (2) der soziodemografischen Merkmale (u. a.

Alter, Schulabschluss, Bezug von Sozialleistungen) und (3) der klinischen Merkmale (Diagnose, Symptome BPRS, Krankenhaustage im letzten Jahr) sind statistisch nicht mehr relevant, wenn die Arbeitsrehabilitation nicht mit Standardintervention, sondern nach den Grundsätzen des Supported Employment durchgeführt wird. Die personenbezogenen Prädiktoren, die aus arbeitsrehabilitativen Settings gewonnen wurden, die nach traditionellen Ansätzen des Arbeitstrainings vorgehen, lassen sich demnach nicht auf die berufliche Rehabilitation nach dem Ansatz des Supported Employment / Individual Placement and Support ( Kap. 4) übertragen. Letztlich macht dieser Befund deutlich, dass an einer Erwerbstätigkeit interessierte Menschen mit schwerer psychischer Erkrankung am besten von einer entsprechenden Unterstützten Beschäftigung im Sinne des Supported Employment, wie sie im folgenden Kapitel näher beschrieben wird, unabhängig von ihrer beruflichen Anamnese oder anderen personenbezogenen Merkmalen profitieren.

3.5 Zusammenfassung

Zahlreiche Befunde deuten auf einen stabilen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Gesundheit hin.

Arbeitslose weisen eine höhere Kranken- und Sterblichkeitsrate als Erwerbstätige auf und haben v. a. im Bereich psychischer Gesundheit deutlich häufigere und anhaltendere Probleme. Die Verordnung von Psychopharmaka ist bei Arbeitslosen im Vergleich zu Beschäftigten doppelt so hoch. Allerdings können gesundheitliche Probleme häufig auch in die Arbeitslosigkeit führen bzw. eine Neuanstellung erschweren (vgl. Kroll und Lampert 2012).

Krankheiten können demzufolge gleichzeitig als Folge und Ursache von Arbeitslosigkeit betrachtet werden.

Die gesundheitsförderliche Wirkung von Arbeit ist lange bekannt. Im Rahmen der Rehabilitation wird ihr traditionell ein großer Stellenwert zugeschrieben. Auch für schwer psychisch Kranke wurden ihre positiven Auswirkungen auf Gesundheit, Lebensqualität und Zufriedenheit mehrfach nachgewiesen.

Gelingende berufliche Partizipation beginnt oft zu einem frühen Zeitpunkt, nämlich an den Übergängen von Schule, Ausbildung und Beruf. Beginnende psychische Probleme im Kindes- und Jugendalter können ganz erhebliche Auswirkungen auf die schulische und berufliche Ausbildung haben und die Chancen auf einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz verringern.

Untersuchungen, die sich an denjenigen mit einer (schweren) psychischen Erkrankung orientieren, zeigen auf, dass das Vorliegen einer solchen mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbssituation sowie einer sozialrechtlichen Benachteiligung verbunden ist. Die Arbeitslosigkeit ist in dieser Bevölkerungsgruppe überdurchschnittlich hoch. Insbesondere für Patienten mit einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis liegen die Arbeitsraten europaweit bei ca. 10 % bis 20 %. Ein beträchtlicher Teil arbeitet unter beschützten Bedingungen. Auch im Vergleich zu somatisch Erkrankten sind Menschen mit einer chronischen psychischen Erkrankung weniger in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert. Inzwischen lassen sich knapp 43 % aller gesundheitsbedingten Frühberentungen auf eine psychische Erkrankung zurückführen. Dabei nimmt die Zahl an Neuberentungen wegen psychischer Erkrankungen deutlich zu. Die sozialrechtliche Benachteiligung der Betroffenen zeigt sich auch in dem vergleichsweise geringen Anteil an Rehabilitationsleistungen. Nur etwas mehr

24 als die Hälfte der Betroffenen hat in den Jahren zuvor eine Rehabilitationsmaßnahme in Anspruch genommen.

Ein Grund dafür wird darin gesehen, dass die Antragstellung oft erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung erfolge und ein Integrationserfolg dann kaum mehr gesehen werde. Generell ist davon auszugehen, dass psychische Erkrankungen zu spät und unzureichend versorgt werden und Zuständigkeits- und Schnittstellenprobleme im Sozialversicherungssystem eine adäquate Behandlung und Rehabilitation erschweren.

Prädiktoren im Sinne einer verbesserten beruflichen Teilhabe werden in einer positiven Arbeitsanamnese, jüngerem Alter und der (Vor-)Bildung gesehen. Aber auch krankheitsbezogene Faktoren wie die kognitive Leistungsfähigkeit, weniger starke Negativsymptomatik und das soziale Funktionsniveau sowie das Ausmaß an erfahrener sozialer Unterstützung und professionell durchgeführter multiprofessioneller Rehabilitation gelten als prädiktiv. Allerdings lassen sich diese personenbezogenen Prädiktoren, die aus traditionellen arbeitsrehabilitativen Settings gewonnen wurden, nicht ohne weiteres auf die berufliche Rehabilitation nach dem Ansatz des Supported Employment / Individual Placement and Support ( Kap. 4) übertragen. In einem solchen Setting verlieren sie an Vorhersagekraft.

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4 Welche Formen beruflicher Rehabilitation sind für Menschen mit schweren