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Entwicklung von Schädigungen auf verschiedenen Wirkungsebenen

2. Luftschadstoffe greifen an mehreren Ebenen von Ökosystemen an

2.5. Physiologische Wirkungen

2.5.6. Entwicklung von Schädigungen auf verschiedenen Wirkungsebenen

Luftschadstoffe können sich auf mehreren Ebenen von Ökosystemen auswirken und über eine Wachstumshemmung bis zum Tod führen. Die Wirkungen setzen dabei an allen Ebenen an: Sie beginnen zunächst als „unsichtbare Schädigungen“ auf

„physiologischer Ebene“ in den Zellen, wobei Stoffwechselvorgänge gestört werden. Bei zunehmender Dosierung werden zunächst einzelne Blattorgane, später größere Teile der Pflanzen (z. B. die Baumkrone), ganze Pflanzen und schließlich Pflanzengemeinschaften geschädigt (Abbildung 2-20).

Abbildung 2-20:

Wirkungsebenen und Wirkung von Luftschadstoffen.

Zelle

Bildung von Radikalen

Abbau von Chlorophyll und anderen Pigmenten Hemmung / Aktivierung von Enzymen

Schädigung von Membranen und Organellen Hemmung der Photosynthese

Mykorrhizaschäden

Veränderung des osmotischen Potenzials Ð Beeinflussung des Energiehaushaltes und der

Vitalität

Erhöhung der Prädisposition gegenüber Stress Beeinflussung von Symbiosen

Beeinflussung der Belaubung (Blattabfall) und der Verzweigung

Vergrasung, Zunahme nitrophiler Arten

Artenverschiebung nach Auflichtung eines Waldbestandes

Ausfall empfindlicher Arten

Beeinträchtigung der Naturverjüngung Veränderung von Stoffkreisläufen

Mit zunehmender Dosierung stellen sich je nach Wirkungsebene unterschiedliche Effekte ein. Die Auswirkungen von Luftschadstoffen auf die Vegetation in Abhängigkeit von der Entwicklungsdauer der jeweiligen Veränderungen sind in Tabelle 2-4 angeführt.

Tabelle 2-4: Einwirkungsdauer und Wirkungen von Luftschadstoffen.

Einwirkungsdauer Wirkungen Beispiele

Stunden - Tage Biochemische (molekulare) und

physiologische Reaktionen Veränderung der Atmungsintensität, Aktivierung von Entgiftungsenzymen Wochen Physiologisch – morphologische

Veränderungen Beeinträchtigung der Photosynthese, Veränderungen von Organellen und Störung des Wasserhaushaltes Wochen - Monate Veränderungen des individuellen

Reaktionszyklus Verminderung der Widerstandsfähigkeit gegenüber Immissionseinwirkungen, frühzeitige Seneszenz

Monate – Jahre Veränderungen der Population Artenverschiebungen z. B. in Form von Vergrasung

Monate – Jahrzehnte Ökologische Konsequenzen Tiefgreifende Veränderungen von Ökosystemen, z. B. „Rauchblößen“

Abbildung 2-21 zeigt die Auswirkungen eines „klassischen“ Schadstoffemittenten auf die Artenzahl.

Abbildung 2-21: Auswirkung der SO2-Abgase einer Eisenverhüttungsanlage auf boreale Nadelwälder in Canada (Ontario): Absterben der Fichten und anderer Gefäßpflanzen, drastische Abnahme der Artenzahl (Strasburger 1991).

Tabelle 2-5: Wirkungen von Luftschadstoffen auf unterschiedlichen Ebenen.

Der Luftschadstoff kann bereits auf der Blattoberfläche Schäden hervorrufen

Polare Komponenten lösen sich im Wasserfilm, unpolare können sich im Wachs der Kutikula lösen und dort anreichern. Ätzende Stoffe in Form von Staub, aber auch Ammoniak oder saure Gase in überhöhter Konzentration verletzen die Kutikula und können durch sie in das Blattinnere eindringen.

Ein unkontrollierter Wasserverlust kann eine weitere Folge sein.

Auch die Funktion der Stomata kann durch Spurenstoffe beeinflusst werden, was zu (Wasser-)Stress führen kann: Eine Öffnungsstarre erlaubt einen ungebremsten Eintritt von Spurenstoffen in das Blattinnere und führt ebenfalls zu einem unkontrollierten Wasserverlust. Ein reflektorischer Schluss der Stomata verhindert – wie auch trockenheitsbedingtes Schließen – eine Wasseraufnahme über die Wurzel, die Transpiration und die CO2-Aufnahme.

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Beim Eintritt in das Blattinnere werden physiologische Vorgänge gestört und Zellbestandteile verändert

In der Atemhöhle können chemische Reaktionen, etwa zwischen Ethen, Terpenen und Ozon, stattfinden. In der Folge entstehen Radikale.

Nach dem Eindringen in die Zellen werden durch direkte Wirkung oder nach der Bildung von Radikalen Membranen und Organellen geschädigt und dadurch verschiedenste Stoffwechsel- und Transportvorgänge gestört. Zunächst treten noch keine sichtbaren Symptome auf. Konkret können im Blatt Photosynthese, Respiration und Transpiration, Enzymaktivitäten, Zellstoffwechsel, Zell- und Organellenstruktur, Permeabilität von Biomembranen beeinträchtigt sowie Pigment- und Stoffgehalte verändert werden. In der Wurzel kann die Knöllchenbildung durch Rhizobien sowie die Mykorrhizierung gestört werden.

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Ganze Blattorgane können geschädigt werden

Der apoplastische Transport in Richtung Blattrand und Blattspitze erhöht dort die Konzentration und die Zellen werden vom Schadstoff „überrumpelt“. Eine „Überdosis“ zerstört das gesamte Gewebe von der Blatt- / Nadelspitze basalwärts. Folgen sind Verfärbungen, Chlorosen (Chlorophyllzerstörung z. B. nach Verlust des Mg), Gelbfleckigkeit, Vergilbung, Wasserflecken, die in Nekrosen übergehen, Phloemnekrosen oder Mesophyllschäden, Verlust von Pflanzenorganen (vorzeitige Alterung, Blattabfall).

Bei Koniferen - mit Ausnahme der Lärche! - gibt es immer mehrere Nadeljahrgänge. Die jüngsten Nadeln (Nadeljahrgang 1) sind physiologisch am aktivsten und erbringen den Hauptteil der Photosyntheseleistung, der Nadeljahrgang 2 nur mehr einen geringen Teil. Ältere Nadeln werden daher bei Trockenstress zuerst abgeworfen, um unnötigen Wasserverlust zu vermeiden; hierbei entsteht noch kein Schaden.

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Die gesamte Pflanze wird geschädigt

Der Ausfall der Photosynthese und weiterer lebensnotwendiger Stoffwechselvorgänge kann sich auf die ganze Pflanze auswirken. Die Folgen sind Veränderungen des Wachstums und der Entwicklung, eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber biotischen und abiotischen Einflüssen, eine Verringerung der Reproduktionsfähigkeit und der Konkurrenzkraft, Ertrags- und Qualitätsminderungen sowie morphologische Veränderungen (Zwergwuchs, Verkrüppelungen, Krebsbildungen und Verkrümmungen). Bei akuten Dosen führt dies schließlich zum Absterben ganzer Pflanzen.

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Ganze Pflanzengemeinschaften können verändert werden

Wenn aus einer Pflanzengemeinschaft die empfindlichsten Arten oder Individuen geschädigt werden und absterben, verändert sich diese in ihrer Zusammensetzung. Im Falle der selektiven Abtötung von Koniferen aus Mischbeständen sprach man in den Zeiten klassischer „Rauchschäden“ plakativ von einer „Koniferenausräucherung“. Die Vergrasung von Waldbeständen kann durch überhöhte Stickstoffeinträge gefördert werden. Artenverarmung, Auftreten neuer Arten, Einfluss auf die Populationsgröße und Sukzession, Bestandesstruktur, Stoffflüsse und –kreisläufe können weitere Folge sein (Abbildung 2-22).

Abbildung 2-22: Immissionsschäden durch HF im Nahbereich eines Aluminiumwerkes.

Die empfindlichen Fichten in Werksnähe sind abgestorben. Die Fichten im Hintergrund werden durch die widerstandsfähigeren Erlen und Birken im Vordergrund („Rauchriegel“) etwas geschützt.

Mögliche Abfolgen von Schädigungen sind aus Box 2-5 zu ersehen.

Box 2-5: Mögliche Abfolgen von Schädigungen.

Chlorophyllzerstörung Æ Chlorosen

Æ Hemmung der Photosynthese

Æ Zuwachsverlust / Ertragsverlust

Peroxidation von ungesättigten Fettsäureresten in den Membranen Æ Beeinträchtigung der Membraneigenschaften

Æ Auswaschung von Nährstoffen aus Blattorganen mit dem Niederschlag Æ Nährstoffmangel

Æ Zuwachsverlust / Ertragsverlust Überangebot an Stickstoff

Æ Unausgewogenes Nährstoffangebot

Æ Verringerung der Stabilität des Gewebes

Æ erhöhte Anfälligkeit gegen Frost und Insekten Hemmung von Enzymen

Æ Störung von Stoffwechselwegen Æ Hemmung der Entgiftung

Æ Zuwachsverlust / Ertragsverlust

Aufnahme von sauren Schadstoffen über die Stomata Æ Aufkonzentrierung im Stomatabereich

Æ Ausbreitung des Schadstoffes um die Stomata Æ Fleckennekrosen um die Stomata, Blattschäden

Æ Zuwachsverlust / Ertragsverlust ÆTod

Aufnahme von sauren Schadstoffen und Streusalz über die Wurzeln Æ Aufkonzentrierung im Apoplasten

Æ Weitertransport im Xylem zum Blattrand/Blattspitze Æ Rand- und Spitzennekrosen

Æ Blattabfall

Æ Zuwachsverlust / Ertragsverlust ÆTod