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Entwicklung innerhalb der Selbständigkeit

Im Dokument Neue Selbständige in der (Seite 23-26)

2 Hintergrund

2.6 Entwicklung innerhalb der Selbständigkeit

Seit der Mitte der neunziger Jahre sind Verschiebungen innerhalb der Gruppe der Selb-ständigen zu beobachten, die Experten schon von einem „Strukturbruch“ (Leicht 2000) sprechen lassen. Wie eine Auswertung des Mikrozensus durch das Institut für Mit-telstandsforschung, Mannheim, zeigt, beruht die Dynamik im Gründungsgeschehen der letzten Jahre gesamtwirtschaftlich betrachtet fast ausschließlich auf dem Wachstum von Ein-Personen-Unternehmen (Leicht 2000: 87) (Abb. 3 und 4).15

Abbildung 3: Entwicklung von Selbständigen mit und ohne Beschäftigte in Deutschland (alte Bundesländer/ohne Landwirtschaft)

Quelle: Leicht 2000: 82

14 Als „Selbständiger“ gilt nach der Definition der Bundesanstalt für Statistik, wer eine Unternehmung als Eigentümer, Miteigentümer oder Pächter eigenverantwortlich und nicht weisungsgebunden leitet, sowie die Verantwortung für die Entwicklung und das Ergebnis des Unternehmens trägt.

15 Zwischen 1994 und 1998 stieg das Volumen der Ein-Personen-Unternehmen um 378.000 auf 1,57 Mio. Im gleichen Zeitraum nahm die Zahl der Arbeitgeber um 23.000 ab (Leicht 2000: 81)

Abbildung 4: Absolute Veränderungen an Selbständigen mit und ohne Beschäftigte 1995-1998 nach Wirtschaftsbereichen (Ge-samtdeutschland in Tsd.)

Quelle: Leicht 2000: 83

Damit würde das Bild des schöpferischen, expandierenden und Arbeit schaffenden Un-ternehmers immer weniger mit der neuen Wirklichkeit übereinstimmen. Analog zur Debatte über das Normalarbeitsverhältnis wird angesichts der Entwicklung zum Ein-Personen-Unternehmen schon die Frage gestellt, ob wir vor dem Abschied vom „Nor-mUnternehmer“ stehen (Leicht/Phillip 1998). Die „Solo-Unternehmer“ sind vor al-lem in den Bereichen „wirtschaftliche, technische und rechtliche Beratung“ sowie

„Erziehung, Unterricht, Gesundheit und persönliche Dienste“ anzutreffen. Dabei finden sich neben einfacheren Tätigkeiten – etwa im Gastronomiebereich – wissensintensive Tätigkeiten, etwa im Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen wie Unterneh-mensberatungen, Marktforschung, Ingenieurbüros oder Softwareentwicklung (Leicht 2000: 83, mit international vergleichender Perspektive Luber/Leicht 2000).

Und während im Bereich der einfacheren Tätigkeiten viele „Selbständige aus Not“

vermutet werden, die „nur geringe Chancen auf eine kontinuierliche Verwertung ihrer Arbeitskraft gegen Lohn und Gehalt in abhängiger Beschäftigung“ sehen und deshalb den Weg in die Selbständigkeit beschreiten (Bögenhold 1987: 28), wird bei wissensin-tensiven Gründungen als wesentliches Gründungsmotiv die echte Chance auf eine Ver-wirklichung größerer Autonomie unterstellt.

Um diese Annahme zu überprüfen, soll im Folgenden die neue Selbständigkeit nicht in gesamtwirtschaftlicher Perspektive betrachtet werden, sondern nur der Ausschnitt der

„Informationswirtschaft“. Diesem Sektor wird in Debatten über die Zukunft der Arbeit oft eine prototypische Funktion beigemessen. Zuvor soll aber in einem kurzen Einschub auf die arbeitsrechtliche Problematik mit einem besonderen Blick auf die Gesetzgebung zur Scheinselbständigkeit eingegangen werden.

Exkurs: Schwierigkeit der arbeitsrechtlichen Einordnung von Selbständigen und Scheinselbständigkeit

Das duale Modell der Erwerbstätigkeit unterscheidet aus juristischer Sicht prinzipiell zwischen der Selbständigkeit und dem Arbeitsverhältnis (hierzu und zum Folgenden Neuwirth 1999: 37 ff.). Es existiert aber keine allgemeingültige Legaldefinition von

„Selbständigen“ und „Arbeitnehmern“. So werden die Begriffe zwar in vielen Gesetzen verwendet, doch muss z.B. der Arbeitnehmerbegriff des Arbeitsrechts nicht identisch sein mit dem Begriff des Sozialversicherungsrechts. Ein „Selbständigenrecht“, analog dem Arbeitsrecht, fehlt völlig: „Im Recht existiert damit auch nicht ‚der Selbständige an sich‘, sondern ein vielfältiges Konglomerat separater Beschäftigungsverhältnisse, die sich durch dieselbe Eigenschaft, die rechtliche Selbständigkeit, auszeichnen“ (ebd. 55).

Die Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbständigen sowie die Kategorisierung verschiedener rechtlicher Formen von Selbständigen wird dadurch erschwert, dass sich nicht einfach aus der Vertragsform oder der Art der Tätigkeit auf den Erwerbsstatus bzw. die Form der Selbständigkeit geschlossen werden kann. Die wohl am meisten ver-breiteten Formen selbständiger Beschäftigung, die von Unternehmen alternativ zu eige-nen Arbeitnehmer/ineige-nen eingesetzt werden köneige-nen, sind freie Dienstverpflichtete (Ver-tragsverhältnis: Dienstvertrag nach §§ 611 ff. BGB) und Werkunternehmer (Vertrags-verhältnis: Werkvertrag nach §§ 631 ff. BGB) (Neuwirth 66 ff.).

Das Sozialversicherungsrecht bildete im Projektzeitraum ein besonderes Konflikt-feld bezüglich der Selbständigenthematik (vgl. Bieback 2000). Mit dem „Gesetz zur Korrektur in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte“ vom 19. Dezember 1998 unternahm der Gesetzgeber den Versuch, dem sozialen Schutzbe-dürfnis von Personen Rechnung zu tragen, die unfreiwillig in die Selbständigkeit ge-drängt wurden. Ziel des Gesetzes war die erleichterte Erfassung von scheinselbständi-gen Arbeitnehmern in der Sozialversicherung und die Pflichtversicherung von arbeit-nehmerähnlichen Selbständigen in der Rentenversicherung. Dadurch sollten der Miss-brauch durch Formen der Scheinselbständigkeit und die Altersarmut von Selbständigen verhindert werden. Mittels eines Kriterienkataloges sollte geprüft werden, ob eine sozi-alversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt. Schon bald wurden aber gravierende Probleme bei der Umsetzung des Gesetzes deutlich: die neue Vermutungsregel wurde als viel zu weitreichend kritisiert, neue Existenzgründungen und neue Arbeitsformen würden behindert, viele der als „arbeitnehmerähnliche Selbständige“ erfassten Personen seien überhaupt nicht schutzbedürftig – um nur einige Kritikpunkte zu nennen. Im „Ge-setz zur Förderung der Selbständigkeit“, das zum 1. Januar 1999 rückwirkend in Kraft trat, nahm die Bundesregierung die Anregungen der zwischenzeitlich gebildeten so g.

„Dietrich-Kommission“ auf. Die wesentlichen Neuregelungen sind:

Festlegung von Anhaltspunkten zur Abgrenzung abhängiger und selbständiger Be-schäftigung in § 7 Abs. 1 SGB IV (Tätigkeit nach Weisung sowie Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers).

• Erweiterung der Möglichkeiten zur Befreiung von der RV-Pflicht für Selbständige und Erleichterungen für Existenzgründer. Die Legaldefinition „arbeitnehmerähnli-che Selbständige“ entfällt und wird ersetzt durch die Bezeichnung „rentenversi„arbeitnehmerähnli-che-

„rentenversiche-rungspflichtige Selbständige“. Darunter fallen Personen, die erstens im Zusammen-hang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitneh-mer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis re-gelmäßig 630 DM im Monat überschreitet und zweitens auf Dauer und im wesentli-chen nur für einen Auftraggeber tätig sind.

• Präzisierung der Kriterien zur Beurteilung der Frage, ob eine selbständige Tätigkeit vorliegt (Vermutungsregelung). Grundsätzlich muss der Sozialversicherungsträger den Sachverhalt ermitteln (Amtsermittlungsgrundsatz). Erst wenn dies nicht mög-lich ist, z. B. wegen Auskunftsverweigerung des Befragten, kommt die Vermutungs-regelung zum Einsatz. Zur Prüfung zieht der Sozialversicherungsträger fünf Krite-rien heran.16 Wenn drei der fünf Kriterien erfüllt sind, soll vermutet werden, dass ei-ne unselbständige Beschäftigung vorliegt.

Das neue Gesetz lockert damit die im Ursprungsgesetz festgelegten Kriterien für die Ermittlung von Scheinselbständigkeit wieder. Nach Grunewald (2001: 28 ff.) birgt aber auch das novellierte Gesetz Risiken für Selbständige im IT-Bereich. Gerade für diese bestehe ein erhöhtes Risiko als rentenversicherungspflichtig eingestuft zu werden: Viele beschäftigen regelmäßig keine weiteren Mitarbeiter und sind in langjährigen Projekten eingesetzt (und überschreiten damit die als kritisch erachtete Schwelle von einem Jahr).

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