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2 Ausgewählte Ansätze der Wirtschaftsinformatik

2.2 Entscheidungstheorie

Nach den Ausführungen zur Systemtheorie im vorherigen Abschnitt werden ausge-wählte Aspekte der Entscheidungstheorie dargestellt. Hierbei sind, im Hinblick auf Unternehmensplanspiele, insbesondere der Entscheidungsansatz mit der Vorgehens-weise zur Entscheidungsfindung und die Entscheidungskomplexität von besonderem Interesse.

In den folgenden Abschnitten werden neben grundlegenden Begrifflichkeiten die Be-sonderheiten des Entscheidungsansatzes, typische Problemstellungen der betrieblichen Entscheidungstheorie, eine Klassifikation von Entscheidungsmodellen sowie der Begriff der Entscheidungskomplexität und deren Auswirkung auf Entscheidungssituationen erläutert.

2.2.1 Begrifflichkeiten

Als fächerübergreifendes Forschungsgebiet hat sich die Entscheidungstheorie aus der Thematik des Formulierens und Lösens von Entscheidungsproblemen entwickelt.69

67 WALLs Ausführungen folgend, würde nun eine Differenzierung in eine Programm-Ablauf-Schnittstelle, Programm-Verarbeitungs-Schnittstelle, Programm-Entwicklungsschnittstelle und Mensch-Maschine-Schnittstelle stattfinden. Diese Mensch-Maschine-Schnittstellen haben das Ziel, einem Endbenutzer eine Programmspezifikation zu ermöglichen, aus der ein adäquates Anwendungsprogramm generiert werden kann. Da in diesem Abschnitt lediglich Schnittstellen eines Anwendungsprogramms dargestellt werden sollen, werden WALLs Ausführungen hier nicht weiter verfolgt, der Vollständigkeit halber aber aufgeführt. Vgl. zu diesen WALL,F.: Schnittstellen Management, 1991, S.20ff.

68 WALL bezeichnet diese Schnittstellen als Programm-Ablauf-Schnittstelle, vgl. WALL,F.: Schnittstellen Management, 1991, S.20f.

69 Neben der Betriebswirtschaftslehre beschäftigen sich zahlreiche Disziplinen wie z.B. die Psychologie, Soziologie oder Politologie mit der Entscheidungsfindung.

Generell kann unter einer Entscheidung das Auswählen einer von mehreren Alternativen verstanden werden.70

Werden entscheidungstheoretische Untersuchungen durchgeführt, so kann zwischen deskriptiven und präskriptiven Untersuchungen unterschieden werden.

Die deskriptive Entscheidungstheorie beschäftigt sich mit der Beschreibung getroffener Entscheidungen und hat das Ziel, Hypothesen über das Entscheidungsverhalten von Gruppen oder Individuen aufzustellen und empirisch zu stützen. Hierdurch soll das zukünftige Verhalten in konkreten Entscheidungssituationen prognostiziert bzw. beein-flusst werden.71 Die Suche nach Gründen für bestimmte in der Realität getroffene Ent-scheidungen und Verhaltensweisen findet ihre Entsprechung im Erklärungsmodell der Systemtheorie.72

In der präskriptiven (auch normativen) Entscheidungstheorie steht hingegen das Auf-zeigen rationaler Entscheidungsmöglichkeiten im Vordergrund. Es sollen Empfehlun-gen und Vorgehensweisen zur Lösung von Entscheidungsproblemen herausgearbeitet werden, die den Entscheider in unterschiedlichen Situationen unterstützen. Im Unter-schied zur deskriptiven Entscheidungstheorie wird in der präskriptiven, falls möglich, eine konkrete Fragestellung abstrahiert betrachtet, um hieraus Grundprobleme und entsprechende Handlungsalternativen ableiten zu können.73 In der präskriptiven bzw.

normativen Vorgehensweise kann eine Parallele zum Vorgehen im Zusammenhang des Gestaltungsmodells des Systemansatzes gesehen werden.74

Die Betriebswirtschaftslehre richtet ihren Fokus besonders auf die Entscheidungs-theorie. Inzwischen wird sie hauptsächlich als eine entscheidungsorientierte Wissen-schaft angesehen, da ihre Aufgabe darin besteht, „die in betriebswirtWissen-schaftlichen Organisationen tätigen Menschen bei ihren Entscheidungen sowie den Gesetzgeber bei der Konzipierung unternehmensrelevanter Gesetze beratend zu unterstützen“75. Die

70 Vgl. LAUX,H.: Entscheidungstheorie, 2005, S.1.

71 Vgl. LAUX,H.: Entscheidungstheorie, 2005, S.2.

72 Vgl. zum Erklärungsmodell Kapitel 2.1.3.

73 Vgl. LAUX,H.: Entscheidungstheorie, 2005, S.2.

74 Vgl. zum Gestaltungsmodell Kapitel 2.1.3 sowie BIETHAHN, J.; MUCKSCH, H.; RUF, W.:

Informationsmanagement, 2004, S.160.

75 BAMBERG,G.;COENENBERG,A.G.: Entscheidungslehre, 2004, S.11.

betriebswirtschaftliche Entscheidungsfindung wird speziell in den Fachgebieten der Entscheidungstheorie und des Operations Research behandelt.76

2.2.2 Entscheidungsansatz

Der Entscheidungsansatz dient der Unterstützung bei der Entwicklung von Methoden der Entscheidungsfindung. Mit seiner Hilfe soll dargestellt werden, „wie man zu ratio-nalen Entscheidungen kommen kann“77. Die Besonderheit des Ansatzes liegt darin, dass bei den Betrachtungen das reale Entscheidungsobjekt fokussiert wird. Hierbei nimmt das Informationsproblem, also die Vorbereitung und das zur Verfügung stellen von entscheidungsrelevanten Informationen durch den Einsatz von Informationssystemen, eine wichtige Rolle ein.

Da in den Entscheidungen ein Prozesscharakter beobachtet werden kann, lässt sich die Vorgehensweise zur Entscheidungsfindung in einem Phasenschema abbilden. Beispiel-haft sei das von BIETHAHN,MUKSCH undRUF vorgeschlagene Schema dargestellt:78

1. Anregungsphase: Der Entscheidungsprozess wird durch ein Ereignis angeregt.

2. Suchphase: Alle relevanten Informationen über Alternativen und Ziele werden zu-sammengetragen.

3. Bewertungsphase: Die Alternativen zur Entscheidungsfindung werden beurteilt.

4. Realisierungsphase: Die Handlungsalternative, die den größten Erfolg verspricht, wird ausgewählt und durchgeführt.

5. Kontrollphase: Getroffene Entscheidungen werden überprüft.

Der Übergang zwischen den vorgestellten Phasen ist als fließend anzusehen. Über-schneidungen, Überlagerungen und Rücksprünge sind u. a. auf den in jeder Phase statt-findenden Informationsbewertungsprozess zurückzuführen. Die ersten drei Phasen

76 In diesem Abschnitt werden die Ausführungen zur Entscheidungstheorie vertieft, auf das Themengebiet Operations Research hingegen nicht weiter eingegangen. Vgl zu dieser Fachrichtung im Kontext der Entscheidungstheorie z.B. BIETHAHN, J.;MUCKSCH, H.;RUF,W.: Informationsmanagement, 2004, S.161ff.

77 BIETHAHN,J.;MUCKSCH,H.;RUF,W.: Informationsmanagement, 2004, S.159.

78 Vgl. BIETHAHN,J.;MUCKSCH,H.;RUF,W.: Informationsmanagement, 2004, S.166.

können als Planungsphase zusammengefasst werden. Entscheidend für das Vorgehen ist die Reflexion der getroffenen Entscheidungen in der Kontrollphase.79

Betrachtet man die verwendeten Lösungsmethoden, so kann man diese heranziehen, um einzelne Entscheidungsmodelle zu klassifizieren. Übliche Problemstellungen, mit denen sich die betriebliche Entscheidungstheorie beschäftigt, sind u. a. Entscheidungen unter Sicherheit, Risiko und Unsicherheit.

Eine Kategorie der Klassifikation bilden deterministische Entscheidungsmodelle als Entscheidungsmethoden bei Sicherheit. Vorraussetzung hierfür ist die vollständige Kenntnis aller Wirkungszusammenhänge und Zustandsdaten, beispielsweise in Form von Funktionen und Parametern, die zudem zufallsunabhängig sein müssen. Eine weitergehende Differenzierung in lineare und nichtlineare Entscheidungsmodelle80 ist wiederum möglich.

Alternativ können Entscheidungsmodelle bei Ungewissheit untersucht werden. Im Gegensatz zu deterministischen Modellen sind hierbei einige der verwendeten Parameter nicht vollständig bekannt oder zufallsabhängig. Fehlende Informationen werden durch stochastische Größen und Erfahrungswerte ersetzt. Je nach Modell-struktur (linear, nichtlinear) und Art der verfügbaren Daten können Methoden zur Ent-scheidungsfindung untergliedert werden. Exemplarisch seien die Simulation und Entscheidungsmodelle unter Unsicherheit genannt.81

Simulationen können zur Analyse komplexer Abläufe und Prozesse verwendet werden.82 Sie ersetzen exakte, mathematische Lösungsverfahren, die aufgrund der Problemstellung zu langwierig oder nicht anwendbar sind. Durch Simulationen lassen sich sowohl deterministische als auch stochastische Aspekte berücksichtigen.

79 Vgl. BIETHAHN,J.; MUCKSCH,H.;RUF,W.: Informationsmanagement, 2004, S.166. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen zur Entscheidungsfindung in Unternehmensplanspielen in Kapitel 3.5.3.2.

80 Beispielhaft für Verfahren zur Lösung linearer Entscheidungsmodelle ist die Simplexmethode, bei nichtlinearen Modellen die Lagrangesche Multiplikatormethode. Vgl. zu detaillierteren Ausführungen z.B. BIETHAHN,J.;MUCKSCH,H.;RUF,W.: Informationsmanagement, 2004 , S.167f.

81 Andere Methoden sind z.B. Warteschlagenmodelle, Markov-Ketten, heuristische Entscheidungsprobleme, Entscheidungsmodelle mit unscharfen Mengen oder bei Risiko. Vgl.

BIETHAHN,J.;MUCKSCH,H.;RUF,W.: Informationsmanagement, 2004, S.168ff.

82 Vgl. die Ausführungen zu Simulationen in Kapitel 3.2.

Unter Unsicherheit wirken auf die Handlungsalternativen Umwelteinflüsse ein, deren Verhalten vorab nicht sicher ist. Zur Lösung können unterschiedliche Entscheidungs-regeln, die stark durch die Subjektivität des Entscheiders geprägt sind, herangezogen werden. Durch das Grundmodell der Entscheidungstheorie wird ein Verfahren zur Entscheidungsfindung unter Ungewissheit beschrieben. Es ermöglicht, durch „Gegen-überstellung von Entscheidungsgrößen und fremdbestimmten Umweltvariablen gute Entscheidungen zu treffen bzw. das Entscheidungsfeld zu eruieren“83. Hierbei wird ein Entscheidungssystem aufgebaut, welches die Problemstellung durch die Zusammen-führung aller Handlungsmöglichkeiten und möglichen Umweltzustände über Zuord-nungsrelationen und Präferenzfunktionen zu einer Entscheidungsmatrix verdichtet, auf die verschiedene Entscheidungsregeln (z.B. Minimax-/Maximax-Regel84) angewendet werden können.85

2.2.3 Entscheidungskomplexität

In diesem Abschnitt werden grundlegende Merkmale der Entscheidungskomplexität vorgestellt.86

Im Gegensatz zur Systemkomplexität87 steht bei der Entscheidungskomplexität die entscheidungstheoretische Perspektive im Vordergrund. In diesem Fall wird der Komplexitätsbegriff als die Eigenschaft eines Problems verstanden, welches der jewei-ligen Entscheidungssituation zugrunde liegt.88

DÖRNER ET AL. nutzen Computersimulationen als Forschungsinstrument zur Unter-suchung komplexen Problemlösens.89 Sie identifizierten zahlreiche Merkmale von

83 BIETHAHN,J.;MUCKSCH,H.;RUF,W.: Informationsmanagement, 2004, S.172.

84 Die Minimax-/Maximax-Regel besagt, dass die Alternative gewählt wird, die den größten Erfolg verspricht. Hierzu werden die Minima bzw. Maxima aller Alternativen bestimmt und aus diesen Werten der maximale als beste Lösung angesehen. Vgl. zu dieser und weiteren Regeln BIETHAHN,J.;

MUCKSCH,H.;RUF,W.: Informationsmanagement, 2004, S.176f.

85 Vgl. BIETHAHN,J.;MUCKSCH,H.;RUF,W.: Informationsmanagement, 2004, S.168ff.

86 Zu weitergehenden Ausführungen im Kontext der Komplexität in Unternehmensplanspielen und deren Einfluss auf den Wissenserwerb vgl. Kapitel 3.7.

87 Vgl. Kapitel 2.1.2.

88 Vgl. ORTH,C.: Unternehmensplanspiele, 1999, S.68.

89 Zu entsprechenden Computerszenarien vgl. OLLESCH,H.: Computerszenarios, 2001, S.17ff und FUNKE, J.: Problemlösendes Denken, 2003, S.145ff. sowie die dort angegebene Literatur.

Problemen, mit denen der Handelnde in solch einer Entscheidungssituation konfrontiert wird.90

Obwohl die nachfolgend vorgestellten Merkmale nicht vollständig unabhängig und überschneidungsfrei sind, lässt sich mit deren Hilfe dennoch die Entscheidungs-komplexität gut verdeutlichen.

Als Determinanten eines komplexen Problems nennen DÖRNER ET AL. folgende Aspekte:91

• Anzahl an Variablen: Einhergehend mit der Möglichkeit, eine Vielzahl verschiede-ner Zustände anzunehmen, können Variablen diverse Ausprägungen eines Prob-lems erzeugen.

• Vernetztheit der Variablen: In Entscheidungssituationen wirken einzelne Variablen nicht isoliert voneinander. Vielmehr liegen Wechselwirkungen und gegenseitige Abhängigkeiten vor, die sich meist nicht auf Linearität beschränken lassen.

• Intransparenz der Entscheidungssituation: Nicht alle Variablen und Verknüpfungen sind vorab bekannt. Teilweise können die Informationen zur Entscheidungsfindung beschafft werden. Meist bleibt jedoch eine stochastische Restgröße, da sich nicht alle Informationen beschaffen lassen bzw. der Handelnde nicht alle Informationen vollständig erfassen kann.

• Dynamik der Entscheidungssituation: Die Anzahl der Variablen und deren Ver-knüpfungen können sich auch ohne Entscheidungen oder Handlungen des Individuums mit der Zeit verändern.

• Vielzieligkeit (Polytelie): Charakteristisch für komplexe Situationen ist meist eine gewisse Vielzieligkeit, bei der ein eindeutig vorgegebenes Ziel fehlt oder verschie-dene Teilziele existieren. Dabei können komplementäre, neutrale und konfliktäre Zielbeziehungen vorliegen.

90 Vgl. DÖRNER,D. ET AL.: Lohhausen, 1983, S105ff. Auf das Experiment Lohhausen von DÖNERET AL. wird nochmals im Zusammenhang mit der psychologischen Problemlöseforschung als Anwendungsgebiet von Planspielen in Kapitel 3.3.3 eingegangen.

91 Vgl. zu den Eigenschaften DÖRNER, D. ET AL.: Lohhausen, 1983, S.19ff. und FUNKE, J.:

Problemlösendes Denken, 2003, S.125ff.

• Zieloffenheit: Der anzustrebende Zielzustand ist vorher nicht exakt definierbar.

Vielmehr konkretisiert er sich erst im Verlauf einer eingehenden Auseinander-setzung mit dem jeweiligen Problem.

Erachtet der Problemlöser eine Entscheidungssituation als zu komplex, so wird er be-strebt sein, die Komplexität zu reduzieren. Dies kann beispielsweise, analog zur Reduktion der Systemkomplexität, durch Abstraktion92 geschehen.93 Die Empfindung der Entscheidungskomplexität verdeutlicht nochmals die stark subjektive Prägung der entscheidungstheoretischen Perspektive.