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Entscheidungssituationen bei Berücksichtigung von Erwartungswert und rangeErwartungswert und range

+

+

+/

-Erwartungswert

range

+/-Die Achsen sind gleich skaliert. +/-Die Referenzsituation befindet sich im Ursprung und ist nicht stochastisch.

Für die formale Herangehensweise an diesen Sachverhalt wird im folgenden statt der Varianz die negative ‚range‘, also die maximal mögliche negative Abweichung der Realisation einer Zufallsvariablen von ihrem Erwartungswert herangezogen. Sie bilde neben dem Erwartungswert das zweite Argument der Nutzenfunktion.

In Schaubild 94.1 ist im Vergleich zum vorigen Diagramm die Varianz durch die range ersetzt. Da die Skalierung auf Abszisse und Ordinate gleich sei, weisen alle Punkte des ersten Quadranten, die oberhalb der Winkelhalbierenden liegen, ein größe-res Minimum auf als der Referenzpunkt im Ursprung. Sie werden daher vorgezogen, so daß mit Hilfe der range als Argument der Nutzenfunktion der Unbestimmheitsbe-reich halbiert werden kann. Entsprechendes gilt für den dritten Quadranten.

Die bisherigen Überlegungen bezogen sich auf den Vergleich stochastischer Alter-nativen mit einem sicheren Referenzergebnis. Im folgenden sei auch die Referenzsitu-ation stochastisch.

Die Punkte in Tabelle 96.1 stehen beispielhaft für alle wichtigen Vorzeichenkombi-nationen, die im Vergleich zwischen Referenz- und Alternativerteilung in bezug auf Erwartungswert und Streuung auftreten können. Bedeutsam ist, daß alle Punkte im Unbestimmtheitsbereich (vgl. Schaubild 91.1) liegen. Sie sind in Schaubild 96.1 dar-gestellt. Der Referenzpunkt P0 befindet sich im Ursprung des separaten Koordinaten-kreuzes. Unter der gleichen Annahme wie zuvor, daß die Nutzenfunktion ‚well be-haved’ ist und insbesondere beinhaltet, daß größere Beträge kleineren vorgezogen werden, gilt für die Punkte bezüglich der Referenzverteilung:

P11 besitzt einen höheren Erwartungswert und eine größere Streuung. Aufgrund des höheren Minimums wird er präferiert.

P12 besitzt ebenfalls einen höheren Erwartungswert und eine größere Streuung als die Referenzverteilung. Aufgrund des geringeren Minimums seiner Verteilung fällt er in den Unbestimmtheitsbereich.

P21 ist durch einen geringeren Erwartungswert und eine kleinere Streuung gekenn-zeichnet. Da auch das Minimum kleiner ausfällt, kann er abgelehnt werden.

P22 besitzt wie P21 einen geringeren Erwartungswert und eine kleinere Streuung. Da hier jedoch das Minimum größer ist, kann ohne konkretere Kenntnis der Nutzen-funktion keine Entscheidung getroffen werden.

Werden diese Überlegungen verallgemeinert, folgt daraus eine generelle Präferenz für alle Punkte im ersten Quadranten, die oberhalb der Winkelhalbierenden liegen. Im dritten Quadranten folgt eine Ablehnung für alle Punkte, die sich unterhalb der 45°-Linie befinden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die Verwendung von Erwartungswert und range als Argumente einer Risikonutzenfunktion den Unbe-stimmtheitsbereich halbiert. Denn wenn die Varianz herangezogen wird, kann über die Vorteilhaftigkeit aller Punkte im ersten und dritten Quadranten ohne Kenntnis der spe-zifischen Indifferenzkurve keine Aussage getroffen werden. Bei Verwendung der range hingegen verringert sich dieser Bereich auf die der Abszisse benachbarten Hälften der genannten Quadranten, so daß in den Quadranten II und IV und den der

Ordinate benachbarten Hälften der Quadranten I und III für risikoaverse Entscheider eindeutige Entscheidungen möglich sind. Dieser Ansatz wird in Abschnitt 5.6 zur Ent-scheidungsunterstützung auf das Planspiel “Puten und Perlhühner” übertragen.

Tabelle 96.1: Beispiele für Entscheidungssituationen bei Verwendung des Erwartungswert-range-Kriteriums

Punkt Referenz P11 P12 P21 P22

-x 100 120 120 80 80

Range 100 110 130 90 70

Minimum 0 10 – 10 – 10 10

Präferenz + +/– +/–

U = U(x, range), U = Nutzen.

-Alle Alternativen besitzen, abgesehen von den Parametern x und range, die -gleiche Verteilung.

Schaubild 96.1: Vergleich von stochastischen Entscheidungssituationen bei Berücksichtigung von Erwartungswert und range

0 100

0 100

negative range

Erwartungswert

P22

P11

P21

P12 +

+/-+

-

+/-Die Koordinaten der Punkte sind Tabelle 96.1 entnommen.

Die Reduzierung des Abwägungsbereichs in Schaubild 96.1 basiert auf der Über-legung, daß eine Alternative präferiert wird, die neben einem höheren Erwartungswert auch ein höheres Minimum aufweist. Schaubild 97.1 illustriert diesen Zusammenhang am Beispiel einer Dreieckverteilung. Dargestellt ist eine feste Einzahlung e1 und eine stochastische e2, deren Minimum größer als e1 ist und die daher vorgezogen wird. Das Schaubild enthält zusätzlich eine feste Auszahlung a, die die Entscheidung in dieser Konstellation nicht beeinflußt, da sie kleiner als die sichere Einzahlung e1 ist.

In Schaubild 97.2 ist nun die Verteilung von e2 gestreckt worden.

Ihr Minimum befindet sich jetzt zwischen a und e1. Dies bedeutet, daß mit einer sehr kleinen, aber positiven Wahrscheinlichkeit die Einzahlung von e2 kleiner als e1 ist.

In jeden Fall aber ist sie größer als a. Ohne Kenntnis der Nutzenfunk-tion kann keine Präferenz eines Ent-scheiders vorausgesagt werden.

Es ist denkbar, daß sich die Risikoaversion von Individuen in einer lexikographischen Präferenz-ordnung äußert: Zunächst muß die Auszahlung gedeckt sein. Von den Handlungsmöglichkeiten, die diese Bedingung erfüllen, wird die mit dem höchsten Erwartungswert aus-gewählt. Entscheider, für die diese

Annahmen gelten, werden sich für e2 entscheiden, die Entscheidung anderer Individuen kann nicht vorhergesagt werden.

Zum Abschluß dieses Exkurses sei folgendes zur Rationalität von Entscheidungen in stochastischen Situationen angemerkt. Individuen treffen ihre Entscheidungen in der Absicht, ihre Ziele bestmöglich zu erreichen. Sie berücksichtigen dabei, daß sie über eine begrenzte Informationsverarbeitungskapazität verfügen76 und daß Informations-beschaffung Kosten verursacht. In der Literatur werden ökonomische Verhaltenswei-sen, die nicht alle erreichbaren Informationen nutzen, häufig als begrenzt rational bezeichnet.77 Diese Bezeichnung fußt auf der althergebrachten neoklassischen Annahme vollkommener Märkte und vollständiger Information und Voraussicht. Da diese Voraussetzungen in der Praxis nur selten erfüllt sind, weil u.a. jede weitere Annäherung an Gewißheit steigende Kosten verursacht, ist es für Unternehmen nur sinnvoll, auf eine Gewinnmaximierung unter vollständiger Information zu verzichten

76 Vgl. ALCHIAN (1950, S. 212).

77 Vgl. SELTEN (1990) und die dort angegebene Literatur.

Schaubild 97.1: Einzahlung mit kleiner