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4.2 Pathologische Veränderungen am Darm in Folge von Bestrahlung

4.2.4 Endotheliale Dysfunktion und Hypoxie

Während die primären Pathomechanismen der strahleninduzierten Entzündung und Apoptose, sowie die Rolle der Adhäsionsmoleküle und Chemokine bereits in den vorherigen Abschnitten diskutiert worden sind, soll nun der Einfluss einer strahleninduzierten Hypoxie und den daraus sekundär resultierenden Schäden in den Vordergrund gestellt werden. Die Forschungsgruppe von Maj et al. und jene von Milliat et al. beleuchten, dass Bestrahlung eine Veränderung der

rheologischen Eigenschaften des Blutes induziert. Es kommt zu einer Vasodilatation und konsekutiv zu einer Reduktion des Blutflusses (Maj et al. 2003; Milliat et al. 2006). Wang J.

beschreibt, dass es zu mikrovaskulären Gefäßveränderungen sowohl bei den frühen, inflammatorischen Strahlenschäden, als auch bei den späten, fibroproliferativen Strahlenschäden kommt (Wang J. et al. 2007). Dabei steht zu den frühen Zeitpunkten die Apoptose der kapillären Endothelzellen im Vordergrund. Dies führt zu einer konsequenten Blockierung des kapillären Blutflusses und ist wesentlich für das Absterben von Kryptenzellen verantwortlich (Hendry et al.

2001; Suit und Withers 2001). Für die Spätschäden sind die Daten von Schuller et al. zu berücksichtigen. Diese stellten die kontrovers zu beurteilende Frage, ob eine endotheliale Dysfunktion durch Apoptose Folgen für das bestrahlungsinduzierte Gastrointestialsyndrom hat (Schuller et al. 2006). Schuller entwickelte eigens hierfür ein Modell, bei dem die Strahlendosis selektiv für Gefäßendothelzellen um den Faktor 3 im Vergleich zum restlichen Körper erhöht wurde. Damit zeigte er, dass endotheliale Apoptose nicht die Ursache für das Gastrointestinalsyndrom ist (Schuller et al. 2007). Potten veröffentlichte in einer Studie von 2004, dass eine frühe (4 h nach Bestrahlung) und eine späte (10 h nach Bestrahlung) Apoptose der epithelialen Kryptenzellen beobachtet werden kann, jedoch kaum Apoptose im Stroma und den endothelialen Zellen nachweisbar ist (Potten 2004). Diesen Forschungsergebnissen stehen die Aussagen von Paris, Gudkov und Hendry gegenüber, die behaupten, dass Apoptose von mikrovaskulären Endothelzellen zur primären Läsion nach Bestrahlung führt und dies in eine Dysfunktion der Stammzellen mündet (Gudkov und Gleiberman 2008; Hendry et al. 2008; Paris et al. 2001). Wir können in unseren Versuchen, wie schon unter 4.2.1 beschrieben ist, ebenfalls beweisen, dass es zu Apoptose der Kryptenzellen nach Bestrahlung kommt.

Wenn man sich hinzufügend vergegenwärtigt, dass strahleninduzierte Gewebeschädigung im unmittelbaren Verhältnis zu der Zellturnover-Kinetik steht, so erklärt sich, dass das schneller proliferierende intestinale Gewebe früher und aggressiver von der Bestrahlung geschädigt wird als das endotheliales Gewebe. Andererseits ist es wichtig zu berücksichtigen, dass jede funktionelle Zelle oder Stammzelle über ein Netzwerk von Blutgefäßen versorgt wird. Kommt es zu einer Schädigung dieser Gefäßzellen und damit zu einer Beeinträchtigung ihrer Sauerstoff- und Nährstofftransportfunktion, ist das Absterben der Zielzelle programmiert (Schuller et al. 2007).

Wie schon unter 4.2.2. beleuchtet wurde, kommt es zu einem deutlichen Rückgang der Immunzellen entlang der intestinalen Mukosa in Folge von Bestrahlung. Die Tatsache, dass das Jejunum besser als das Ileum durchblutet wird, lässt die Vermutung zu, dass die initiale Hypoxie in Folge von Apoptose der Endothelzellen in den proximalen Darmabschnitten effizienter überwunden werden kann als im Ileum (Paris et al. 2001). Die Masson-Goldner-Trichromfärbung bestätigt für

das Jejunum, dass es 6 h nach Bestrahlung zu einem Blutandrang an der Basis der Krypten kommt (siehe Abb. 7). Darüber hinaus wird dieser empfindliche Mechanismus noch durch die Tatsache gestützt, dass durch die Hochregulierung der Adhäsionsmoleküle ebenfalls eine bessere Mikrozirkulation in den proximalen Dünndarmabschnitten erreicht wird.

Als Nachweis für eine erhöhte Angiogenese bzw. für die Veränderungen der Vaskularisation des Gewebes sollen die Transkripte von COX-2, VEGF, VEGF-R-1 und SMA herangezogen werden.

COX-2 ist ein Enzym, das im Wesentlichen als Antwort auf eine Entzündung und zur Produktion von Prostaglandinen, die den inflammatorischen Prozess unterstützen, exprimiert wird. Die Expression von COX-2 wird von proinflammatorischen Zytokinen, wie z.B. TNF-α und IL-1β stimuliert (Keskek et al. 2006). Keskek et al. können nachweisen, dass es sowohl in vaskulären Endothelzellen, als auch in Fibroblasten zu einer erhöhten Expression von COX-2 nach Bestrahlung kommt. In histologischen Färbungen veranschaulichen sie, dass es 96 h nach Bestrahlung zum Höhepunkt der Epithelschäden kommt. Ein Peak von COX-2 wird in den vaskulären Endothelzellen 14 Tage nach Bestrahlung erreicht. Für die Expression in Fibroblasten kann ein Anstieg schon nach 2 h gezeigt werden. Der Höhepunkt der COX-2-Expression wird in Fibroblasten ebenfalls nach 14 Tagen beobachtet. Dies lässt Keskek et al. schlussfolgern, dass COX-2 sowohl bei der akuten, inflammatorischen Strahlenreaktion, als auch bei der verzögerten, fibrotischen Veränderung des Gewebes eine Rolle spielt (Keskek et al. 2006).

In unserem Versuch präsentieren sich vergleichbare Werte. Das Duodenum und Jejunum reagieren unmittelbar nach 1 h mit einer erhöhten COX-2-Expression. Eine weitere signifikante Hochregulation können wir bei 96 h nach Bestrahlung im Duodenum und Ileum finden. Im Jejunum und Ileum verzeichnen wir eine signifikante Erhöhung von COX-2 bezogen auf den 0 h-Kontrollwert nach 1,5 bzw. 3 Monaten. Somit lässt sich auch bei unseren Daten ein biphasischer Verlauf nachvollziehen. Ben-Av stellte in seiner Veröffentlichung von 1995 dar, dass es durch eine Hochregulation von VEGF in Fibroblasten zu einer Stimulation von Endothelzellen kommt, die wiederum die Angiogenese anregen und die Expression von COX-2 fördern (Ben-Av et al. 1995).

Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass es bei 1 h, 6 h und 96 h zu einem signifikanten Anstieg von VEGF im Duodenum kommt. Der frühe Anstieg von VEGF könnte also unter anderem für die Hochregulation von COX-2 bei 96 h nach Bestrahlung verantwortlich sein. Für VEGF wird beschrieben, dass es einerseits als Mediator für Angiogenese und Revaskulisation fungiert, andererseits aber auch proinflammatorisch wirksam ist, indem es für eine erhöhte vaskuläre Permeabilität und folglich zu Ödemen und zur Einwanderung von Entzündungszellen beiträgt (Liu Y. et al. 2009). VEGF-R-1 zeigt 96 h nach Bestrahlung im Duodenum ebenfalls eine Hochregulation, während 6 h nach Bestrahlung ein signifikanter Abfall berücksichtigt werden muss.

Im Verlauf kommt es im Ileum nach 96 h und 3 Monaten jedoch zu einer signifikanten Hochregulation.

SMA ist ein zuverlässiger Marker zur Detektierung von Gefäßmuskelzellen im Rahmen von pathologischen Gefäßveränderungen (Chaponnier und Gabbiani 2004). Von Bourgier et al. wird beschrieben, dass es zu einer deutlichen Hochregulation von SMA bei strahleninduzierter Enteritis kommt. Die erhöhte Expression von SMA geht außerdem mit erhöhten Kollagenablagerungen in der Muskularis propria einher und spielt damit auch eine Rolle bei der strahleninduzierten Fibrosierung im Darm (Bourgier et al. 2005). Die SMA-Transkripte unserer Versuchsreihe zeigen im Duodenum von 1 h bis 96 h signifikante Werte. Das Jejunum imponiert mit einer Hochregulation bis 3 Monate nach Bestrahlung. Im Ileum treten die signifikanten Werte nach 1 h, 96 h und 3 Monaten hervor und verdeutlichen, dass SMA neben einer akuten Reaktion auf Bestrahlung auch wesentlich für die Spätschäden nach 96 h bis 3 Monaten verantwortlich ist.