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E. Diskusssion

2. Endogene Veränderungen des Spermatozoons während der Kapazitation

beschrieben. Unter Kapazitation versteht man die Summe aller physiologischen Prozesse, die im Spermium ablaufen, damit dieses zur Hyperaktivität und Akrosomreaktion befähigt ist. (YANAGIMACHI 1994). HARRISON (1996) definiert die Kapazitation als kontrollierten Destabilisierungsprozess der Spermienmembran, bei dem es dem Spermium nur innerhalb eines bestimmten Zeitfensters möglich ist, die Eizelle zu befruchten.

Eine Vielzahl von Faktoren kann als Auslöser für die Kapazitation herangezogen werden. Nach HUNTER (1995) gelangen Progesteron, HCO3-, und Ca2+ durch die ovariellen Venen zum Epithel des Eileiters und induzieren dort die Kapazitation der Spermatozoen. Der genaue physiologische Ablauf der Kapazitation im Spermium ist ungeklärt. Abgesichert ist, dass eine Veränderung der Konzentration an Kalziumionen im Zytosol an diesen Prozessen beteiligt ist. Die Tyrosinphosphorylierung von Spermienproteinen als Bestandteil der Kapazitation wurde in verschiedenen Arbeiten gezeigt (Hund: SIMON 2002, Ratte: LEWIS und AITKEN 2000; Maus: VISCONTI et al. 1995, Rind: GALANTINO-HOMER et al. 1997, Hamster: VISCONTI et al.

1999, Pferd: POMMER et al. 2002).

Für den genauen Ablauf der Prozesse während der Kapazitation existieren einige Hypothesen. Dabei wurden für verschiedene Spezies unterschiedliche Modelle entwickelt, um die Vorgänge erklären zu können. Am Beispiel des Menschen konnte gezeigt werden, dass während der Kapazitation zunächst eine Zunahme des intrazellulären Kalziumionengehaltes stattfindet. Vergleichbare Ergebnisse wurden bei Untersuchungen an Hundespermatozoen erzielt. Dem intrazellulären Kalziumionenanstieg folgt die Tyrosinphosphorylierung von Spermienproteinen (PETRUNKINA et al. 2003). Der Konzentrationsanstieg der Kalziumionen im Zytosol führt über einen kalziumabhängigen ATPase-Hemmer dazu, dass vermehrt Proteine tyrosinphosphoryliert werden (DORVAL et al. 2002). Die Konzentration von Adenosintriphosphat (ATP) steigt durch die Hemmung der ATPase im Zytosol an.

E. Diskusssion Adenylatzyklase wandelt ATP in zyklisches Adenosinmonophosphat (cAMP) um. Es

erfolgt dadurch ein Anstieg der Konzentration von cAMP im Zytosol. FRASER et al.

(2003) sehen die Tyrosinphosphorylierung ebenfalls als Folge eines Anstieges von cAMP im Zytosol. Durch FPP (fertilization promoting peptide), Adenosin und Calcitonin wird ein G-Protein abhängiger Prozess gesteuert, der zu einer vermehrten Bildung von cAMP führen soll. Bei Untersuchungen am Hamster wurde gezeigt, dass der Grad der Tyrosinphosphorylierung abhängig von der Zusammensetzung des Inkubationsmediums ist. Der Grad der Tyrosinphosphorylierung nimmt signifikant ab, wenn im Medium weder Kalzium- und Bikarbonationen noch bovine Serumalbumine (BSA) enthalten war (KULANAND und SHIVAJI 2002). Nach TARDIF et al. (2003) hat BSA auf die Kapazitation porciner Spermatozoen im Gegensatz zu Kalzium- und Bicarbonationen keinen Einfluss. Dagegen beschrieben KOPF et al. (1999) als essentiellen Bestandteil des Mediums ein lipidbindendes Protein (wie zum Beispiel BSA), das als initiales die Kapazitation steuerndes Element fungiert. Die Tyrosinphosphorylierung wurde bei Hund und Schwein als kapazitationsrelevanter Vorgang nachgewiesen. (PETRUNKINA et al. 2003, SIMON 2002, TARDIF et al.

2001).

Beim Schwein konnte die Tyrosinphosphorylierung zweier an der Bindung von Spermatozoen an die Zona pellucida der Oozyten beteiligten Proteine in Verbindung mit der Kapazitation gebracht werden. Es konnte nachgewiesen werden, dass diese während der Kapazitation phosphoryliert werden (FLESCH et al. 2001).

Es wurde versucht, die zuvor beschriebenen Vorgänge, die während der Kapazitation ablaufen in einen Zusammenhang zu bringen. Am Beispiel für Mensch und Maus wurde ein Kapazitationmodell von BALDI et. al (1996) entwickelt (siehe Abb. 19).

Die Zunahme der zytosolischen Kalziumionenkonzentration und die der Tyrosinphsphorylierung stehen in einem biologischen Zusammenhang mit der Kapazitation.

E. Diskussion

stabilisierung HCO3

-(Maus) (Mensch) (-)

cAMP PKA

(Maus) (+)

Tyrosinphosphorylierung

Abb. 19: Die Abbildung zeigt schematisch den Ablauf physiologischer Vorgänge während der Kapazitation. Das Modell verdeutlicht die Veränderungen von Mensch und Maus im Vergleich. Die Ionenströme von Kalzium und Hydrogenkarbonat spielen eine zentrale Rolle. Bovines Serumalbumin (BSA) bindet aus der Membran stammendes Cholesterol.

Dadurch wird die Fluidität des Plasmalemms heraufgesetzt und Ca²+- und HCO3--Ionen passieren vermehrt die Membran in Richtung des Zytosols. Diese Ionen stimulieren die membranständige Adenylatzyklase (AZ), die ihrerseits vermehrt cAMP produziert. Das cAMP aktiviert die Proteinkinase A (PKA). PKA aktiviert die Tyrosinkinase und somit die Tyrosinphosphorylierung. Beim Menschen führt die Erhöhung des intrazellulären Kalziumionengehaltes zu einer Hemmung der Proteintyrosinphosphorylierung. Im Gegensatz dazu führt ein erhöhter intrazellulärer Kalziumionenspiegel zu einer vermehrten Tyrosinphosphorylierung der Spermienproteine (mod. nach BALDI et al. 1996).

In dem Modell von BALDI beginnt die Kapazitation mit dem Efflux von Cholesterol aus der Spermienmembran (BALDI et al. 1996). Ionenkanäle für Ca2+- und HCO3- -Ionen werden geöffnet, die -Ionen strömen in die Zelle und aktivieren die Adenylatzyklase. Dieses membranständige Enzym bildet vermehrt cAMP, welches bei der Maus die Proteinkinase A und damit die Tyrosinphosphorylierung aktiviert.

Anhand von Untersuchungen mehrerer Parameter über einen Zeitraum (Abb. 20) wurde geprüft, ob das von BALDI et al. entwickelte Modell für die Maus auch für das

E. Diskusssion Schwein zutreffen kann. In der vorliegenden Dissertation wurde erstmals der genaue

Ablauf der Kinetiken des intrazellulären Kalziumionengehaltes, der Tyrosinphosphorylierung und der Akrosomreaktion während der Kapazitation am porcinen Spermatozoon und deren zeitliche Abfolge durchflusszytometrisch untersucht. Mittels durchflusszytometrischer Analyse ist es möglich, zeitgleich verschiedene Parameter einer Spermienpopulation unter kapazitierenden Bedingungen zu erfassen. Die unterschiedlichen Prozesse wurden parallel zueinander untersucht.

Inkubation, min

Abb. 20: Relative Veränderungen der Akrosomreaktion lebender (grün) und toter (blau), Zellen mit erhöhtem intrazellulärem Kalziumionengehalt (rot) und Zellen mit erhöhtem Gehalt tyrosinphosphorylierter Proteine (schwarz) in Abhängigkeit von der Zeit.

Initial entsteht eine Erhöhung des intrazellulären Kalziumionengehaltes, während die Tyrosinphosphorylierung der Proteine erst später einsetzt. Beide Prozesse finden in unterschiedlichen Zeitfenstern statt und müssen als aufeinanderfolgend ablaufende Vorgänge betrachtet werden. Die gemessenen Parameter müssen in ihrer Gesamtheit als Bestandteil der Kapazitation verstanden werden, da die spontane Akrosomreaktion über den gesamten Messzeitraum einen nahezu konstant niedrigen Level hatte.

Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Anstieg des intrazellulären Kalziumionengehaltes und dem Anstieg der Tyrosinphosphorylierung. Wie im Modell in Abbildung 19 für die Maus beschrieben, gelangt auch beim Schwein zunächst Kalzium in die Zelle, um dort eine Kaskade verschiedener zellulärer Vorgänge zu induzieren, die zur Tyrosinphosphorylierung führen. Die in den Untersuchungen

E. Diskussion

erfassten Veränderungen und deren zeitliche Abfolge sprechen für eine Übertragbarkeit einiger Stufen dieser Prozesse auf das Schwein.

Da der Ablauf der Kapazitationsvorgänge anhand der Marker geklärt werden konnte, sollte im folgenden die Induktion der Akrosomreaktion des Spermiums durch die Zona pellucida der Eizelle untersucht werden.