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DIE BEDEUTUNG POSITIVER EMOTIONEN IN DER ARBEITSWELT

4. Positive Arbeitsemotionen in Organisationen:

4.1 Emotionen und Emotionalität in der Organisationsforschung

Bei der Durchsicht traditioneller Ansätze zur Organisationsforschung fällt auf, dass die Betrachtung von organisationalen Strukturen und Prozessen lange Zeit weitgehend einem

“Rationalitätsmythos“ unterlag, demgemäß Erwerbsorganisationen und ihre Mitglieder nach einem rein rationalen Prinzip funktionierten (vgl. Steger 2001: 81). Emotionen und Emotiona-lität wurden in der Regel ignoriert oder als irrational abgewertet. In neueren Ansätzen lässt sich jedoch zunehmend auch eine positive Beachtung des Emotionalen im Kontext von Erwerbsorganisationen beobachten, die bis hin zu der Charakterisierung von Erwerbsorgani-sationen als emotionale Arenen reicht (vgl. Fineman 1994/2000a).

4.1.1 Organisationen als emotionsfreie Zonen

In den überwiegend objektivistisch geprägten Theorien der traditionellen Organisations-forschung wurden die Gefühle und Emotionalität der Organisationsmitglieder in der Regel völlig ignoriert oder spielten bestenfalls eine untergeordnete Rolle (vgl. Bergknapp 2002:

267). Oder wie Fineman es formuliert:

“Writers on organizations have successfully ‘written out’ emotions, to the extend that it is often impossible to detect their existence. [...] The fear, it seems, is that organization as we know it will collapse if we cannot deemotionalize emotions – make them seem rational in terms of organizational goals and management purpose.”

(Fineman 1994b: 1, Herv.i.Orig.)

Ashkanasy u.a. (2000: 3) zufolge basiert die systematische Missachtung von Gefühlen in Organisationstheorien maßgeblich auf der tayloristischen Annahme, dass menschliches Verhalten „can somehow be construed to follow ‚rational’ rules“. Diese Sichtweise, die zum einen Rationalität und damit das Kalkulierbare, Berechenbare, Vorhersehbare privilegiert und

zum anderen Emotionalität mit Impulsivität, Irrationalität und Unberechenbarkeit assoziiert und deshalb als Störfaktor für Rationalität betrachtet (vgl. Krell/Weiskopf 2001: 3), findet eine tiefe Verankerung in der westlichen Denktradition (vgl. Fineman 2000a: 11). Tatsächlich finden sich Ansätze dazu schon bei den griechischen Philosophen der Antike. Die Vorstellung einer strikten Trennung zwischen Gefühl und Rationalität setzt sich allerdings erst Anfang des 17. Jahrhunderts durch:

„Descartes’ ‚cogito ergo sum’ rückt […] den Verstand ins Zentrum der menschlichen Existenz, während Emotionen nun vor allem in Relation zum Verstand und in ihren möglichen destruktiven Wirkungen für denselben betrachtet werden. […] Emotionen und Verstand werden in dieser Sichtweise als konträre Phänomene aufgefasst, wobei der mit dem freien Willen des Menschen assoziierte Bereich – der Verstand – Wertschätzung erfährt, während die Emotionen als körperliche, vernunfthemmende Phänomene zu unterdrücken sind.“ (Scherke 2009: 19).

Auffassungen dieser Art sind sehr langlebig und finden sich in der Organisationsforschung bis heute - beispielsweise wenn die Emotionen der Mitarbeiter/innen als „Sand im Getriebe“

der Organisation bezeichnet werden (vgl. Elster 1999: 284) oder wenn Studien der angewandten Psychologie aufzeigen, wie dieser „Gefühls-Sand“ die organisationale

„Entscheidungsmaschinerie“ beschädigen kann (vgl. Fineman 2000a: 11):

“For example, […] conscious and unconscious fears, anxieties, shame and guilt […]

can leak into organizational relationships and structures to screen the actor from an accurate reading of the situation. The removal, or better management, of these emotions, goes the argument, is the first step towards achieving (or restoring) rationality.” (ebd.).

Die hohe Wertschätzung von Verlässlichkeit und Rationalität im westlichen Denken korres-pondiert mit einer entsprechend negativen Bewertung von Emotionen und mündet nach Fiehler (1990: 22) in das „Gebot der emotionalen Neutralität“ für Organisationsmitglieder.

Demnach sollen sich die Gefühle der Mitarbeiter/innen und Manager/innen im organisa-tionalen Kontext entweder auf einem niedrigen Intensitätsniveau bewegen oder gar gänzlich von den vollzogenen Arbeitshandlungen abgekoppelt werden (vgl. Bergknapp 2002: 267).

Dieser Prozess gesellschaftlich verordneter Gefühlsregulationen wurde auch in der soziologischen Theoriegeschichte vielfach thematisiert und „als Ausbreitung von Selbst-zwängen, als Versachlichung und Rationalisierung“ (Neckel 2005: 419) gekennzeichnet. Die treibende Kraft dafür wurde insbesondere in der wirtschaftlichen Organisation der modernen Gesellschaft verortet (siehe z.B. Horkheimer/Adorno 1969; Elias 1995; Simmel 1999; Weber 1980). Der Standpunkt, dass Rationalität “is the supreme human accomplishment, a feat achieved by ‘taming’ emotion” (Fineman 2000a: 12) findet sich in der Organisations- und

insbesondere in der Managementforschung zum Teil bis heute. Wie beispielsweise Flam (2002: 180) in Aufarbeitung der Literatur ausführt, ist es „[e]gal ob man Taylorismus, Human Relations oder neuere Management-Ansätze näher betrachtet, propagiert wird stets die Meinung, dass die Manager hoch rational, immer selbstkontrolliert und kompetent sind“. Die dahinter stehende Auffassung, dass Organisationen umso besser funktionieren, „je mehr die Fehlerquelle Gefühl abgedichtet oder ausgeschalten ist“ (Englert 1987: 371, zitiert nach Bergknapp 202), führt dazu, dass die Beherrschung bzw. Unterdrückung der Gefühle der Organisationsmitglieder sowohl in Organisationen als auch in organisationstheoretischen Ansätzen immer noch als „zinsträchtiges Kapital in einer komplexen Arbeitswelt“ (ebd.) angesehen wird. Der mit dieser Auffassung einhergehende „Gefühlsanalphabetismus“

(Hahne 1998: 362) kann nach Bergknapp (2002: 267f.) dabei als eine Art „kollektiver Angstabwehrmechanismus“ interpretiert werden, der das Emotionale und damit auch das Irrationale aus dem Organisationsalltag verbannen helfen soll.

4.1.2 Organisationen als emotionale Arenen

Trotz des in der Arbeits- und Organisationsforschung lange Zeit dominierenden Rationali-tätsmythos (vgl. Putnam/Mumby 1994; Steger 2001: 81) – der, wie z.B. Kanter (1981) aus-führt, zudem männlich konnotiert ist – lässt sich seit den späten 1980er Jahren eine zunehmende Beachtung des Emotionalen im Kontext von Erwerbsorganisationen beobach-ten (vgl. z.B. Bergknapp 2002; Scherke 2009). Insbesondere in der anglo-amerikanischen Literatur finden sich immer mehr Beiträge23, in denen betont wird, dass die emotionale Dimension „is an inseparable part of organizational life and can no longer be ignored in organizational researchers“ (Ashkanasy u.a. 2000: 4).

Mittlerweile gibt es auch in der deutschsprachigen Forschung eine Reihe von Studien, die die Omnipräsenz von Emotionen in Erwerbsorganisationen belegen (vgl. z.B. Flam 1990;

Fineman 2000b; Neckel 2005; Schreyögg/Sydow 2001; Vester 2006; Wiedmann 2006). So legt Flam (2002: 177) beispielsweise dar, dass „Unternehmensangestellte viele intensive Gefühle bewältigen müssen, damit sie ihre Organisationsrollen spielen und aufrecht erhalten können“ und folgert daraus, „dass sowohl Manager als auch Angestellte und Arbeiter emotionaler sind, als die meisten Wissenschaftler zugeben würden“ (ebd.: 204). In nicht-traditionellen Ansätzen der Organisationsforschung werden Emotionen daher nicht in Opposition zur Organisation betrachtet, sondern als „konstitutive Elemente von Organisa-tionen“ (Bergknapp 2002: 225), die „die komplexen und verworrenen“ Organisationsgefüge durchdringen (Krell/Weiskopf 2001: 35). Fineman beschreibt diese Durchdringung organisa-tionaler Prozesse und Strukturen mit Emotionen folgendermaßen:

23 Für eine Übersicht siehe Ashkanasy u.a. 2000: 4

„Emotions are within the texture of organizing. They are intrinsic to the social order and disorder, working structures, conflict, influence, conformity, posturing, gender, sexuality and politics. They are products of socialization and manipulation. They are mistily within the human psyche, as well obviously in the daily ephemera of organizational life.” (Fineman 1994b: 1)

Kritische Studien dieser Art verdeutlichen, dass sich in Erwerbsorganisationen

„(glücklicherweise) nur ‚begrenzt rationale’ Menschen begegnen, […] die im Prozess des Organisierens ihre konstruierten, akzeptierten, zu- oder abgeschriebenen Identitäten bestätigt oder bedroht sehen und damit Hoffnungen, Ängste, Wünsche, Begehren und Begierden verknüpfen“ (Krell/Weiskopf 2001: 35; Herv.i.Orig.).

Damit liegt die Annahme nahe, dass Erwerbsorganisationen keinesfalls gefühlskalte Zonen sind, sondern vielmehr „wahre Brutstätten von Emotionen“ (Neckel 2006: 124) darstellen, in denen wohl eher „das Leben [tobt]“ (Küpper/Ortmann 1988: 7) und nicht die Abstraktion (wie in der traditionellen Organisationsforschung vielfach postuliert wurde und zum Teil noch wird).

4.1.3 Emotionaler Positivismus in der Organisationsforschung

Die zunehmende Beachtung des Emotionalen in der jüngeren Organisationsforschung hat jedoch auch problematische Seiten. Wie Bergknapp (2002: 268) zum Beispiel kritisch anmerkt, geht es in einigen der neueren Ansätze „nicht um das breite Spektrum mensch-licher Gefühle, sondern [einzig] um den organisational verwertbaren Teilbereich, um das emotionale Arbeitsvermögen“. So avancieren die Gefühle der Mitarbeiter/innen etwa bei Haumer (1998) oder bei Thomson (1999) zum „emotionalen Kapital“, das einen wichtigen Wettbewerbsfaktor von Erwerbsorganisationen darstellt. Demzufolge gilt: „Wer emotional kompetent ist, weiß, was Kunden mögen (Freemantle 1999) und kann ‚Marketing mitten ins Herz’ (Feig 1998) betreiben“ (Bergknapp 2002: 268).

In Organisationstheorien dieser Art, die auf die Nutzbarmachung von Kräften zielen, erscheinen Emotionen also nicht mehr nur als Bedrohung, sondern auch als Ressource (vgl.

Krell/Weiskopf 2001: 3), welche nur richtig aktiviert und gemanaged werden muss, um sie nutzen zu können. Propagiert wird in diesem Zusammenhang zum Beispiel das Ideal einer leidenschaftlichen und charismatischen Führung, die dazu beitragen soll, die Mitarbeiter/-innen in ein emotionales Hochgefühl zu versetzen und damit deren Leistungsfähigkeit und -bereitschaft zu erhöhen (vgl. Albrow 1992: 322; Flam 2002: 186). Wie Flam (2002: 187) allerdings kritisch anmerkt, implizieren Ergebnisse der Management- und

Organisations-forschung, „dass nicht Enthusiasmus und Leidenschaft, sondern Furcht und Angst die Unter-nehmen durchdringen – eine Tatsache, die die Managementtheorie fast völlig ignoriert.“

4.1.4 Emotionen als Bindeglied zwischen Akteur und Organisationsstruktur

Neuere sozial- und betriebswirtschaftswissenschaftliche Forschungsergebnisse zeigen also, dass Emotionen in Erwerbsorganisationen keineswegs auf einzelne Individuen beschränkte Randerscheinungen in einem ansonsten rational funktionierenden Kooperationszusammen-hang darstellen. Darüber hinaus verdeutlichen sie, dass die emotionalen Befindlichkeiten der Organisationsmitglieder „als genuin soziale Phänomene zu konzipieren [sind], die sowohl den Prozess des Organisierens wie auch die Struktur der Organisation entscheidend formen“

(Bergknapp 2002: 12, Vorwort von Oswald Neuberger). In dieser Sichtweise werden Gefühle nicht als ein simples Anhängsel der Arbeit betrachtet, sondern als integraler Prozess, durch den die Organisationsmitglieder ihre Arbeitsumgebung durch die Aushandlung einer geteilten Realität konstituieren (vgl. Putnam/Mumby 1994: 36). Fineman charakterisiert Organisationen deshalb als „emotionale Arenen“, in denen die Gefühle der Mitarbeiter/innen und organisationale Ereignisse in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander stehen:

„As emotional arenas, organizations bond and divide their members. Workaday frustrations and passions – boredom, envy, fear, love, anger, guilt, infatuation, embarrassment, nostalgia, anxiety – are deeply woven into the way roles are enacted and learned, power is exercised, trust is held, commitment formed and decisions made. Emotions are not simply excisable from these, and many other, organizational processes; they both characterize and inform them.” (Fineman 2000a: 1)

Mit der Charakterisierung von Organisationen als emotionale Arenen sind nach Fineman (2003: 1) zwei Vorteile verbunden: Erstens werden damit die Menschen in den Mittelpunkt der (Betrachtung von) Organisation gerückt und zweitens werden Emotionen als das zentrale Medium aufgefasst, durch das Menschen handeln und interagieren. Zudem kommt damit der Gestaltungsaspekt zum Ausdruck, den Emotionen auf soziale Transaktionen ausüben:

„Feelings shape and lubricate social transactions. Feelings contribute to, and reflect, the structure and culture of organizations. Order and control, the very essence of the

‘organization’ of work, concern what people ‘do’ with their feelings.” (Fineman 1994:

9).

Ähnlich wie Fineman sieht auch Neckel (2006: 136) Emotionen als Bindeglieder zwischen den Akteur/innen und der Organisation und weist auf die in doppelter Hinsicht bestehende Verwobenheit von Emotionen und Organisationen hin: Zum einen bringen die Organisations-mitglieder ihre Gefühle in Form von individuellen Ängsten, Interessen, etc. in die

Organisa-tion mit ein und tragen so in der InterakOrganisa-tion u.a. zur Bildung organisaOrganisa-tionsspezifischer Gefühlswelten bei, in denen spezifische Gefühlsregeln (vgl. Kapitel 2) gelten, die bestimmen, welche Emotionen in welchen Arbeitssituationen von welchen Personen (-gruppen) erwartet werden und als angemessen gelten. Diese organisationsspezifischen Gefühlsregeln bezie-hen sich sowohl auf die Qualität als auch auf die Intensität und Dauer der erwarteten Emotion (vgl. Gerhards 1988a: 199). Hochschild (1979) zufolge spiegeln Gefühlsregeln dabei Muster sozialer Zugehörigkeit wider und manifestieren sich beispielsweise in Form von Organisationsleitbildern als organisationale Rahmenbedingungen (vgl. Eiselen/Sichler 2001:

56). Auf der anderen Seite wirken die so etablierten Strukturen, Regeln und Muster wiederum als organisationale Rahmenbedingungen auf das emotionale Erleben der Organisationsmitglieder ein (Fineman 1994; s.a.: Aldrich 1992; Giddens 1977; Pettigrew 1979) – und tragen dadurch wiederum zur Bildung organisationsbezogener Gefühle und zur Stabilisierung von Gefühlsregeln bei.

Emotionen und Erwerbsorganisationen stehen somit also in einem rekursiven Konstitutions-und Wirkungszusammenhang, bei dem die persönlichen Gefühle der Beschäftigten bedeut-same Wirkungen auf die Organisation ausüben und gleichzeitig „aber auch die Organisation durch ihre Strukturen und (Sub-) Kulturen spürbar auf ihre Mitglieder bzw. deren emotionale Befindlichkeit einwirkt“ (Küpers/Weibler 2005: 77). Bei diesem „rekursiven Prozess der Organisation“ (Bergknapp 2002: 228) tragen somit einerseits die Emotionen der Organisationsmitglieder zur Erzeugung von organisationalen Strukturen bei, die andererseits wiederum den Umgang mit den Emotionen regeln (vgl. auch Flam 2002: 182).

Dieser Argumentation folgend gehe ich in der vorliegenden Untersuchung davon aus, dass die einzelnen Organisationsmitglieder mit ihren psychischen Eigenheiten, ihren Persönlich-keitszügen und ihren Emotionen die gesamte Organisation beeinflussen, während gleicher-maßen gilt, dass organisationskulturelle und -strukturelle Faktoren „bei den Mitarbeitern innerpsychische Dynamiken beeinflussen oder gar in Gang setzen“ (Tietel 2003: 16) – und damit Einfluss auf das emotionale Erleben nehmen.

Im vorliegenden Untersuchungsvorhaben wird vor allem die zweite Seite in den Blick genom-men und danach gefragt, welche dieser organisationalen Faktoren als Rahgenom-menbedingungen für das Entstehen von positiven Emotionen in Erwerbsorganisationen notwendig bzw.

förderlich sind.

4.2 Die Erwerbsorganisation als Umwelt für das Erleben von