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Einzelne Aspekte der BauGB-Novelle 013

Im Dokument Die l(i)ebens-werte (Innen-)Stadt (Seite 35-40)

Die BauGB-Novelle 2013 – ein Erfolg?

2 Einzelne Aspekte der BauGB-Novelle 013

a) Ergänzungen bei den allgemeinen Grundsätzen der Bauleitplanung Eine erste Maßnahme zur Stärkung der Innenentwicklung ist die Einführung von

§ 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB:

„Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenent-wicklung erfolgen.“

Die Vorschrift des § 1 Abs. 5 BauGB enthält allgemeine Zielsetzungen bzw. Leitvor- stellungen der Bauleitplanung. Die Steuerungsfunktion der Norm ist gering, weil die Ziel-setzungen keinesfalls parallel ausgerichtet sind, sondern oft auch in verschiedene Richtungen weisen. Auch forensisch ist die Vorschrift ohne große Relevanz. Die Hinzufü-gung des Vorrangs der Innenentwicklung wird daran nichts ändern. Der neue Satz 3 hat Appellcharakter,9 er mahnt in Ergänzung zur Bodenschutzklausel des § 1a Abs. 2 BauGB die Gemeinden, nicht primär an den einfacheren und meist billigeren Weg der Neupla-nung auf der grünen Wiese zu denken, sondern zunächst zu versuchen, ihre PlaNeupla-nungen auf bereits bebauten bzw. erschlossenen Flächen zu verwirklichen. Oft wird dies aber an praktische Grenzen stoßen, so dass nicht erwartet werden darf, dass sich durch diese Ergänzung viel an der Planungspraxis ändern wird.

Verfahrensmäßig wird der angestrebte stärkere Vorrang der Innenentwicklung durch den ebenfalls neu eingefügten § 1a Abs. 2 Satz 4 BauGB ergänzt:

„Die Notwendigkeit der Umwandlung landwirtschaftlich oder als Wald genutzter Flä-chen soll begründet werden; dabei sollen Ermittlungen zu den Möglichkeiten der Innen-entwicklung zugrunde gelegt werden, zu denen insbesondere Brachflächen, Gebäude-leerstand, Baulücken und andere Nachverdichtungsmöglichkeiten zählen können.“

Diese Bestimmung wird man differenziert zu betrachten haben. Zunächst soll sich der Begründungspflicht nach dem 1. Halbsatz zugewendet werden: Der Bauleitplanentwurf ist nach § 2a BauGB ohnehin zu begründen, der Flächennutzungsplan nach

8 EuGH, Urt. v. 18.4.2013 – C-463/11, DVBl. 2013, 777; vgl. auch dazu Krautzberger/Stüer, DVBl.

2013, 805 (807).

9 So auch Uechtritz, BauR 2013, 1354 (1355).

§ 5 Abs. 5 BauGB ebenso. Dem Bebauungsplan ist nach § 10 Abs. 4 BauGB eine zusam-menfassende Erklärung beizufügen. Es ist nahezu selbstverständlich, dass in diesen Be-gründungen bzw. Erklärungen der Einfluss auf die Zielsetzungen und Schutzgüter darge-stellt werden muss, die von § 1 Abs. 5 BauGB umfasst sind. Auch ohne die ausdrückliche Anordnung wäre zu begründen, warum land- oder forstwirtschaftliche Flächen in An-spruch genommen werden sollen, damit die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB nach-vollziehbar ist. Die Vorschrift regelt also eigentlich etwas Selbstverständliches, führt aber zu einem gewissen Bruch in der Gesetzessystematik, weil man sich fragt, warum eine eigentlich ohnehin bestehende Begründungspflicht besonders hervorgehoben wird. Es ist ein alter Fehler, den der Gesetzgeber öfter macht, wenn er Gesetze ändert: Der aktu-elle Anlass tritt zu sehr in den Vordergrund, die Gesamtsystematik wird vernachlässigt.

Ein Ärgernis ist auch der zweite Halbsatz. Das Baugesetzbuch ist ein Gesetz von Juristen vor allem auch für Juristen und juristisch ausgebildete Planer. Es enthält viele unbe-stimmte Rechtsbegriffe, deren Auslegung sich aus den allgemeinen Auslegungsregeln sowie aus Literatur und Rechtsprechung erschließt. Es ist deshalb vollkommen überflüs-sig, nach Maßgabe einer Verwaltungsvorschrift (ähnlich wie die VwV-StVO) den mut-maßlich ahnungslosen Leser darüber zu informieren, dass für Möglichkeiten der Innen-entwicklung insbesondere Brachflächen, Gebäudeleerstand, Baulücken und andere Nachverdichtungsmöglichkeiten zählen können. Es sollte vermieden werden, formelle Gesetze mit Selbstverständlichkeiten zu überfrachten.

Ebenfalls ohne wesentlichen Neuerungsgehalt ist der in § 1a Abs. 3 Satz 5 BauGB einge-fügte Verweis auf § 15 Abs. 3 BNatSchG. Land- oder forstwirtschaftlich genutzte Flächen sollen nur in unbedingt notwendigem Maße für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in Anspruch genommen werden.

Das Thema Mediation hat seit Längerem auch das Bauplanungsrecht erreicht. Eine Nach-wirkung der „Stuttgart-21“-Mediation ist die Einfügung von § 4b Satz 2 BauGB.

„Sie (= die Gemeinde, Anm. des Verf.) kann einem Dritten auch die Durchführung einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbewältigung übertragen.“

Diese Möglichkeit bestand vorher auch schon, es schadet nicht, dass das Gesetz dies nunmehr ausdrücklich bestätigt. Immerhin hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, die Selbstverständlichkeit hinzuzufügen, dass die Ergebnisse der Mediation nicht bindend sind. Für weitere BauGB-Novellen muss es ja noch etwas zu ergänzen geben.

b) Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten in Bauleitplänen

Die Darstellungsmöglichkeiten im Flächennutzungsplan sind in § 5 Abs. 2 BauGB in nicht abschießender Weise aufgezählt. Die nicht abschließende Aufzählung ist um die Nr. 2d) ergänzt worden.10 Dargestellt werden kann insbesondere auch „die Ausstattung des Ge-meindegebiets … mit zentralen Versorgungsbereichen.“ Dies ist ein guter Gedanke des Gesetzgebers, da für eine sinnvolle städtebauliche Ordnung die zentralen Versorgungs-bereiche eine hervorgehobene Rolle spielen. Andererseits ist der Flächennutzungsplan keine Norm, er hat keine unmittelbare Verbindlichkeit für die Grundstückseigentümer.

Der Umgang mit dem verwaltungs-, verfassungs- und unionsrechtlich problematischen

§ 34 Abs. 3 BauGB wird deshalb nicht vereinfacht.11 Denn bei § 34 Abs. 3 BauGB kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an.12

Ein ständiges Problem für die planenden Gemeinden sind allerdings nicht nur die Einzel-handelsanbieter, sondern auch die Vergnügungsstätten. Ihre Häufung an bestimmten Stellen markiert oft den städtebaulichen Niedergang eines Straßenzuges oder sogar eines Stadtteils (sog. Trading-Down-Effekt13). Es ist deshalb folgender § 9 Abs. 2b BauGB ein-gefügt worden:

„Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um

1. eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder

2. eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebau-lichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten, zu verhindern.“

Die Vorschrift gab es bis 1998 in Gestalt des § 2a BauGB-MaßnG schon einmal.14 Sie ermöglicht einen vereinfachten Ausschluss von Vergnügungsstätten durch Bebauungs-plan, also letztlich eine Art „Negativbebauungsplan“. Die Vereinfachung besteht vor al-lem darin, dass die Gemeinden keine komplette Überplanung vorzunehmen brauchen.

Bisher war es nötig, einen vollständigen Bebauungsplan zu erlassen, um die Feinsteue-rungsmöglichkeiten des § 1 Abs. 5, 6 und 9 BauNVO zu nutzen.

10 Ausführlicher etwa Uechtritz, BauR 2013, 1355 (1357 ff.).

11 Zur Kritik an der Vorschrift siehe etwa Manssen, in: Kühling (Hrsg.), Die Einzelhandelsimmobilie – Bau(recht)liche Todsünden und vernünftige Problemlösungen, 2012, S. 15 ff.

12 BVerwG, Urt. v. 12.7.2012 – 4 B 13/12, BauR 2012, 1760.

13 Vgl. Uechtritz, BauR 2013, 1355 (1358).

14 Uechtritz, BauR 2013, 1355 (1359).

Ebenfalls in diesem Zusammenhang gehören die durch die BauGB-Novelle vorgesehenen Änderungen der BauNVO. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BauNVO sind nunmehr in reinen Wohn-gebieten auch „Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen“, allgemein zulässig.15 „Gebiet“ im Sinne dieser Vorschrift ist nicht das Plangebiet, sondern das Einzugsgebiet.16 Die Änderung zeigt eine gewisse Tendenz, die auch bei sonstigen Änderungen im Städtebaurecht schon zu beobachten war: Das früher strikt verfolgte Ziel, unverträgliche Nutzungen möglichst voneinander zu trennen, wird aufgeweicht. Kinderbetreuungseinrichtungen sind durchaus lärmrelevant. Ob man sie unbedingt in einem reinen Wohngebiet zulassen sollte, kann man rechtspolitisch sehr bezweifeln.

Die vielleicht praktisch bedeutsamste Änderung enthält schließlich die Änderung von

§ 17 BauNVO.17 Die in Abs. 1 enthaltenen Obergrenzen können nach Abs. 2 überschrit-ten werden:

„Die Obergrenzen des Absatzes 1 können aus städtebaulichen Gründen überschritten werden, wenn die Überschreitung durch Umstände ausgeglichen ist oder durch Maß-nahmen ausgeglichen wird, durch die sichergestellt ist, dass die allgemeinen Anforde-rungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht beeinträchtigt werden und

nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt vermieden werden. Dies gilt nicht für Wochenendhausgebiete und Ferienhausgebiete.“

Damit gibt man die Obergrenzen nach § 17 Abs. 1 BauNVO weitgehend auf. Städtebau-liche Gründe für eine Überschreitung lassen sich leicht finden, der Begriff ist letztlich offen für jegliche öffentliche Interessen.18 Und die Forderung, dass die Überschreitung

„ausgeglichen“ sein soll oder „ausgeglichen“ werden soll, ist extrem unscharf. Letztlich gibt damit der Verordnungsgeber die Verantwortung für ordnungsgemäße städte- bauliche Zustände im Hinblick auf das Maß der baulichen Nutzung in die Hände der Ge-meinden.

c) Änderungen im Bereich von § 34 BauGB

Eine Baurechtsnovelle zur Stärkung des Innenbereichs muss auch § 34 BauGB in den Blick nehmen. Neugefasst wurde § 34 Abs. 3a BauGB. Gefördert wird die bauliche Umgestal-tung von Gebäuden im Innenbereich, und zwar für den Sonderfall, dass ein bisher beste-hender Handwerksbetrieb für Zwecke der Wohnnutzung umgestaltet werden soll. Beab-sichtigt ist offensichtlich ein Beitrag zur Schaffung von mehr Wohnraum. Die praktische

15 Ausführlicher dazu Berkemann, DVBl. 2013, 815 (817).

16 Berkemann, DVBl. 2013, 815 (817).

17 Auch dazu Berkemann, DVBl. 2013, 815 (823); Uechtritz, BauR 2013, 1355 (1368).

18 Ausführlich Manssen, Stadtgestaltung durch örtliche Bauvorschriften, 1990, S. 59 ff.

Bedeutung der Vorschrift dürfte allerdings gering bleiben. Städtebauliche Konflikte sind bei einer Umnutzung für Wohnnutzung nicht häufig. Der umgekehrte Fall ist nicht er-fasst. Bei einer Änderung einer Anlage für Wohnzwecke in einen Handwerksbetrieb ver-bleibt es bei den allgemeinen Anforderungen von § 34 Abs. 1 und 2 BauGB.19

3 Fazit

Wird die BauGB-Novelle 2013 ein Erfolg? Im Automobilbereich unterscheiden die Her-steller zwischen einer Modellpflege und einem Modellwechsel. Die BauGB-Novelle 2013 ist zweifellos nur eine dezente Modellpflege. Sie regelt manch sinnvolle Kleinigkeit und ergänzt das ein oder andere, das man ohne sachliche Einbuße hätte weglassen können.

Aber man verfolgt mit den Änderungen einen grundsätzlich sinnvollen Weg.20 Die städtebaulichen Anstrengungen der Kommunen müssen sich in den nächsten Jah-ren auf den Gebäudebestand konzentrieJah-ren.

19 Uechtritz, BauR 2013, 1355 (1362).

20 So auch das Fazit von Krautzberger/Stüer, DVBl. 2013, 805 (814).

Im Dokument Die l(i)ebens-werte (Innen-)Stadt (Seite 35-40)