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Der Einsatz von Bypassing-Produkten während der Immuntoleranztherapie . 100

5. Diskussion

5.11 Der Einsatz von Bypassing-Produkten während der Immuntoleranztherapie . 100

Immun-toleranztherapie entweder als Blutungsprophylaxe parallel zur Faktor VIII Substitution, oder zur Behandlung von aufgetretenen Blutungen („on demand“) eingesetzt (Konkle et al., 2007; Leissinger et al., 2007). Besonders zu Beginn der Immuntoleranztherapie, kann auf Grund eines hohen Hemmkörpertiters mit Hilfe der Faktor VIII Substitutionen keine genügend hohe hämostatische Aktivität erreicht werden. Der besondere Stellenwert der Bypassing-Produkte für die Immuntoleranztherapie liegt daher in der Tatsache, dass diese Produkte nicht von dem Hemmkörper neutralisiert werden und so auf anderem Wege die Gerinnungskaskade aktiviert werden kann.

In dieser Arbeit wurde der Frage nachgegangen, ob die Patienten, die während ihrer Immuntoleranztherapie auf den Gebrauch von Bypassing-Produkten angewiesen waren, sich in der Erfolgsrate und Dauer der Immuntoleranztherapie von jenen Patienten unterscheiden, die während ihrer Immuntoleranztherapie keine Bypassing-Produkte benötigt haben. Hierbei konnte in dieser Studie festgestellt werden, dass in der Subgruppe der High-Responder die Patienten ohne die Verwendung von FEIBA oder NovoSeven signifikant häufiger die Immuntoleranztherapie erfolgreich ab-schließen konnten (hier liegt die Erfolgsquote bei 89 % für die Patienten ohne die

Verwendung von FEIBA und 78 % für die Patienten ohne den Gebrauch von NovoSeven) als die Patienten, die während der ITT auf diese Bypassing-Produkte angewiesen waren (die Erfolgsquote liegt hier bei 60 % für das FEIBA und 25 % für das NovoSeven). Desweiteren dauerte es bei den erfolgreichen High-Respondern mit Verwendung von FEIBA signifikanter länger bis zum Therapieerfolg (durchschnittlich 981 Tage) im Vergleich zu jenen High-Respondern, die während ihrer ITT keine Bypassing-Produkte erhalten haben (durchschnittlich 535 Tage). Bei den Low-Respondern lässt sich jedoch kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Verwendung von Bypassing-Produkten und der Dauer der Immuntoleranztherapie feststellen.

Nun könnte man aus diesen Ergebnissen ableiten, dass Bypassing-Produkte selbst einen negativen Einfluss auf die Immuntoleranztherapie ausüben. Obwohl das FEIBA eine gewisse Restmenge an Faktor VIII enthält und so auch zu einem gewissen Anstieg des Hemmkörpers führen kann (sog. „anamnestic response“) (Négrier et al., 1997), lässt sich dieser Zusammenhang zwischen der Verwendung der Bypassing-Produkte und einer längeren Therapiedauer bzw. geringeren Erfolgsquote nicht dem FEIBA selbst zuschreiben. Der Zusammenhang zwischen einer geringeren Erfolgs-quote und längeren Therapiedauer lässt sich bei NovoSeven noch deutlicher erkennen, obwohl bei diesem rekombinanten aktivierten Faktor VII keine „anamnestic response“ auftritt (Hay, 1998). Die Verwendung von Bypassing-Produkten spiegelt indirekt wieder, ob es während der Immuntoleranztherapie zu Komplikationen wie Blutungen und Operationen gekommen ist. Wie in Abschnitt 5.8 und 5.10 gezeigt wurde, stellen diese Komplikationen einen negativen Einfluss auf die Immuntoleranz-therapie dar, wodurch der Zusammenhang zwischen der Verwendung von Bypassing-Produkten und dem negativen Verlauf der Immuntoleranztherapie zu erklären ist. Bei Low-Respondern hat es den Anschein, dass Komplikationen während der ITT einen geringeren Einfluss auf den Erfolg und die Dauer der Therapie auszuüben.

In der Fachliteratur sind bisher keine Studien veröffentlicht worden, in denen der Zusammenhang zwischen der Verwendung von Bypassing-Produkten während der Immuntoleranztherapie und der Therapiedauer bzw. dem Therapieerfolg systematisch untersucht worden ist. In dieser Studie konnte auch gezeigt werden, dass High-Responder deutlich häufiger auf den Gebrauch von FEIBA angewiesen sind als

Low-Responder. Dieses Ergebnis war zu erwarten, da bei Low-Respondern durch die regelmäßigen Substitutionen eine Restaktivität des Faktor VIII erreicht werden kann und so ein gewisser Schutz vor Blutungen besteht, was die Verwendung von FEIBA entbehrlich macht. Jedoch konnte innerhalb der Subgruppen der Low- und High-Responder kein signifikanter Unterschied in der Höhe des Hemmkörperspitzen-spiegels bei Patienten mit bzw. ohne Verwendung von FEIBA festgestellt werden. Dies zeigt, dass die Entscheidung für den zusätzlichen Einsatz von FEIBA im Bonner Hämophilie-Zentrum nicht alleine von der Höhe des Hemmkörper-Titers abhängig gemacht wird. Viele Parameter, wie z.B. das Auftreten einer Blutung, ein chirurgischer Eingriff, laborchemische Parameter wie die Recovery und die klinische Situation des Patienten werden für diese Entscheidung berücksichtigt.

5.12 Der Therapieerfolg und die Therapiedauer im Bonner Hämophilie-Zentrum vor und ab 1990

Bei der Auswertung der für diese Studie erhobenen Daten, stellte sich bzgl. der Therapiedauer ein Unterschied zwischen den Patienten mit Therapiebeginn vor 1990 und den Patienten mit dem Beginn der Therapie ab 1990 heraus. High-Responder mit dem Therapiebeginn vor 1990 zeigten eine grenzwertig signifikant kürzere (vor 1990:

durchschnittlich 613 Tage; Therapiebeginn nach 1990: durchschnittlich 936 Tage) und Low-Responder mit Therapiebeginn vor 1990 eine signifikant kürzere Therapiedauer (302 Tage im Vergleich zu 730 Tage). Interessanterweise wurde auch von Kreuz et al.

(2003) in einer zentrumsinternen longitudinalen Studie von einem Einbruch der Therapieeffizienz zu Beginn der 1990er Jahre berichtet. Die Ursache dafür wurde der Einführung neuer hochgereinigter bzw. rekombinanter Präparate zugeschrieben. Auch in der retrospektiven Studie von Auerswald et al. (2003) konnte, nach Zusammen-schluss der Bonner und Bremer Hämophilie-Patienten, eine signifikant schlechtere Erfolgsrate bei den Patienten mit Therapiebeginn nach 1990 festgestellt werden. Es ist nicht auszuschließen, dass sich ein ähnlicher Unterschied in der Therapieeffizienz bei Patienten mit Therapiebeginn vor bzw. ab 1990 auch in anderen Hämophilie-Zentren finden lässt, dieser jedoch auf Grund zu geringer Patientenzahlen noch nicht aufgefallen ist. Die Ergebnisse dieser Arbeit führen zu der Frage, wieso trotz des enormen Informationszugewinns der letzten 30 Jahre und den großen Fortschritten in

der Therapie der Hämophilie-Erkrankung (Oldenburg et al., 2009), die Immuntoleranztherapie bzgl. der Therapiedauer seit 1990 an Effektivität verloren hat.

Diese Frage ist nicht nur für das interne Qualitätsmanagement des Bonner Hämophilie-Zentrum interessant, sondern auf diese Weise ist es evtl. auch möglich, negative und positive Einflussfaktoren für die Dauer der Immuntoleranztherapie herauszustellen.

Zur Klärung dieser Frage ist es hilfreich zu analysieren, in welchen Parametern sich die Gruppe mit Therapiebeginn vor 1990 von der Gruppe mit dem Beginn der Therapie nach 1990 unterscheidet. Diesbezüglich können folgende Feststellungen gemacht werden: In diesen zwei Zeitabschnitten wurden unterschiedliche Faktor VIII Präparate verwendet, die sich bzgl. der Reinheit, des vWF-Gehaltes, der Herstellungsmethoden (plasmatisch oder rekombinant) und der Begleitstoffe unterscheiden. 97 % der HIV- positiven, 84,4 % der Hepatitis B-positiven und 71 % der Hepatitis C-positiven Patienten hatten ihren Therapiebeginn vor dem Jahre 1990. Unter den Patienten, die vor oder während der ITT nicht gegen Hepatitis B geimpft wurden, hatten 83,3 % ihren Therapiebeginn vor 1990. Das durchschnittliche Alter der Patienten zu Beginn der Therapie lässt auch einen signifikanten Unterschied erkennen: Das Durchschnittsalter zu Therapiebeginn bei den Patienten mit einem Therapiestart vor 1990 liegt bei 16,2 Jahren, bei den Patienten mit Therapiebeginn nach 1990 bei durchschnittlich 7,3 Jahren. Auch das intravasale Kathetersystem könnte zur ungleichen Therapiedauer in diesen zwei Zeitabschnitten beitragen, da diese intravasalen Kathetersysteme erst ab 1990 bei den Patienten des Bonner Gesamtkollektives zum Einsatz kamen (vergleiche Abschnitt 5.9). Somit können auch Infektionen des intravasalen Kathetersystems nur nach 1990 stattgefunden haben.

Auch diverse Umweltfaktoren wie die Ernährung, Umweltschadstoffe, die soziale Situation, eine verstärkte Hygiene u.v.m. könnten zum unterschiedlichen Verlauf der Immuntoleranztherapie bei Patienten mit Therapiebeginn vor und ab 1990 beitragen.

5.13 Hepatitis B, Hepatitis C, HIV und Hepatitis-B-Impfung während der