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Anfälle gehören zu den häufigsten neurologischen Störungen beim Hund (Podell et al., 1995). Sie entstehen durch die paroxysmale, elektrische Entladung von Neuronen (Steffen und Jaggy, 1995a). Das klinische Erscheinungsbild reicht von subtilen Beeinträchtigungen (fokale Krampfanfälle) bis zu generalisierten tonisch-klonischen Krampfanfällen (Knowles, 1998). Als Epilepsie wird das wiederholte Auftreten von epileptischen Anfällen ohne nachweisbares morphologisches Substrat bezeichnet (Jaggy und Heynold, 1996). Je nach Ätiologie des Anfallsgeschehens wird eine Unterteilung in drei Kategorien vorgenommen: idiopathische bzw. primäre, symptomatische bzw. sekundäre und reaktive epileptische Anfälle (March, 1998). Als Status epilepticus wird ein 30 Minuten oder länger andauernder epileptischer Anfall bezeichnet (Podell, 1996). Zwei oder mehrere isolierte Krampfanfälle innerhalb von 24 Stunden werden als Cluster-Anfälle definiert (de Lahunta und Glass, 2009).

Idiopathische oder auch primäre Epilepsie bezeichnet das Auftreten von spontanen Krampfanfällen ohne nachweisbare Ursache wie z. B. eine Enzephalitis oder eine Neoplasie (Steffen und Jaggy, 1995a). Die Prävalenz wird in verschiedenen Studien zwischen 0,5 % und 5,0 % geschätzt (Berendt, 2004). Eine familiäre Präsdisposition bzw. eine genetische Grundlage wurde bei verschiedenen Rassen wie zum Beispiel beim Beagle (Bielfelt et al., 1971), Belgischen Schäferhund (van der Velden, 1968;

Oberbauer et al., 2003), Keeshond (Wallace, 1975; Hall und Wallace, 1996), Vizsla (Patterson et al., 2003), Labrador Retriever (Jaggy et al., 1998; Berendt, 2004) und Golden Retriever (Srenk et al., 1994) nachgewiesen. Es wird davon ausgegangen, dass unterschiedliche Vererbungsgänge für die Entwicklung der Epilepsie bei diesen Rassen verantwortlich sind (Berendt, 2004). Die meisten Hunde erkranken zwischen dem ersten und dem fünften Lebensjahr (Podell, 1996). Die idiopathische Epilepsie wird im Ausschlussverfahren diagnostiziert (de Lahunta und Glass, 2009; Fig. 1).

Verlaufen alle Untersuchungen ohne besonderen Befund, so besteht der starke Verdacht, dass eine idiopathische Epilepsie vorliegt. Sollte das Tier bei Krankheitsbeginn ungewöhnlich jung oder alt für eine idiopathische Epilepsie sein, so kann auch von kryptogener Epilepsie gesprochen werden, d. h. eine morphologische

Krankheitsursache wird vermutet, konnte aber nicht nachgewiesen werden (Berendt und Gram, 1999). Für Hunde, die an idiopathischer Epilepsie erkrankt sind, stehen unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Eine Therapie sollte begonnen werden, sobald das Tier zwei oder mehr generalisierte epileptische Anfälle innerhalb von sechs Monaten gezeigt hat (Podell, 2004). Bisher gibt es in Deutschland kein für den veterinärmedizinischen Markt zugelassenes antiepileptisches Medikament. Zurzeit werden vor allem Phenobarbital, Kaliumbromid, Felbamat, Gabapentin, Zonisamid und Levetiracetam aus der Humanmedizin umgewidmet und mit unterschiedlichem Erfolg bei Hunden zur dauerhaften Therapie eingesetzt (Potschka et al., 2009).

Bei symptomatischen bzw. sekundären Krampfanfällen liegt eine strukturelle Veränderung im Bereich des Gehirns vor (March, 1998). Diese strukturellen Veränderungen können als Folge von Hämorrhagien, Entzündungen, Traumata, Anomalien, Neoplasien oder Speicherkrankheiten auftreten (Steffen und Jaggy, 1995c). Hunde mit symptomatischer Epilepsie bedürfen einer ätiologischen Therapie je nach Ursache zum Beispiel mit Antibiotika oder einer Chemotherapie und sollten zudem unterstützend antiepileptisch therapiert werden (Podell, 2004).

Reaktive Krampfanfälle sind Folge einer Entgleisung des Stoffwechsels, die durch unterschiedliche zu Grunde liegende Erkrankungen hervorgerufen werden kann.

Veränderungen im Körper, die zu solchen epileptischen Anfällen führen können, sind zum Beispiel Hypoglykämie, Hypoxie, Hypo- oder Hyperkalzämie, Hypo- oder Hypernatriämie, Hyperosmolalität, hepatische oder urämische Enzephalopathie und Schilddrüsenunterfunktion; zudem kann eine große Breite an toxischen Substanzen reaktive Krampfanfälle auslösen (Tab. 1; Cunningham, 1971; Fuhrer, 1990; Steffen und Jaggy, 1995b; O’Brien, 1998).

Intoxikationen gehören zu den häufigsten Notfällen in der veterinärmedizinischen Neurologie (Sigrist und Spreng, 2007), wobei das zentrale Nervensystem besonders anfällig für viele Toxine ist (Steffen und Jaggy, 1995b). Oft gehen Vergiftungen mit

einer akuten Entwicklung der klinischen Symptome einher (Dorman, 1993). Häufige Veränderungen sind Hyperaktivität, Muskeltremor, Hyperästhesie und Krampfanfälle (Steffen und Jaggy, 1995b). Der Zeitraum zwischen den einzelnen Anfällen ist oft durch abnorme neurologische Untersuchungen gekennzeichnet (Dorman, 1993).

Wird ein Tier im Status epilepticus vorgestellt, ohne dass es vorher jemals epileptische Anfälle gezeigt hat, so muss Vergiftung immer mit in die Liste der möglichen Differentialdiagnosen aufgenommen werden (Steffen und Jaggy, 1995b;

Zimmermann et al., 2009). Vergiftungen erfordern ein sofortiges Handeln, um bleibende Schädigungen möglichst abzuwenden. Zunächst sind eine Stabilisierung des Herz-Kreislauf-Systems und eine Dekontamination des Patienten mittels induzierter Emesis, Magenspülung und Verabreichung von Laxantien anzustreben;

gegebenenfalls müssen Antikonvulsiva verabreicht werden (Hall, 2008). Eine toxikologische Untersuchung des Patienten ist anzustreben, um eine Vergiftung definitiv nachzuweisen, da viele Patientenbesitzer vermuten, dass ihr Tier vergiftet wurde, ohne eine Giftaufnahme beobachtet zu haben (Poppenga und Braselton, 1990). Der Nachweis von toxikologisch wirksamen Substanzen im Patienten kann im Weiteren auch dazu dienen, die Vergiftungsquelle ausfindig zu machen, um andere Tiere und Menschen vor Intoxikationen mit der gleichen Substanz zu bewahren.

Eine umfassende diagnostische Abklärung eines Patienten mit Krampfanfällen ist die Voraussetzung für eine adäquate Therapie, die je nach zu Grunde liegender Ursache stark variieren kann (Podell, 1998). Hierzu gehören die ausführliche Anamneseerhebung, die exakte klinische und neurologische Untersuchung des Tieres und die umfassende Blutuntersuchung. Je nach Befund muss zur weiteren Untersuchung des Patienten in Narkose mittels Elektroenzephalographie, Magnetresonanztomographie und Liquoruntersuchung geraten werden (Berendt, 2004; Fig. 1).

Fig. 1. Diagnostisches Vorgehen bei epileptischen Anfällen.

Bei der idiopathischen Epilepsie handelt es sich um eine Auschlussdiagnose. Kann eine metabolische oder toxische Ursache für den epileptischen Anfall nachgewiesen werden, so handelt es sich um reaktives Krampfgeschehen. Sobald eine intrazerebrale Ursache nachgewiesen werden kann, wird von einer symptomatischen oder auch sekundären Epilepsie gesprochen. Verlaufen alle Untersuchungen ohne besonderen Befund, so liegt eine primäre oder auch idiopathische Epilepsie vor.

Ziel dieser Arbeit war es, durch retrospektive Auswertung aller Hunde mit reaktivem Krampfgeschehen und anderen toxisch bedingten Beeinträchtigungen des zentralen Nervensystems, das Auftreten der einzelnen metabolischen und toxischen Ätiologien zu analysieren, um dadurch neue Anhaltspunkte für eine adäquate Diagnosestellung, Prognose und Therapie zu erhalten.

Die erste Studie analysierte die Häufigkeit metabolischer und toxischer Ätiologien bei Hunden, die aufgrund eines Krampfgeschehens in der Klinik für Kleintiere der Tierärztlichen Hochschule Hannover in den Jahren 2004-2008 vorgestellt wurden.

Die zweite Studie beschreibt mit der toxikologischen Harnuntersuchung mittels Gaschromatographie-Massenspektrometrie eine Methode der toxikologischen Untersuchung, die zurzeit noch wenig in der Tiermedizin angewandt wird, jedoch über große diagnostische Möglichkeiten verfügt.