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Welche psychologischen Merkmale eignen sich zur Vorhersage des Berufs-erfolgs von Hochschulabsolventen? Diese Frage ist in der Personalauswahl ebenso relevant wie bei der Beratung von Jungakademikern. Es gibt bereits umfassende Meta-Analysen zur Prognose von Berufserfolg durch Pers¨ onlich-keitseigenschaften (Judge et al., 1999, 2002) und Bildungsleistungen (Roth et al., 1996; Roth & Clarke, 1998). Im Anschluss an einen ¨Uberblick ¨uber die bestehenden Arbeiten wird in der vorliegenden Studie anhand von re-pr¨asentativen Paneldaten untersucht, wie weit sich diese Befunde auf die Prognose des Berufserfolgs ¨ubertragen lassen.

5.1.1 Noten als Leistungsmaß

Aus der Perspektive der Personalauswahl stellt ein Hochschulabschluss in erster Linie eine Qualifikationsleistung dar. Der Abschluss zertifiziert das

STUDY 3: PR ¨ADIKTOREN DES BERUFSERFOLGS

im Studium erworbene Wissen und die erlernten F¨ahigkeiten. Aber letzt-lich spiegeln sich in den Noten auch Aspekte wie Durchhalteverm¨ogen und Selbstorganisation wider, die im Zusammenhang mit nicht-kognitiven Kon-strukten (z. B. Selbstwirksamkeit, Gewissenhaftigkeit) stehen (Richardson et al., 2012).

Bei der Auswahl von Studierenden haben vorhergehende Schulleistungen in Form von Noten gute pr¨adiktive Validit¨at bez¨uglich des Studienerfolgs (Schuler et al., 1990; Trapmann, Hell, Weigand, & Schuler, 2007). Ob sich diese Befunde auf die Auswahl von Absolventen ¨ubertragen lassen, wird in dieser Arbeit gepr¨uft.

5.1.2 Pers¨onlichkeitseigenschaften als Leistungspr¨adiktoren Sowohl Schul- als auch Studienleistungen beinhalten neben einer kognitiven Leistungskomponente auch motivationale Aspekte (F. Fischer et al., 2012) und Pers¨onlichkeitsmerkmale, die das Lernverhalten und die Arbeitsorgani-sation beeinflussen (Richardson et al., 2012). Im Fokus dieser Arbeit steht das Faktoren-Modell der Big Five, das f¨unf ¨uberwiegend voneinander un-abh¨angige Pers¨onlichkeitseigenschaften postuliert (Costa & McCrae, 1992).

Dabei handelt es sich um Extraversion, Vertr¨aglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus und Offenheit f¨ur Erfahrungen. Diese f¨unf Pers¨ onlichkeits-dimensionen konnten in vielen Untersuchungen empirisch repliziert werden, wobei auch immer wieder der Zusammenhang mit Bildungserfolg untersucht wurde (De Raad & Schouwenburg, 1996). Gewissenhaftigkeit zeigt dabei als einziger Faktor eine klare pr¨adiktive Validit¨at hinsichtlich des Studienerfolgs (Richardson et al., 2012; Trapmann, Hell, Hirn, & Schuler, 2007). Bei der Prognose der beruflichen Zufriedenheit haben emotionale Stabilit¨at und Ex-traversion konsistent pr¨adiktive Validit¨at (Judge et al., 2002) und zumindest bei Studien mit großen Stichproben gibt es auch einen stabilen Effekt beim Zusammenhang von Gewissenhaftigkeit und Arbeitszufriedenheit (Judge et al., 2002; Lapierre & Hackett, 2007). Ein sehr ¨ahnliches Bild zeigt sich f¨ur die Vorhersage von Einkommen: Auch hier finden sich moderat große Kor-relationen, die f¨ur Gewissenhaftigkeit weniger stabil sind als f¨ur emotionale

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Stabilit¨at und Extraversion (Judge et al., 1999).

5.1.3 Berufserfolg

Berufserfolg hat viele Gesichter. Man kann grob zwischen intrinsischen (z. B.

Zufriedenheit, Passung) und extrinsischen Erfolgskriterien (z. B. Einkommen, Beurteilung durch Vorgesetzte) unterscheiden. Die beiden Dimensionen las-sen sich faktorenanalytisch voneinander trennen (Judge et al., 1999).

5.1.4 Geschlechtsunterschiede

In Deutschland wie auch in den meisten anderen europ¨aischen L¨andern sind Frauen im Schnitt zufriedener mit ihrer Arbeit als M¨anner (Kaiser, 2005), al-lerdings schrumpft der Effekt mit zunehmendem Bildungsgrad (A. E. Clark, 1997) und verschwindet bei Kontrolle der fachlichen Ausrichtung des Berufs-felds offenbar ganz (Abele & Spurk, 2009).

Bei der Betrachtung des Zusammenhangs zwischen den Big Five und dem beruflichen Status zeigen sich m¨ogliche Ursachen f¨ur Geschlechtsunterschie-de bei Geschlechtsunterschie-der beruflichen Karriere. Das Erreichen einer F¨uhrungsposition h¨angt mit der emotionalen Stabilit¨at, der Offenheit f¨ur Erfahrungen, dem Man-gel an Vertr¨aglichkeit und Gewissenhaftigkeit zusammen, wobei die Effekte in geschlechtsspezifischen Modellen weitgehend verschwinden. Bei den Frau-en bleibt einzig der negative Effekt von Vertr¨aglichkeit signifikant und bei den M¨annern bleiben die Effekte von Gewissenhaftigkeit und Vertr¨aglichkeit.

Emotionale Stabilit¨at und Offenheit f¨ur Erfahrungen zeigen bei Kontrolle des Geschlechts keine signifikanten Effekte mehr (Fietze, Holst, & Tobsch, 2010). Entsprechend empfiehlt es sich, bei der Untersuchung von subjekti-ven Berufserfolgsmaßen den beruflichen Status mit zu ber¨ucksichtigen, da F¨uhrungspositionen ¨uberproportional von M¨annern besetzt sind.

Geschlechtsspezifische Unterschiede hinsichtlich der beruflichen Position und des Berufsfelds erkl¨aren auch einen Teil der sogenannten Lohnl¨ucke.

M¨anner tendieren eher zu Arbeitsgebieten mit h¨oheren Verdienstm¨ oglich-keiten (z. ˙B. Ingenieurberufe), w¨ahrend Frauen eher Berufsfelder mit niedri-geren Einkommen w¨ahlen. Ber¨ucksichtigt man die entsprechenden

Kontroll-STUDY 3: PR ¨ADIKTOREN DES BERUFSERFOLGS

variablen, l¨asst sich der geschlechtsspezifische Einkommensunterschied um mehr als die H¨alfte auf 12 % reduzieren (C. Anger & Schmidt, 2010). Das heißt, dass selbst bei Konstanthaltung der Arbeitsplatz- und der Personenei-genschaften Frauen im Schnitt nur 88 % des Einkommens eines vergleichbaren Mannes erhalten.

5.1.5 Offene Forschungsfragen

W¨ahrend die eingangs vorgestellten Meta-Analysen einen guten ¨Uberblick uber die allgemeine Situation geben, fehlen bislang Forschungsarbeiten, die¨ speziell die Erfolgschancen von Hochschulabsolventen untersuchen. Befragun-gen von Absolventen und r¨uckblickende Interviews mit Berufst¨atigen k¨onnen jeweils nur Erkenntnisse ¨uber einen zeitlich und r¨aumlich beschr¨ankten Per-sonenkreis liefern (z. B. f¨ur eine Hochschule oder f¨ur einen Berufszweig). Des-halb wird in der vorliegenden Arbeit anhand von repr¨asentativen Panelda-ten aus Deutschland untersucht, wie gut SchulnoPanelda-ten und Pers¨ onlichkeits-eigenschaften subjektive (Arbeitszufriedenheit) und objektive (Einkommen) Aspekte der Berufst¨atigkeit von Hochschulabsolventen zwei Jahre nach deren Abschluss vorhersagen k¨onnen.

5.1.6 Hypothesen und explorative Annahmen

Da allgemeine kognitive F¨ahigkeiten (erfasst durch Studierf¨ahigkeitstests und Schulnoten) und nicht-kognitive Facetten (Gewissenhaftigkeit) den Studiener-folg beg¨unstigen (Richardson et al., 2012; Trapmann, Hell, Hirn, & Schuler, 2007; Trapmann, Hell, Weigand, & Schuler, 2007), wird erwartet, dass die Prognosekraft von Schulnoten und den Big-Five-Faktoren in dieser Stichpro-be aufgrund der Vorselektion abnimmt. Wenn – stark vereinfacht ausgedr¨uckt – nur Studierende mit einem 1,0-Abitur ein bestimmtes Studium abschließen, kann man anhand der Schulnote nicht mehr zwischen Bewerbern differenzie-ren. Eine Best¨atigung dieser Hypothese w¨urde eine Ber¨ucksichtigung von Schulnoten und Pers¨onlichkeitsmaßen bei der Personalauswahl fraglich er-scheinen lassen, zumal der Einbezug von Pers¨onlichkeitstests mit zeitlichem und finanziellem Aufwand verbunden ist.

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Weiterhin werden geschlechtsspezifische differenzielle Effekte der Schul-leistung und der Pers¨onlichkeitsvariablen hinsichtlich der Jobzufriedenheit und des Einkommens getestet. Diese Analyse hat explorativen Charakter, da zu diesen Zusammenh¨angen bislang keine Studien f¨ur Hochschulabsolventen vorliegen.

Unterschiede bei der Wahl des Berufsfelds sind in einer erst k¨urzlich er-hobenen Hochschulabsolventenstichprobe zu erwarten, da generell Frauen st¨arker zu sozialen T¨atigkeiten neigen, w¨ahrend M¨anner eher zu technischen Arbeiten tendieren (Su, Rounds, & Armstrong, 2009). Um diese Unterschiede bei den beruflichen Interessen zu ber¨ucksichtigen, wird die Interessendimen-sion der gew¨ahlten Studienrichtung als Kovariate mit einbezogen. Bei den Analysen werden weiterhin beruflicher Status und Abschlussjahr als Kon-trollvariablen ber¨ucksichtigt.

Bildungsdifferenzen d¨urften dagegen angesichts der diesbez¨uglich homo-genen Stichprobe vernachl¨assigbar sein. Pers¨onlichkeitseigenschaften wird ein eher kleiner Einfluss auf die Lohnl¨ucke zugeschrieben, jedoch bleibt besonders Gewissenhaftigkeit ein wichtiger Faktor, da sie das Einkommen m¨ oglicher-weise indirekt ¨uber das Arbeitszeitmanagement beeinflusst (Fietze et al., 2010). Im Mittelpunkt dieser Auswertungen stehen die Forschungsfragen, wie weit Schulleistungen (Noten) und Pers¨onlichkeitseigenschaften (Big Fi-ve) mit dem Berufserfolg von Hochschulabsolventen in Deutschland zusam-menh¨angen und welche Geschlechtseffekte es dabei gibt.