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Die Geburt stellt ein bedeutsames Lebensereignis und eine lebensverändernde Erfahrung dar. Bis vor zwei Jahrzehnten standen die körperliche Gesundheit und die Sicherheit von Mutter und Kind im Vordergrund des Geburtsvorgangs. Die

emotionale Sicherheit und das subjektive Geburtserlebnis der Mutter gewinnen nun aber zunehmend an Bedeutung. (Chabbert et al., 2021)

1.1 Problemstellung

Viele Frauen stellen sich die Geburt und das erste Kennenlernen mit ihrem Kind detailliert und schön vor. Die Vorstellung und die Realität stimmen dabei aber manchmal nicht überein. Es ist möglich, dass die Geburt von den Frauen nicht nur negativ, sondern sogar traumatisch erlebt wird. (Bloemeke, 2010)

Laut De Graaff et al. (2018) berichten zwischen 9 und 44% der Frauen, dass sie die Geburt als traumatisch erlebt haben. Was eine Geburt zu einem traumatischen Erlebnis macht, liegt laut Beck (2004) in der Wahrnehmung des Einzelnen. Das Empfinden der Frau, welche geboren hat und diejenige des Personals, welche sie betreut hat, kann sehr unterschiedlich sein. So kann eine Frau die Geburt

traumatisch erlebt haben, für das geburtshilfliche Personal dagegen war es eine normale Routinegeburt. (Beck, 2004)

Diese unterschiedliche Wahrnehmung kann sich auch darin zeigen, dass das subjektive Erleben der Frau dramatischer ist, als dies ein protokollierter Geburtsverlauf ahnen lässt. Ausserdem kann eine vorhandene emotionale Erschütterung aufgrund der traumatisierenden Geburt für Aussenstehende nicht leicht zu erkennen sein. (Bloemeke, 2007a)

Eine traumatisch erlebte Geburt kann verschiedene und einschneidende Folgen haben. Diese betreffen nicht nur das emotionale Wohlbefinden der Frau, sondern wirken sich unter anderem auch auf ihre Beziehung zum Neugeborenen und zum Partner aus. (Boorman et al., 2014)

Die vorliegende Arbeit untersucht die Auswirkungen eines traumatischen Geburtserlebnisses auf die Mutter-Kind-Beziehung.

1.2 Relevanz für die Profession

Die hohe Prävalenz von traumatischen Geburten und die folgenschweren

Auswirkungen zeigen die Bedeutung des Themas. Die Hebamme begleitet eine Frau nicht nur während der Schwangerschaft oder unter der Geburt, sondern auch in der Lebensphase des Wochenbetts, der Stillzeit und frühen Elternschaft (Schwager, 2020). Somit ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Hebammen betroffene Frauen während und/oder nach einer Traumatisierung betreuen. Deshalb ist es wichtig, dass Hebammen mehr über die Hintergründe und die Folgen einer traumatischen Geburt wissen.

Im Erkennen und Unterscheiden von regelrichtigen, regelabweichenden und

regelwidrigen Prozessen liegt eine wichtige Kompetenz der Hebamme. Dabei soll sie regelrichtige Anteile fördern und entsprechende Interventionen treffen. (Ledergerber et al., 2009)

Diese Prozesse umfassen nicht nur das Einschätzen von körperlichen

Veränderungen, sondern auch des psychischen Zustandes der Frau. Es kann

Aufgabe der Hebammenberatungstätigkeit sein, die werdende Familie bei der Suche nach Ressourcen zur Herstellung einer neuen Stabilität zu unterstützen, um einen möglichst positiven Start in die Familienphase zu gewährleisten. (Kirchner, 2015) Ausserdem hat die Hebamme eine wichtige Funktion im Erkennen von psychischen Störungen in der Postpartalzeit (Schönberner, 2020).

1.3 Stand der Forschung

Eine Vielzahl von Studien betrachten in Bezug auf das Thema «traumatische Geburt» vor allem die Faktoren, welche aus mütterlicher Perspektive während der Geburt als traumatisch erlebt werden (Harris & Ayers, 2012; Simpson & Catling, 2016). Andere Studien betrachten das Thema in Zusammenhang mit

posttraumatischem Stress (Ionio & Di Blasio, 2014) oder einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) (De Graaff et al., 2018). Die aktuelle Datenlage zeigt jedoch, dass nur sehr wenige Frauen nach einer traumatisierenden Geburt

spezifischen Reaktionen entwickeln (Anderson, 2017). Dies verdeutlicht den Bedarf an weiterer Forschung zu den Auswirkungen von traumatisierenden Geburten, welche nicht im Zusammenhang mit posttraumatischem Stress oder einer PTBS

stehen. Dies wird durch die Aussage von Ionio & Di Blasio (2014) gestützt. Sie legen dar, dass es nur wenig Forschung gibt, welche unabhängig von posttraumatischem Stress untersucht, inwiefern sich ein traumatisches Geburtserlebnis auf die

mütterliche Interaktion mit ihrem Kind auswirkt.

Auf der anderen Seite wird das Bewusstsein in der Forschung grösser, dass nicht nur die Mutter von dem traumatischen Geburtserlebnis betroffen ist, sondern auch der Vater (Inglis et al., 2016) oder das geburtshilfliche Personal (Schrøder et al., 2016).

1.4 Fragestellung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit folgender Fragestellung:

«Welchen Einfluss hat ein traumatisierendes Geburtserlebnis auf die mütterlichen Gefühle und die Beziehung zwischen Mutter und Kind in der Postpartalzeit?»

1.5 Ziel der Arbeit

Ziel dieser Arbeit ist es, unterschiedliche Gefühlsreaktionen der Mutter ihrem Kind gegenüber nach traumatisierender Geburt zu identifizieren und darzulegen, wie das traumatische Ereignis die Mutter-Kind-Beziehung beeinflusst. Durch dieses Wissen soll die Betreuungsqualität von Hebammen verbessert werden, damit dysfunktionale Muster frühzeitig erkennt und nötige Interventionen ergriffen werden können.

1.6 Abgrenzung des Themas

In dieser Bachelorarbeit wird der Einfluss einer traumatisierenden Geburt auf die Gefühle und die Interaktion der Mutter ihrem Kind gegenüber in der Postpartalzeit untersucht und aus Sicht der Mutter beschrieben. Dabei wird nicht darauf

eingegangen, welche Reaktionen das Kind auf die Interaktion zeigen kann.

Langzeitauswirkungen, ausser postpartale Depression, werden im Rahmen dieser Arbeit nicht näher betrachtet.

Die Auswirkung von vorbestehenden psychischen Erkrankungen/Traumata oder physischen Geburtstraumata können nicht berücksichtigt werden.

Nicht näher betrachtet werden mögliche Einflüsse einer traumatischen Geburt auf den Partner oder das geburtshilfliche Personal.

Negativ erlebte Geburten, welche jedoch nicht als traumatisch angesehen werden, sind nicht Teil der Untersuchung. Auf Gewalt in der Geburtshilfe wird in dieser Arbeit nicht eingegangen, da Gewalt unter der Geburt zwar zu einem Trauma führen kann, aber ein Trauma auch ohne Gewalterfahrung entstehen kann.