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Einleitung mit Problemstellung und Zielstellung

Als Resultat der Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro im Juni 1992 hat sich ein neues Leitbild etabliert, das inzwischen zu einem neuen Denken in der Umwelt- und Entwicklungspolitik geführt hat: die nachhaltige Entwicklung (UBA, 1997). Die weltweite Verständigung auf dieses Leitbild findet bereits statt, jedoch be-steht eine Schwierigkeit darin, die speziellen Ansprüche zu konkretisieren und ihnen gerecht zu werden. Der Gedanke der nachhaltigen Entwicklung fordert, künftig alles Wirtschaften an den Grenzen der Tragfähigkeit des Naturhaushaltes zu orientieren und dabei zugleich die ökonomische und soziale Dimension zu berücksichtigen. Ökologie, Ökonomie und Soziales sollen zukünftig nicht mehr voneinander getrennt oder gar ge-genübergestellt betrachtet werden, sondern vielmehr in einer Einheit.

Mit dem Aktionsprogramm "Agenda 21", welches auf der Rio-Konferenz von mehr als 170 Staaten unterzeichnet wurde, wird die Entwicklung und Anwendung von Indikato-ren gefordert, mit deIndikato-ren Hilfe national und international Entwicklungsprozesse darauf-hin überprüft werden können, ob sie dem Ziel der Nachhaltigkeit gerecht werden.

Der Verbrauch an Rohstoffen und fossiler Energie ist im Zuge der Intensivierung und Mechanisierung der Produktion im landwirtschaftlichen Bereich stetig angestiegen. Da-mit verbunden sind ein steigender Ressourcenverbrauch, Gefährdung der Nachhaltigkeit der Landbewirtschaftung und zunehmende Belastungen der Umwelt (KALISKI, 2003).

Im Bereich der Tierproduktion liegen gegenüber der Pflanzenproduktion vergleichswei-se wenige Untersuchungen zum Energieaufwand vor (WECHSELBERGER, 2000).

Ziel des Forschungsvorhabens ist es einen Beitrag zur Entwicklung eines einheitlichen Lösungsweges zur Ermittlung des Energieaufwands in der Tierhaltung zu leisten. Am Beispiel der Milchproduktion erfolgt die Methodenentwicklung zur Energiebilanzie-rung. Dieses Produktionsverfahren wurde ausgewählt, weil es wirtschaftlich ein sehr bedeutender Zweig ist und die höchsten Ansprüche an die Bewertung von Verfahren der Tierhaltung stellt. Im Kontext dazu wird das Verfahren der Kälberproduktion betrachtet.

Seit der Rio-Konferenz wird weltweit intensiv an der Ableitung aussagefähiger, verfüg-barer und abgestimmter Nachhaltigkeitsindikatoren sowie ihrer Einbindung in Bewer-tungsansätze gearbeitet (OECD, 1997; KOMM, 2000; LENZ ET AL., 2000).

Dabei entstanden zahlreiche Modelle, die sich in ihrer Komplexität, in der Indikatoren-auswahl, den Analysemethoden, der Grenzwertsetzung und Aggregation der Indikatoren unterscheiden. So wurden z. B. in Deutschland das KUL-Verfahren (ECKERT ET AL.,

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1999) und das Modell REPRO (HÜLSBERGEN, 2003), in Großbritannien das System EMA (Environmental Management for Agriculture, LEWIS & BARDON, 1998) und in den USA das ESI-Verfahren (Environmental Sustainability Index; SANDS& PODMORE, 2000) entwickelt.

Bei der Weiterentwicklung dieser Modelle sind noch eine Reihe methodischer Fragen bei der Analyse und Bewertung der Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Systeme zu klä-ren, u. a.:

x Welche räumlichen und zeitlichen Systemgrenzen sind wann relevant (COSTANZA &

PATTEN, 1995)?

x Wie lässt sich die bisher verbreitete isolierte Betrachtung von Indikatoren überwin-den und ein Systemansatz verwirklichen (WALZ, 1998; HÜLSBERGEN, 2003)?

x Mit welchen Methoden sind Einzelkriterien in eine Gesamtaussage zu integrieren (ANDREOLI & TELLARINI, 2000; SANDS& PODMORE, 2000)?

Für die Nutztierhaltung wurde die Komplexität der Thematik, die von biologischen Grundlagen über Fragen der stofflichen und energetischen Effizienz bis hin zu sozio-ökonomischen Aspekten reicht, in Deutschland erstmals 1998 im Rahmen eines Work-shops diskutiert (BRUNSCH ET AL., 1999).

Bei der Bewertung der Nachhaltigkeit im Agrarbereich kommt der Ebene des Landwirt-schaftsbetriebes besondere Bedeutung zu. Auf Betriebsebene werden konkrete Entschei-dungen über Produktionsprozesse getroffen, die sowohl umwelt- als auch qualitätsrele-vant sind. Auf dieser Ebene erfolgen die konkreten Eingriffe in die Steuerung der Pro-zesse. Durch eine Verknüpfung der Betriebsebene mit vor- und nachgelagerten Berei-chen kann die gesamte Wertschöpfungskette analysiert und bewertet werden.

Potenzielle Einsatzgebiete von Indikatorenmodellen sind die Nachweisführung der gu-ten fachlichen Praxis bzw. darüber hinausgehender Umweltleistungen, die Einbindung in Betriebsaudits, die Betriebsberatung, der Aufbau integrierter Umwelt- und Qualitäts-managementsysteme (BERG ET AL., 2002; CHRISTEN ET AL., 2002; NEHRING, 2002).

Weiteres Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, ein methodisch-wissenschaftliches Funda-ment der Entwicklung und Anwendung geeigneter Indikatoren zu schaffen, um die Energieeffizienz auch im Bereich der Tierhaltung ermitteln und bewerten zu können.

Mit der zu entwickelnden Methode wird der Energieaufwand in der Tierhaltung so

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tailliert ermittelt, dass sich einzelne Verfahrensabschnitte beurteilen und dementspre-chend gestalten und verändern lassen.

Darüber hinaus sollen anhand der detailliert zu prüfenden Indikatoren (bspw. Energie-aufwand je kg erzeugter Milch, EnergieEnergie-aufwand je kg erzeugten Fleisches, Energieauf-wand je kg erzeugten Futtermittels) für den Energieeinsatz in der Tierhaltung Toleranz-bereiche gefunden werden, innerhalb derer der Landwirt ein ökonomisches Optimum suchen kann. Dadurch wird es möglich, sowohl den ökologischen als auch den ökono-mischen und sozialen Aspekten der Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen. Für eine umfas-sende Bewertung der Verfahren ist es erforderlich, neben dem Energieaufwand auch die anderen Kriterien, wie Umweltauswirkungen (Emissionen), Tiergerechtheit und Wirt-schaftlichkeit - die teilweise konträr sind, in vergleichbarer Weise einzubeziehen.

Es ist zu untersuchen, welche Kenngrößen (wie z. B. der flächenbezogene oder der pro-duktbezogene Energieaufwand/die Energieintensität) in welchem Maß geeignet sind, die Nachhaltigkeit von Verfahren/Betrieben zu bewerten und in welchem Zusammen-hang die energetischen Indikatoren (bspw. Anteil regenerativer Energieträger am Ge-samtenergieaufwand) zu anderen Indikatoren (z. B. Intensität des Einsatzes von Pflan-zenschutzmitteln, Stickstoffüberschuss) stehen. Darüber hinaus soll geprüft werden, inwiefern sich auch im Bereich der Tierhaltung energetische Richtwerte/Zielwerte ab-leiten lassen - vergleichbar bspw. mit den Zielwerten für die Energieintensität im Pflan-zenbau.

Um diese Zielvorstellungen zu realisieren, sollen Indikatoren ermittelt werden, anhand derer der Energieaufwand in der Tierhaltung bewertet werden kann.

Es sind Berechnungs- und Bewertungsalgorithmen zu entwickeln, die die Energieflüsse im Bereich der Tierhaltung darstellen und eine Bewertung innerhalb differenzierter Sys-temgrenzen ermöglichen. Plausibilitätskontrollen und Sensitivitätsanalysen werden an-hand von Modell- und Praxisbetrieben unterschiedlicher Agrarräume Deutschlands aus-geführt.

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